Offen rassistisch

Video des antisemitischen Anschlags von Halle im Gerichtssaal gezeigt

Vor dem Oberlandesgericht Naumburg ist die Verhandlung gegen den Halle-Attentäter fortgesetzt worden. Die Nebenklagevertreter hatten Gelegenheit, den Angeklagten zu seiner Tat und zu seinen Einstellungen zu befragen. Er zeigte keinerlei Reue.

Von Donnerstag, 23.07.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.07.2020, 20:05 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Prozess gegen den Attentäter von Halle ist am Mittwoch dessen antisemitische und rassistische Einstellung deutlich geworden. Im Magdeburger Gerichtssaal wurde das vom Attentäter gedrehte Video gezeigt, das er während der Tat am 9. Oktober 2019 live im Internet gestreamt hatte. Anschließend wurde der Angeklagte von den Nebenklagevertretern befragt und gab offen zu, dass er nach wie vor von seinem Plan, Juden in einer Synagoge zu töten, überzeugt ist. Während sich der 28-Jährige im Gerichtssaal als „Kämpfer gegen seine Feinde“, die er in „Juden, Muslimen, Schwarzen und Kommunisten“ sieht, präsentieren will, wird am Rande des Prozesses darüber diskutiert, wie viel Raum der Attentäter in der Berichterstattung einnehmen sollte.

Auf dem Video ist zu sehen, wie der Angeklagte mit seinen Waffen vor die Synagoge fährt und anschließend zwei Menschen erschießt. Während Zuschauer und Prozessbeteiligte die gefilmten Szenen offenkundig nur schwer ertragen konnten, zeigte der Angeklagte zunächst ein Grinsen, als das Video angespielt wurde, und lachte. Einige Zuschauer und Nebenkläger verließen während des Abspielens des Videos den Gerichtssaal.

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Keine Reue

Auf die Frage nach seinen Empfindungen nach dem Ansehen des Videos sagte der Beschuldigte: „Das lief schon ziemlich schief.“ Er habe „schmunzeln müssen“. Wieder machte der Angeklagte deutlich, dass er keinerlei Reue für seine Tat empfindet: „Die Synagoge anzugreifen, das war kein Fehler. Das sind meine Feinde.“ Selbst den Musiktitel, den der Rechtsextremist im Auto auf der Fahrt zur Synagoge abspielte, war bewusst ausgewählt.

Das verwackelte Video beginnt mit einer englischen Ansprache des Attentäters, in der er den Holocaust leugnet. In seinem Auto waren sichtbar zahlreiche Waffen deponiert, mit denen er im Verlauf wie in einem Videospiel um sich schießt. Mehrfach attackierte er die Synagoge mit der Holztür, schaffte es jedoch nicht, auf das Gelände zu gelangen.

Nichts gelernt

In der Synagoge hielten sich zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 52 Gläubige auf. Als eine 40 Jahre alte Frau vorbeiging, erschoss er sie, ebenso wie einen 20 Jahre alten Mann in einem Döner-Imbiss, der zuvor noch um sein Leben flehte.

Die Bundesanwaltschaft hat den 28-Jährigen wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten angeklagt. Auf die Frage eines Nebenklagevertreters im Prozess, ob er „seinen Kampf“ nun als beendet ansehe, antwortete er: „Kein Kommentar“. Gelernt habe er aus dem Geschehen lediglich etwas über die Qualität seiner Waffen, erklärte er.

Gericht als Bühne?

Unterdessen wird diskutiert, inwieweit dem Attentäter durch die Berichterstattung eine Bühne geboten wird. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appellierte, wahrhaftig und umfassend zu berichten, Opfer und Angehörige nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenen des rechtsterroristischen NSU, Barbara John, kritisierte eine Ungleichbehandlung von Opfern und Tätern in Terrorprozessen. Für Opfer, Hinterbliebene und Nebenkläger sei es oft „unerträglich“, das mörderische Geschehen in den Prozessen noch einmal durchleben zu müssen. Gleichzeitig werde dem Täter eine Bühne gegeben, wo er „wie in einem Theater sich selbst darstellen und schwallen darf“ und dabei auch noch seine Anhänger findet.

Das bestätigte unter anderem Rechtsanwalt Erkan Görgülü, der den Vater des getöteten 20-Jährigen als Nebenkläger vor Gericht vertritt. Sein Mandant habe sich von dem Prozess eine Zäsur versprochen bei der Aufarbeitung des Geschehens, habe aber bereits am ersten Prozesstag den Gerichtssaal verlassen müssen, als es um seinen Sohn ging. Aufgrund der Belastung konnte er laut Görgülü auch am Mittwoch noch nicht wieder am Prozess teilnehmen. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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