Experten warnen
Fleischkonzerne könnten Verbot von Werkverträgen umgehen
Nach neuen Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen gerät das Werkvertragssystem in die Kritik. Experten bezweifeln jedoch, dass Unternehmer sich das geplante Verbot gefallen lassen. Tönnies soll bereits Tochterunternehmen gründen. Dänemark zeigt, dass es auch anders geht.
Mittwoch, 22.07.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.07.2020, 20:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Gewerkschafter betrachten die politischen Bemühungen für ein Verbot von Werkverträgen zum 1. Januar 2021 in der Fleischindustrie mit großer Skepsis. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) in der Region Oldenburg/Ostfriesland, Matthias Brümmer, fürchtet, dass viele Unternehmen das geplante Verbot durch die Gründung von Tochterfirmen umgehen werden.
Dadurch würde erneut ein unübersichtliches Geflecht von Unternehmen entstehen, das nur schwer zu kontrollieren sei, sagte Kossen, der sich seit langem für die Rechte von Werkvertragsarbeitern einsetzt, am Dienstag dem „Evangelischen Pressedienst“: „Das ist dann der gleiche Mist wie mit den Subunternehmern und den Werkverträgen.“
Tönnies gründet Tochterfirmen
Brümmer betonte, die Arbeiter würden dann statt in fremden Subunternehmen in Tochterfirmen angestellt: „Alter Wein in neuen Schläuchen, die Ausbeutung wird bleiben“, sagte er dem Bremer „Weser-Kurier“. Aus einem Geflügelschlachthof in Lohne bei Vechta war am Wochenende ein erneuter Corona-Ausbruch gemeldet worden. 66 Arbeiter hatten sich dort mit dem Coronavirus angesteckt.
Der Tönnies-Konzern hatte in der vergangenen Woche nach Medienberichten 15 Tochterfirmen gegründet. Dort sollen nach und nach Werkvertragsarbeiter fest angestellt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt, das Werkvertragssystem in der Fleischindustrie zum 1. Januar 2021 zu beenden. Zudem sollen Bußgelder bei Arbeitszeitverstößen erhöht und die Kontrollen verschärft werden. Heil will noch in diesem Monat einen Gesetzentwurf vorlegen.
Vorbild Dänemark
Für den dänischen Gewerkschaftssekretär Jim Jensen ist der Streit um Werkverträge kaum nachvollziehbar. „In dänischen Schlachthöfen gilt seit mehr als 30 Jahren ein nationaler Tarif, der nicht unterschritten werden darf“, sagte er am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Tarif sehe als Minimum einen Stundenlohn von 20 Euro vor, der durch Zuschläge auf bis zu 27 Euro steigen könne. Ausnahmslos alle Mitarbeitenden seien in den Schlachthöfen fest angestellt. Das Fleisch sei an der Ladentheke nach Abzug der Mehrwertsteuer dennoch nicht teurer als in Deutschland. Auch international sei Dänemark wettbewerbsfähig.
In Deutschland bekommt ein ausgebildeter Fleischer laut NGG rund 17 Euro brutto. Arbeitern, die über Subunternehmen vermittelt werden, bleibt oft weniger als der Mindestlohn. Betroffen sind insbesondere Arbeiter, die aus dem europäischen Ausland angeworben werden.
Theologe fordert Unterstützung bei Integration
Zwar versuchten auch in Dänemark die Arbeitgeber die Löhne zu drücken, um die Gewinne zu steigern. Doch sie scheiterten an der Macht der Gewerkschaften, unterstrich Jensen. In der Fleischindustrie seien nahezu 100 Prozent der Beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder. Hinzu komme die Solidarität der anderen Gewerkschaften. Wenn es darauf ankomme, fahre kein Lastwagen mehr in die Fleischerei, oder es komme keine Elektriker zu notwendigen Reparaturen.
Der katholische Theologe Kossen sagte, abgesehen von dem Verbot sei es dringend notwendig, dass die Arbeiter und ihre Familien bei der Integration in die deutsche Gesellschaft unterstützt würden. Dafür gebe es bislang viel zu wenige Angebote. Sie müssten zudem besser über ihre Rechte und die Möglichkeiten der gewerkschaftlichen Organisation aufgeklärt werden, forderte der Priester. Nur mit starken Gewerkschaften lasse sich der besorgniserregende Trend, dass immer mehr Firmen aus den Tarifen ausstiegen, aufhalten und umkehren. (epd/mig) Aktuell Panorama Wirtschaft
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