Seenotretter, Schiff, Ocean Viking, Mittelmeer, Flüchtlingspolitik
Das Seenotrettungsschiff "Ocean Viking"

Völkerrecht über Bord

Seenotretter fordern europäische Rettungseinsätze im Mittelmeer

Bootsflüchtlingen, die auf See aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht werden, drohen Lagerhaft und unmenschliche Behandlung. Daher drängen Helfer die EU, selbst Rettungsdienste zu starten, und dies nicht der libyschen Küstenwache zu überlassen.

Donnerstag, 25.06.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.06.2020, 17:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Seenotrettungsorganisation „SOS Méditerranée“ hat Deutschland und die EU aufgerufen, die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache im Mittelmeer zu beenden. Die EU lagere mit der Ausbildung und der Finanzierung der Küstenwache ihre Verantwortung und ihre Migrationskontrolle aus, sagte die Vorstandsvorsitzende Laura Gorriahn in Berlin. Doch die libysche Küstenwache erfülle ihre Rettungsaufgabe nicht, da sie die Flüchtlinge nicht in Sicherheit, sondern nach Libyen bringe.

Das Seerecht verpflichte Anrainerstaaten dazu, einen angemessenen Such- und Rettungsdienst zu betreiben und die Rettung durch private Schiffe zu ermöglichen, erläuterte die Professorin für Internationales Öffentliches Recht, Nora Markard. Zudem sei festgelegt, dass die Geretteten an einen sicheren Ort zu bringen seien. „Aber Libyen ist kein sicherer Ort.“ Die Geretteten erhielten keine angemessene Unterbringung und Versorgung und seien nicht vor Gewalt, Verfolgung und erniedrigender Behandlung geschützt, wie es das Recht vorsehe. Europa mache sich durch die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache der Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen schuldig.

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Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bereits 4.856 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer abgefangen und nach Libyen zurückgebracht worden. Allein in der Woche vom 16. bis 22. Juni waren es 477 Menschen. Im vergangenen Jahr zählte die UN-Organisation 9.225 Bootsflüchtlinge, die nach Libyen zurückgebracht wurden. Nach IOM-Schätzung halten sich etwa 650.000 Migranten in dem arabischen Bürgerkriegsland auf.

Seenotretter appellieren an Deutschland

In Libyen tobt ein blutiger Konflikt zwischen Truppen und Milizen von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und Rebellengeneral Chalifa Haftar. Immer wieder werden Zivilisten beschossen, verwundet und getötet. Die Regierung, Milizen und kriminelle Schlepperbanden halten Tausende Migranten und Flüchtlinge in Lagern fest, wo sie Misshandlungen und schwere Entbehrungen erdulden müssen.

„SOS Méditerranée“ forderte die Bundesregierung auf, ihre EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 zu nutzen, um die Seenotrettung zum Thema zu machen. Gorriahn: „Es braucht eine europäisch organisierte und finanzierte Seenotrettung im Mittelmeer, ein Ende der Einschränkungen für die zivile Seenotrettung und einen verlässlichen Aufnahme- und Verteilmechanismus für die Geretteten.“

Flüchtlinge positiv auf Corona getestet

Das Schiff „Ocean Viking“, das SOS Méditerranée zusammen mit „Ärzte ohne Grenzen“ betreibt, ist nach einer Corona-bedingten dreimonatigen Pause am Montag wieder in See gestochen. In den vergangenen Tagen durften private Rettungsschiffe in einen italienischen Hafen einlaufen, die Geretteten wurden jedoch auf Schiffe in Quarantäne gebracht. „Jetzt sitzen die Menschen, die eine Flucht und eine Mittelmeerüberquerung hinter sich haben, auf den Schiffen fest“, kritisierte die Juristin. „Das ist aus Sicht der Menschenrechte nicht vertretbar.“

Derweil wurde bekannt, dass wenige Tage nach ihrer Aufnahme auf einem Quarantäne-Schiff vor Sizilien 28 der 211 von der „Sea-Watch 3“ geretteten Flüchtlinge positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. Einer der Infizierten wurde laut Berichten des italienischen Rundfunks vom Mittwoch in das Krankenhaus von Caltanissetta gebracht, während die anderen an Bord des Quarantäne-Schiffs „Moby Zazà“ vor der Küste bei Agrigent ausharrten. Der Gouverneur der Region Sizilien, Nello Musumeci, wertete das Testergebnis als Bestätigung für die umstrittene Weigerung der Behörden, Gerettete direkt auf der Insel aufzunehmen. Durch die Unterbringung auf dem Quarantäne-Schiff außerhalb des Hafens von Porto Empedocle könnten Infektionsherde eingegrenzt und kontrolliert werden, schrieb er auf Twitter. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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