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Links ein Polizeieinsatz in Düsseldorf, rechts eine in Hamburg © Twitter/YouTube

Verstörende Videos im Netz

Kritik nach Polizeigewalt gegen 15-Jährige in Düsseldorf und Hamburg

Wegen der umstrittenen Fixierung eines Jugendlichen durch Düsseldorfer Polizisten ermittelt nun die Polizei Duisburg. Auch ein Polizeieinsatz in Hamburg sorgt für Empörung. Forderungen nach einer unabhängigen Polizei-Beschwerdestelle werden laut.

Mittwoch, 19.08.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.08.2020, 17:17 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Zwei Videos im Netz von Polizeieinsätzen in Düsseldorf und Hamburg sorgen für eine Welle der Empörung im Netz. Das erste Video zeigt einen umstrittenen Polizeieinsatz am Samstag in der Düsseldorfer Altstadt, das zu mehreren Anzeigen geführt hat. Es lägen „diverse Strafanzeigen“ gegen den Polizisten vor, sagte Staatsanwalt Julius Sterzel am Dienstag dem „Evangelischen Pressedienst“. Auf einem Video ist zu sehen, wie der Beamte den Kopf eines 15-Jährigen mit seinem Knie auf den Boden drückte.

Der Staatsanwaltschaft zufolge ist zudem eine Gegenanzeige der Polizei gegen den Jugendlichen wegen Beleidigung, Widerstands und eines tätlichen Angriffs eingegangen. Die Vorwürfe müssten nun in Ruhe geprüft werden, erklärte Sterzel. Die Ermittlungen übernimmt aus „Neutralitätsgründen“ die Polizei Duisburg.

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Experte kritisiert Befangenheit

Der Politikwissenschaftler Eric Töpfer kritisierte im WDR-Radio eine mögliche Befangenheit bei den Ermittlungen. „Aufgrund der engen Zusammenarbeit der Polizei mit der Staatsanwaltschaft gibt es die Sorge, dass nicht ganz so scharf ermittelt wird“, sagte der Mitarbeiter vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Er schlug eine unabhängige Polizei-Beschwerdestelle nach dänischem und britischem Vorbild vor, die strafrechtlich gegen die Polizei ermitteln könne. Bisher gebe es lediglich in drei Bundesländern Polizeibeauftragte, die auch Beschwerden aus der Bevölkerung bearbeiten. Strafrechtlich ermitteln könnten sie allerdings nicht.

Das Video aus Düsseldorf weckt Erinnerungen an den Fall des Afroamerikaners George Floyd, der Ende Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in den USA getötet wurde. Ein Polizist hatte sein Knie minutenlang auf den Hals des in Handschellen am Boden liegenden Mannes gedrückt.

Polizeieinsatz beschäftigt Innenausschuss

Am Donnerstag wird der umstrittene Einsatz in der Düsseldorfer Altstadt auch den Innenausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen beschäftigen. Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte am Montag eine konsequente Aufarbeitung des Geschehens an: „Der Vorgang wird sehr ernst genommen.“ Sollte es ein Fehlverhalten seitens der Polizei gegeben haben, werde dem nachgegangen. Es dürfe jetzt aber keine vorschnelle Verurteilung geben, sondern es müsse „in Ruhe“ ermittelt werden. Grüne und SPD äußerten Zweifel, ob eine solche Art der Fixierung verhältnismäßig ist und beantragten je eine Aktuelle Viertelstunde im Innenausschuss.

Reul räumte ein, er habe sich „erschrocken“, als er das über den Einsatz kursierende Internet-Video gesehen habe. Zu den erlaubten Polizeimaßnahmen bei dem Einsatz sagte Reul, Knie und Schienbein „auf dem Ohr“ des jungen Mannes seien durch die Einsatzvorgaben der Landespolizei abgedeckt, nicht aber der Hals.

Anwalt verteidigt Polizisten

Der Anwalt eines Polizisten, gegen den ermittelt wird, hat das Vorgehen hingegen verteidigt. Der Einsatz sei genauso abgelaufen, wie man das trainiert, sagte Rechtsanwalt Christoph Arnold. „Das war ein vorbildlicher Ablauf.“

Reul zufolge war die Polizei am Samstagabend wegen Randalierern zu einem Imbiss in der Altstadt gefahren. Der 15-Jährige habe zunächst nichts damit zu tun gehabt, sich dann allerdings eingemischt und einen Beamten angegriffen. Der 15-Jährige sei dann zu Boden gebracht, gefesselt und auf die Wache gefahren worden.

Polizei schlägt 15-Jährigen in Hamburg

Ein zweites Video zeigt einen Polizeieinsatz von Montagvormittag in Hamburg. Auch dort ist der Betroffene ein 15-Jähriger. Er wird von acht Beamten ins Gesicht geschlagen und niedergerungen. Zuvor hatte sich der Jugendliche gegen zwei Polizistinnen und zwei Polizisten gewehrt. Auf dem Video ist zu hören, wie der Junge offenbar keine Luft kriegt. Die ganze Szene ereignete sich vor einer Wand mit einem Graffiti-Schriftzug „I can’t breathe“. Mehrmals ist auf dem Video zu hören, wie die Polizei eine Passantin auffordert, das Filmen einzustellen.

In sozialen Medien erntete der Polizeieinsatz unter dem Hashtag „#Polizeigewalt“ scharfe Kritik. Den Beamten wurde unverhältnismäßige Gewalt vorgeworfen. Die Polizei hingegen verteidigte am Dienstag in einer Erklärung den Einsatz. Die Beamten seien gewillt gewesen, den Widerstand mit „einfacher körperlicher Gewalt“ zu beenden. Bei dem Einsatz sei ein Polizist verletzt worden, der Jugendliche hingegen habe keine Verletzungen davongetragen.

Scharfe Kritik im Netz

Tuba Bozkurt kritisiert im Kurznachrichtendienst „Twitter“ den Einsatz als „überzogene Aggression von Beamt*innen“. Der Polizei wirft sie vor, „ein hilfloses & sichtlich überfordertes Kind“ zu „malträtieren“. Die Flüchtlingshilfeorganisation Seebrücke erklärte, dieser Vorfall sei nur einer in einer ganzen Reihe ähnlicher Übergriffe, „die immer wieder von der Hamburger Polizei gegen Persons of Color verübt werden“.

Auslöser des Einsatzes war Polizeiangaben zufolge eine Verkehrskontrolle. Der 15-Jährige habe mit einem Elektro-Roller verbotswidrig den Gehweg benutzt und sich nicht ausweisen wollen. Der Einsatz werde nun vom Dezernat Interne Ermittlungen überprüft. (epd/mig)

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Keine Panik. Die dürfen das gar nicht. (HS) © MiGAZIN

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