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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) (Archiv)

Flüchtlingspolitik

Seehofer: Asylanspruch bereits an EU-Außengrenzen prüfen

Bundesinnenminister Seehofer fordert eine Neuregelung des EU-Asylsystems. Er möchte die Asyl-Prüfung an den EU-Außengrenzen verlagern. Mittelmeeranrainer fordern einen Verteilungsmechanismus für gerettete Flüchtlinge. In Lampedusa wurden Boote in Brand gesetzt.

Montag, 08.06.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 07.06.2020, 17:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dringt auf eine Neuregelung des europäischen Asylsystems. Er hoffe, dass die EU-Kommission noch vor Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft am 1. Juli ihren Vorschlag dazu veröffentlicht. Ziel sei es, in der zweiten Jahreshälfte während der deutschen Präsidentschaft ein gerechtes Regelwerk zu finden, sagte er am Freitag in Berlin nach Beratungen der Innenminister der Europäischen Union (EU) in einer Videokonferenz.

Wenn es nach ihm geht, hat die Reform bereits Konturen: Es solle bereits an den Außengrenzen geprüft werden, ob eine Person asylberechtigt sei, sagte Seehofer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Ist er es nicht, kann er nicht verteilt, sondern muss zurückgeführt werden“, erklärte Seehofer. Die europäische Grenzschutzpolizei Frontex solle zudem „massiv“ ausgebaut werden.

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Mit Blick auf die Weigerung vieler osteuropäischer Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, sprach sich Seehofer für Kompromissbereitschaft aus: „Wenn ein Staat, sich bei der Verteilung nicht beteiligt, dann muss er das System anderweitig unterstützen.“ Es könne „durchaus eine Form von flexibler Solidarität geben“. So wie bisher könne es „nicht weitergehen“, sagte Seehofer.

Dublin-Nutznießer Deutschland

Die bislang geltenden sogenannten Dublin-Regelungen sehen seit dem Inkrafttreten im Jahr 1997 vor, dass der Ersteinreisestaat eines Flüchtlings für dessen Verfahren und Versorgung zuständig ist. Diese Regelung spielt Deutschland in die Hand: Kaum ein Flüchtling kommt über die Nord- oder Ostsee nach Deutschland oder landet mangels Visa auf einem deutschen Flughafen.

Es bleibt nur noch die Einreise auf dem Land. Die allerdings führt durch andere EU-Staaten. Deshalb zeigt Seehofer inzwischen Verständnis für die am meisten belasteten Erstaufnahmeländer Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Man dürfe sie nicht alleine lassen. Das war nicht immer so. Deutschland hatte bei den Dublin-Verhandlungen im Jahr 1990 mit dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eine Hauptrolle gespielt.

Deutschlands Umdenken

Bis vor wenigen Jahren pochte Deutschland auf die Durchsetzung der Dublin-Regelungen, nach wie vor werden Asylbewerber in andere EU-Staaten zurückgeführt zur Durchsetzung des Regelwerks. Erst nach energischem Protest der am meisten belasteten Erstaufnahmeländer an den EU-Außengrenzen fand in der deutschen Asylpolitik ein zögerliches Umdenken statt.

Inzwischen mahnt Seehofer in der europäischen Asylpraxis mehr Gemeinsamkeit an. „Ob bei der Seenotrettung, bei der Rückholung von Kindern aus Griechenland oder bei der Verteilung von Flüchtlingen – im Moment sind es immer nur wenige Staaten, die einspringen“, kritisierte Seehofer. „Wir müssen das Thema gemeinsam anpacken und endlich sichtbar vorankommen“, forderte der Bundesinnenminister. Die EU-Kommission spiele eine wichtige Rolle: „Ich bin sehr gespannt, welche Vorschläge für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem von dort jetzt bald vorgelegt werden.“

Flüchtlingsboote in Brand gesteckt

Derweil haben fünf Mittelmeeranrainer die EU-Kommission aufgefordert, einen verpflichtenden Verteilungsmechanismus für gerettete Bootsflüchtlinge einzuführen. Sie riefen zur Überwindung der Dublin-Regelung auf. Italien, Griechenland, Spanien, Malta und Zypern drangen bei einer Video-Konferenz ihrer Innenminister überdies gemeinsam auf ein einheitliches Rückführungssystem innerhalb der EU. Die Mittelmeerstaaten mahnten ferner Richtlinien für die Aktivitäten privater Seenotretter an.

Zuletzt hatten Unbekannte auf Lampedusa Boote angezündet, mit denen in den vergangenen Tagen 600 Flüchtlinge die südlich von Sizilien gelegene italienische Ferieninsel erreicht hatten. Bürgermeister Totò Martello verurteilte die Brandanschläge an mehreren Orten als Angriff auf den Ruf der Insel. Gleichzeitig forderte er die italienische Regierung und die EU auf, Lampedusa zu unterstützen. Bereits vor wenigen Tagen war aus Protest gegen die Ankünfte von Flüchtlingen das ihnen gewidmete Denkmal des italienischen Künstlers Mimmo Paladino mit Müllsäcken und Paketband verunstaltet worden. (epd/mig) Aktuell Politik

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