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Plenarsaal des Sächsischen Landtags © Oliver Killig

Netz fordert Stammbaumforschung

Sachsen begrenzt nach „Querdenker“-Demo Teilnehmerzahl bei Demos

In Leipzig ist am Wochenende eine Demonstration der "Querdenker" in Gewalt und Randale ausgeartet. Die Landesregierung setzt nun in der Corona-Pandemie eine Obergrenze von 1.000 Teilnehmenden pro Demonstration. Auf Twitter fordern User "Stammbaumforschung".

Mittwoch, 11.11.2020, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.11.2020, 22:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach der chaotischen Leipziger „Querdenken“-Demonstration gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen begrenzt Sachsen die Teilnehmerzahl bei Versammlungen. Zugelassen seien demnach in der Corona-Pandemie maximal 1.000 Teilnehmer, sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) am Dienstag in Dresden. Im Einzelfall könne es zwar Ausnahmen geben, allerdings nur, wenn dies aus infektionsrechtlicher Sicht vertretbar sei.

Die Demonstrationen dürften auch weiterhin nur stationär stattfinden, Aufzüge seien verboten. Es bestehe Masken- und Abstandspflicht. Die sächsische Corona-Schutzverordnung sei entsprechend angepasst worden und trete am Freitag in Kraft.

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Beamte verletzt, Journalisten attackiert

In Leipzig hatten am Samstag rund 20.000 Menschen – darunter Hooligans und Rechtsextremisten – weitgehend ohne Maske und Mindestabstand gegen die Corona-Regeln der Bundesregierung demonstriert. Manche Beobachter sprechen sogar von rund 45.000 Teilnehmenden. Nach Auflösung der Protestkundgebung der sogenannten Querdenken-Bewegung durch die Behörden durchbrachen Demonstranten eine Polizeisperre und zogen trotz Verbots ungehindert um und durch die Innenstadt.

Bei der Demonstration wurden Beamte verletzt und Journalisten attackiert. Das Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) hatte zuvor der Verlegung der Demonstration an den Stadtrand durch die Behörden widersprochen und sie auf dem zentralen Augustusplatz zugelassen.

Wöller: „Überwiegend friedlich“

In einer ersten Reaktion hatte Wöller von einem „überwiegend friedlichen Verlauf der Demonstration“ gesprochen und war damit in die Kritik geraten. Der Innenminister hatte auch die OVG-Entscheidung als „unverantwortlich“ kritisiert. Wöller bekräftigte seine Aussagen. Er sehe das „heute noch genauso“. Andere Bundesländer wie etwa Bayern machten es vor und setzten Auflagen durch.

„Ja, es gab Gewalt“, sagte Wöller mit Blick auf die Demonstrationen in Leipzig. Der größte Teil der Versammlungen am Samstag sei aber „überwiegend friedlich“ verlaufen. Auch Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar betonte: „Die überwiegende Mehrheit der Versammlungsteilnehmer war friedlich.“

122 Straftaten registriert

Laut Kretzschmar wurden 122 Straftaten registriert, unter anderem wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung. 31 Einsatzkräfte seien leicht verletzt worden. Außerdem habe es 144 Ordnungswidrigkeiten laut Corona-Schutzverordnung gegeben.

Indes ist die Diskussion um Konsequenzen aus den Ereignissen in vollem Gang. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) erneuerte seine Kritik an dem OVG-Beschluss, die Demonstration in der Innenstadt zuzulassen. Er fordert eine ethische Debatte über das Verhältnis des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und jenem auf körperliche Unversehrtheit in der Pandemie.

Grüne und Linke fordert Rücktritt

Die sächsischen Grünen sehen nach den Vorfällen eine „Vertrauenskrise“ der schwarz-grün-roten Koalition. Grüne und Linke forderten den Rücktritt von Wöller. Das größte Problem sei nicht Innenminister Wöller oder die „Querdenken“-Bewegung, sondern Corona, sagte Sachsens Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Es gelte jetzt vor allen, das Land durch die Krise zu lenken. Dulig sprach aber auch von einer „Belastung“ für die Koalition.

OVG-Präsident Erich Künzler verteidigte die Bautzener Richter. Er sehe bei ihnen keine Anzeichen für eine „coronaskeptische Haltung“, sagte er MDR Aktuell. Zugleich verwies er auf deren Unabhängigkeit.

Häme und Kritik im Netz

Derweil wird über die Ausschreitungen auch im Netz heiß diskutiert – nicht ohne Häme und Spott. In Anspielung an die Debatte nach der Stuttgarter Krawallnacht im Sommer fordern zahlreiche Nutzer im Kurznachrichtendienst Twitter eine „Stammbaumforschung“. Ein User namens LorenzoDD etwa schreibt: „Möchte bitte die Herkunft der #Neonazis und #Hooligans, die #Querdenken in #Leipzig0711 als Vorhut gedient und Polizisten angegriffen haben, mindestens drei Generationen zurück erfahren. #le0811 #Stammbaumforschung“

In Stuttgart hatte die Polizei nach den nächtlichen Ausschreitungen angekündigt, nicht nur auf den Pass der Randalierer zu gucken, sondern auch nach deren Herkunft. Das könne Aufschluss über die Gewaltursache geben und hilfreich bei der Prävention sein. (epd/mig) Aktuell Panorama

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