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Zeitung (Symbolfoto) © ReadyElements @ pixabay.com (Pixabay License)

Studie

Flüchtlinge und Migranten in Medien oft negativ dargestellt

Tauchen Ausländer häufiger als Gewalttäter in Nachrichten auf, obwohl Deutsche mehr Straftaten begehen? Laut einem neuen Gutachten ist Einwanderung dort vor allem ein Angstthema - und die Betroffenen werden kaum gefragt.

Donnerstag, 09.07.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.07.2020, 23:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Flüchtlinge und Migranten kommen in deutschen Nachrichtenmeldungen einer Studie zufolge häufig als Gewalttäter, Kriminelle oder sonstige Risikogruppen vor. Das geht aus der Untersuchung „Die Unsichtbaren“ des Hamburger Journalistik-Professors Thomas Hestermann im Auftrag des Mediendienstes Integration hervor, die am Mittwoch bei einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde.

Danach geht es in jedem vierten untersuchten Beitrag (gut 25 Prozent) um Einwanderer und Geflüchtete, denen eine Gewalttat angelastet wird. Nur knapp drei Prozent der Beiträge handeln hingegen von ausländischen Gewaltopfern. „Einwanderung ist vor allem ein Angstthema“, sagte Hestermann.

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Etwa 36 Prozent der Berichterstattung drehe sich um Rechtsverstöße, Kosten, Überfremdung und andere Risiken. 15 Prozent der Beiträge stellten indes Chancen in den Vordergrund. Lediglich in Berichten zu Arbeitsmarkt und Sozialstaat würden die Chancen mit knapp 66 Prozent stärker hervorgehoben als die Risiken mit gut 34 Prozent.

Flüchtlinge und Einwanderer kommen kaum zu Wort

Von den untersuchten Medien hat neben den Fernsehsendern vor allem die „Bild“-Zeitung besonders die Risiken bei Menschen mit ausländischen Wurzeln betont (rund 47 Prozent). Die Zeitung „Die Welt“ betone hingegen die Chancen der Einwanderung am meisten (knapp 38 Prozent), mehr noch als die Tageszeitung „taz“ (rund 24 Prozent). „Bild“ und „Welt“ gehören beide zum Medienkonzern Axel Springer.

Hestermann, der an der Hochschule Macromedia Hamburg lehrt, stellte in seiner Untersuchung außerdem fest, dass Flüchtlinge und Einwanderer selbst mit etwa zwölf Prozent kaum zu Wort kommen. Für das Gutachten wurden Hauptnachrichten und Boulevardmagazine der acht reichweitenstärksten bundesweiten Fernsehsender sowie von fünf auflagenstarken bundesweiten Tageszeitungen über vier Wochen im November 2019 analysiert.

Diskurs von Parteien, Polizei und Justiz bestimmt

Demnach wurde der Diskurs vor allem von Parteien (29,1 Prozent) und von Polizei und Justiz (19,4 Prozent) bestimmt. Die Organisation Pro Asyl habe hingegen in 1,2 Prozent der untersuchten Beiträge Gehör gefunden. Die großen christlichen Kirchen und ihre Hilfswerke spielten medial keine Rolle (0,2 Prozent). Hestermann nannte das „verblüffend“ und fragte sich, ob die Lobby der Betroffenen in den Kirchen so schwach sei.

Mit Blick auf die Berichterstattung kritisierte der Wissenschaftler, dass der Eindruck entstehe, als benutzten Deutsche das Messer nur zum Käseschneiden, während es bei Ausländern sehr locker sitze. Er verwies dabei auf die Antwort der saarländischen Landesregierung auf eine AfD-Anfrage zu den häufigsten Vornamen der Tatverdächtigen „bei Stichwaffen- und Messervorfällen“ vom März 2019: Die zehn häufigsten Namen seien „allesamt deutsch“ gewesen. Die Listen angeführt hatten damals die Vornamen Michael, Daniel und Andreas.

„Das positive Ende wird nicht erzählt“

Journalisten müssten Klischees systematischer hinterfragen, verlangte Hestermann. Auch würden anfangs schwierige Integrationsgeschichten häufig nicht weiter verfolgt – „das positive Ende wird nicht erzählt“.

Jaafar Abdul-Karim, Mitglied der Chefredaktion der Deutschen Welle, der ebenfalls an der Pressekonferenz teilnahm, sprach sich dafür aus, mehr Menschen mit verschiedenen Hintergründen in den Redaktionen aufzunehmen. Dann werde auch die Berichterstattung diverser. Die stellvertretende ZDF-Chefredakteurin, Bettina Schausten, sagte, wo es nicht notwendig sei, die Herkunft zu nennen, sollte man das auch nicht tun. Wenn sehr viel Falsches im Raum stehe, habe man allerdings eine Aufklärungsverpflichtung. Auch Schausten stellte fest, dass die Kirchen in dieser wie auch in anderen gesellschaftlichen Debatten „ziemlich abgetaucht“ seien. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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