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Webstuhl (Archiv) © MBatty @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Grüner Knopf

Regierung ringt um ein Lieferkettengesetz

Seit einem Jahr ist das Gütesiegel „Grüne Knopf“ an Textilien in deutschen Geschäften zu finden. Für Minister Müller zeigt das: Handel ohne Menschenrechtsverletzungen und Armutslöhne ist möglich. Um ein Lieferkettengesetz wird derweil hart gerungen.

Donnerstag, 10.09.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.09.2020, 17:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die seit Monaten angekündigte Entwurf für ein Lieferkettengesetz verzögert sich weiter. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach am Mittwoch von nicht einfachen Verhandlungen zwischen den Ministerien. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte, die Abstimmungen seien „in der Endphase“. Vor allem das Wirtschaftsministerium hat Einwände gegen die bisherigen Pläne.

Ein Lieferkettengesetz müsse für die Unternehmen auch umsetzbar sein, sagte eine Sprecherin. Wirtschaftsverbände haben insbesondere Kritik an den Plänen, dass deutsche Firmen für ausbeuterische Praktiken ihrer ausländischen Geschäftspartner haftbar gemacht werden könnten. Eckpunkte für das Gesetz sind schon seit Jahresbeginn angekündigt und sollten bis spätestens Ende August im Kabinett sein.

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Das Regelwerk soll dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen ihre Lieferketten offenlegen und Zulieferer überprüfen. Es hätte gegebenenfalls bei Verstößen auch rechtliche Konsequenzen. Betroffen wären nach den bisherigen Plänen rund 7.000 große Unternehmen mit 500 oder mehr Beschäftigten. Mittlere Unternehmen – die zwischen 250 bis 499 Beschäftigte haben – wären von dem Gesetz also nicht betroffen.

Heil pocht auf Lieferkettengesetz“

Müller betonte, ein Lieferkettengesetz sei Teil des Prozesses, „die Globalisierung gerechter aufzustellen“. Er verwies auf das vor einem Jahr eingeführte staatliche Gütesiegel „Grüner Knopf“, welches Bekleidung und andere Textilien auszeichnet, die unter bestimmten menschen- und arbeitsrechtlichen Standards hergestellt wurden. Das Siegel zeige: „Es geht. Selbst kleine Start-ups schaffen das.“ Dabei sei die Textilbranche eine der schwierigsten, was die Lieferkette angehe.

Der „Grüne Knopf“ ist das erste staatliche deutsche Gütesiegel für Textilprodukte. Damit werden T-Shirts, Socken oder Hosen von Unternehmen ausgezeichnet, die 46 ökologische und soziale Kriterien einhalten und die Lieferketten offenlegen: So darf es etwa bei der Herstellung keine Kinder- oder Zwangsarbeit geben, Mindestlöhne müssen gezahlt und Arbeitszeiten eingehalten werden. Auch der Einsatz gefährlicher Chemikalien ist verboten. Das Siegel wird heute von mehr als 50 Unternehmen in Deutschland benutzt. Kontrolliert wird beim «Grünen Knopf» die Einhaltung der festgelegten Kriterien von anerkannten Prüfstellen wie dem TÜV. Zertifiziert wird für maximal drei Jahre – und alle zwölf Monate werden die Firmen stichprobenartig überprüft.

Heil pochte ebenfalls auf ein „wirksames Lieferkettengesetz“, zeigte sich aber zugleich kompromissbereit. Zentral sei aus seiner Sicht, dass die Verletzung von Menschenrechten durch Unternehmen zivilrechtliche Konsequenzen habe. Außerdem dürfe das Gesetz nicht nur für wenige Unternehmen gelten. Im Hinblick auf noch in dieser Woche geplante Gespräche mit dem Entwicklungs- und Wirtschaftsministerium äußerte er sich vorsichtig optimistisch. Man sei noch nie so nah an einem solchen Gesetz gewesen.

Blaupause „Grüner Knopf“

Das Lieferkettengesetz geht auf den „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) zurück, der schon 2016 beschlossen wurde und auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht. Dieser sieht vor: Wenn sich bis 2020 herausstellt, dass weniger als die Hälfte der großen Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, sollen „weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen“ geprüft werden. Seit dem vergangenen Sommer liefen dafür Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen. Nach den Ergebnissen erfüllten noch nicht einmal ein Fünftel der Unternehmen die menschenrechtlichen Anforderungen.

Blaupause für ein Gesetz ist der „Grüne Knopf“. Mit dem Siegel werden Textilien von Unternehmen ausgezeichnet, die 46 ökologische und soziale Kriterien einhalten und die Lieferketten offenlegen. 52 Firmen stellen laut Ministerium inzwischen Kleidung, Bettwäsche oder Rucksäcke mit dem „Grünen Knopf“ her. Die Verbraucherzentrale Bundesverband beklagt, dass das Siegel aber bei den großen Textilketten noch nicht angekommen ist. Auch müsse es klar definierte Sanktionsregeln geben.

„Grüner Knopf“ wenig bekannt

Was die Bekanntheit angeht, ist ebenfalls noch Luft nach oben: Laut Marktforschungsinstitut GfK kennt in Deutschland jeder Fünfte das Siegel. Beim Umweltzeichen „Blauer Engel“ (seit 1978) und „Fairtrade Baumwolle“ (seit 2005) seien es deutlich über 60 Prozent der Bevölkerung. Das GfK betonte aber, mit 20 Prozent nur ein Jahr nach der Einführung könne der „Grüne Knopf“ bereits eine „recht hohe Bekanntheit vorweisen“.

Nach Ansicht des Verbraucherschützers Jochen Geilenkirchen kann das Siegel erst mit einem Lieferkettengesetz massentauglich werden. „Es müssten deutlich mehr bekannte Marken das Zertifikat verwenden“, sagte der Experte der Verbraucherzentrale Bundesverband im Gespräch mit dem „Evangelischen Pressedienst“. Eine gesetzliche Regelung würde zudem das Vertrauen der Menschen in das Siegel stärken. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft

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