Mohrenstraße, Berlin, U-Bahn, Straße, Rassismus
"Mohrenstraße" in Berlin © quapan @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Debatte um "Mohrenstraße"

Afrikanistin beklagt Unwissenheit über Deutschlands koloniale Vergangenheit

Afrikanistin Bechhaus-Gerst beklagt die der Debatte um eine Umbenennung der "Mohrenstraßen" große Unwissenheit. Man wisse zu wenig über Deutschlands koloniale Vergangenheit. In der Schule werde das kaum gelehrt.

Von Dienstag, 14.07.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.07.2020, 20:41 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

In der Debatte um eine mögliche Umbenennung der Berliner und Kölner „Mohrenstraßen“ beklagt die Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst das Ausbleiben einer ernsthaften und nachhaltigen Auseinandersetzung. „Die Debatte ist von sehr vielen Emotionen geprägt. Gerade bei weißen Menschen ist dabei oft eine Abwehrhaltung zu beobachten“, sagte Bechhaus-Gerst dem „Evangelischen Pressedienst“ am Montag in Köln.

Grundsätzliche herrsche in der Bundesrepublik ein großes Unwissen zur Geschichte von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland und über die historische Mitverantwortung für den Sklavenhandel. „Über Deutschlands koloniale Vergangenheit wird nicht oder kaum in der Schule informiert“, kritisierte Bechhaus-Gerst, die an der Universität Köln zur deutschen Kolonialgeschichte forscht.

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„Warum ist so ein Begriff wie ‚Mohr‘ rassistisch? Warum können sich Menschen von so einem Wort verletzt fühlen?“ – Es gebe sehr viele Menschen in Deutschland, die sich mit solchen Fragen noch nie beschäftigt hätten, sagte Bechhaus-Gerst. „Da muss Wissen und Kenntnis vermittelt werden“, forderte sie. „Ich hoffe sehr auf ein grundsätzliches Umdenken bei der Umbenennung von Straßennamen mit kolonialem Bezug.“

Historischen Kontext erhalten

Bei der Wahl eines neuen Namens für die „Mohrenstraße“ müsse jedoch der historische Kontext erhalten bleiben. „Ich würde niemals dafür plädieren, einen völlig beliebigen Namen zu wählen. In Berlin gebe es zum Beispiel den Vorschlag, die „Mohrenstraße“ in „Amostraße“ umzubenennen. Der Philosoph Anton Wilhelm Amo sei Anfang des 18. Jahrhunderts vom afrikanischen Kontinent nach Deutschland gebracht worden und habe hier studiert, sich habilitiert und gelehrt. „Man würde damit einen Mann ehren, der trotz rassistischer Anfeindungen seinen Weg gegangen ist“, sagte Bechhaus-Gerst. Amo ist der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Deutschland.

Bei der „Mohrenstraße“ in Köln sei der Hintergrund ein anderer, hier beziehe sich das Wort „Mohr“ auf einen Heiligen, der in Köln verehrt werde. „Warum nennen wir da nicht seinen Namen: Gregorius Maurus?“, sagte die Afrikanistin. So werde zwar der historische oder religiöse Kontext nicht getilgt, aber die Perspektive darauf würde verändert. „Und der rassistische Begriff des ‚Mohrs‘ wäre nicht mehr im Umlauf.“ Den Namen beizubehalten und die „Mohrenstraße“ mit einer Informationstafel zu ergänzen, reiche nicht, sagte Bechhaus-Gerst. „Sprache bestimmt unser Denken, wer das M-Wort liest, hat stereotype Bilder im Kopf. Außerdem werden Info-Tafeln zu selten gelesen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Almando Muzsurat sagt:

    Es ist doch auch wirklich kein Wunder! Wenn der Bundestag zusammenkommt und mit dem Ziel Mal wieder gegen die Türkei agieren zu müssen eine sogenannte „Armenier-Resolutiuon“ beschließt, es aber in eigener Sache keine „Herero- oder Nama-Resolution“ gibt, dann wundert man sich über das allgemine Unwissen in Deutschland über die deutsche Kolonialgeschichte nicht. In Deutschland mag man meinen zu glauben, was vor über 105 Jahren im Zuge des 1. Weltkrieges und des Zerfalls des Osmanischen Reiches zum Thema „Armenier“ alles so passiert sein soll, aber kaum ein Deutscher kennt den durch Deutsche Soldaten im Zeitraum 1904-1908 verübten Völkermord in Deutsch-Südwest (heute Namibia) an der Bevölkerung der Nama und Herero. Unter der Leitung des deutschen Generalleutnants Lothar Von Trotha ca. 100.000 einheimische Nama und Herero ermordet. Es gibt wie gesagt eine sogenannte „Armenier -Resolution“ des Bundestages, aber keine „Herero-Nama-Resolution“. Dieses Thema wird medial ebenso verschwiegen, wie von der Politik und daher kennt dieses Thema kaum ein Deutscher. Aber stattdessen gibt es täglich belehrenden Fingerzeig aus Deutschland gen Türkei mit der Verwunderung, dass solche „Belehrungen“ von türkischer Seite weder beachtet, noch Ernst genommen werden aus solchen oben beschriebnen Gründen. „Wir finden es sehr interessant, dass sich die Deutschen so aktiv für die Sache der Armenier einsetzen, während sie ihre eigenen Angelegenheiten unter den Tisch kehren“, wird die Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committee (OGC), Esther Muinjangue, in der „Welt“ zitiert.