Keine Reue

Attentäter von Halle legt umfangreiches Geständnis ab

Der Halle-Attentäter plante am 9. Oktober 2019 ein Massaker in der Synagoge. Er erschoss willkürlich zwei Menschen. Nun wird der rassistisch motivierte Anschlag vor Gericht aufgearbeitet. Dem Attentäter drohen lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung.

Mittwoch, 22.07.2020, 5:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.07.2020, 20:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit einem umfassenden Geständnis ist am Dienstag der erste Tag der Hauptverhandlung im Prozess gegen den Attentäter von Halle zu Ende gegangen. Der Beschuldigte muss sich vor dem Oberlandesgericht Naumburg wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes in neun Fällen verantworten.

Ausführlich äußerte sich der 28-Jährige zur Tat und seiner Motivation. Reue ließ er nicht erkennen, schilderte stattdessen sein rechtsextremistisches, menschenverachtendes Weltbild. Einzig weil sein Plan, die Synagoge zu stürmen, nicht aufging, sehe er sich als „Versager und global lächerlich gemacht“. Sein Ziel war es, am 9. Oktober 2019 möglichst viele Juden in der Synagoge zu erschießen und anschließend Muslime oder Migranten ins Visier zu nehmen. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle wird juristisch als ein Mordversuch gewertet.

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Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft die Anklage verlesen. B. droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht. Seine Motivation für den Mordanschlag: antisemitisch, rassistisch und „fremdenfeindlich“.

Töten von Menschen mit Migrationshintergrund

Zunächst hatte B. versucht mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die abgeschlossene Synagoge zu gelangen, in der sich zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 52 Gläubige aufhielten. B. scheiterte aber, weil er die Tür nicht öffnen konnte.

Laut Anklage soll er anschließend einer 40-jährigen Passantin vor der Synagoge vier Mal mit einer Maschinenpistole in den Rücken geschossen haben, weil er sie für „minderwertig“ hielt. Auf das am Boden liegende Opfer soll er noch elf Schüsse abgegeben haben. Als sein Plan, in der Synagoge möglichst viele Menschen zu töten, scheiterte, soll er sich entschlossen haben, Menschen mit Migrationshintergrund zu töten.

Zum Döner-Imbiss gefahren

Daher soll B. mit einem Mietauto zu einem Döner-Imbiss gefahren sein, wo er einen zweiten Menschen tötete. Mehrfach zielte er an diesem Tag auch auf weitere Menschen, deren Tod offenbar nur mehrere Ladehemmungen seiner Waffe verhinderten. Auf der Flucht feuerte er laut Anklageschrift in Landsberg-Wiedersdorf später auf einen Anwohner und dessen Lebensgefährtin und verletzte sie schwer.

Der Beschuldigte gestand am Dienstag, die 40 Jahre alte Jana L. vor der Synagoge und den 20 Jahre alten, Kevin S., in einem Döner-Imbiss erschossen zu haben. Kevin S. hatte er nach eigener Aussage für einen Muslimen gehalten. Er hatte seine Tat gefilmt und die Aufnahmen per Livestream im Internet verbreitet, um eine „möglichst breite Wahrnehmung zu erreichen und Nachahmer zu animieren“, wie er sagte.

Er wollte nicht „Weiße erschießen“

Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin Ursula Mertens, ob er Mitleid und Empathie kenne, sagte B.: „Ich wollte das nicht: Weiße erschießen.“ Auf die Passantin habe er in einer „Kurzschlussreaktion“ geschossen. Hätte er seinen Plan nicht weiterverfolgt, wäre er seiner Meinung nach ausgelacht worden.

Knapp und einsilbig blieb B. bei Fragen zu seiner Kindheit und Familie. Er lebte zuletzt bei seiner Mutter, einer Grundschullehrerin für Ethik, in Benndorf. Er beschreibt sich als unbeliebten Schüler ohne Freunde, der auch später kein soziales Umfeld hatte. Der Angeklagte sagte vor Gericht, „nach der Flüchtlingskrise 2015 habe ich mich entschieden, nichts mehr für diese Gesellschaft zu tun“.

„Eiskalt und berechnend“

Die Zeugin Christina Feist, eine von 43 Nebenklägern, beschrieb das Auftreten des Beschuldigten vor Gericht als „eiskalt und berechnend“. Wegen des großen Andrangs von Journalisten und der strengen Sicherheitskontrollen am Einlass startete der erste Verhandlungstag in Magdeburg mit fast zwei Stunden Verspätung. Die Hauptverhandlung findet aus Platzgründen am Magdeburger Landgericht statt.

Vertreter der jüdischen Gemeinde forderten ein hartes Urteil für den Attentäter. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte am Dienstag, der Anschlag habe die jüdische Gemeinschaft zutiefst erschüttert und traumatisiert. Der Grünen-Politiker und Prozessbeobachter, Cem Özdemir, warnte davor, die Tat als Einzelfall abzutun: „Der radikalisiert sich nicht einfach so und unbeobachtet.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama

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