Es droht Hungersnot
Ostafrikas schwieriger Kampf gegen Heuschrecken und Corona
Ostafrika kämpft mit der schlimmsten Heuschreckenplage seit 25 Jahren. Sollte sie nicht schnell eingedämmt werden, droht eine Hungersnot. Doch die Einschränkungen im Kampf gegen Corona gefährden den Zeitplan.
Von Bettina Rühl Mittwoch, 01.04.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 31.03.2020, 13:17 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
In Schwärmen von 40 Millionen Tieren fallen die Wüstenheuschrecken über alles her, was grün ist. In Ostafrika fressen sie derzeit pro Tag so viel Nahrung, wie für 35.000 Menschen ausreichend wäre. Es ist laut der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO die schlimmste Heuschreckenplage seit 25 Jahren. Doch die Corona-Pandemie erschwert eine zeitgenaue Bekämpfung. Diese wäre aber nötig, damit nicht eine weitere Generation von Insekten heranwächst.
Bei Bauer Francis Mugwika haben die Heuschrecken vor einigen Wochen bereits den gesamten Anbau vertilgt. Sie fraßen sich durch Mais und Bohnen, verschonten auch Büsche und Gras nicht. Obwohl der Mann in einer fruchtbaren Gegend im Zentrum von Kenia lebt, stehen er und seine Nachbarn vor dem Nichts. „Wir wissen nicht, was wir essen sollen“, sagte Mugwika der kenianischen Tageszeitung „Daily Nation“.
Verwüstung wie seit 70 Jahren nicht mehr
In Kenia haben die Heuschrecken seit 70 Jahren nicht mehr eine solche Verwüstung angerichtet. Auch weitere neun Länder sind betroffen. Die Tiere können am Tag 150 Kilometer fliegen. Für die Bekämpfung der Plage sind laut FAO derzeit gut 150 Millionen US-Dollar (rund 136 Millionen Euro) nötig, zugesagt oder verfügbar sind bislang 110 Millionen.
In diesen Wochen schlüpfen die Eier der ersten Heuschreckengeneration. Kurz danach, wenn die Insekten noch nicht fliegen können, ist der beste Zeitpunkt sie zu töten. Misslingt das, droht nach Einschätzung der Vereinten Nationen eine Hungersnot, weil die Schlupfzeit mit der nächsten Pflanzzeit zusammenfallen würde. Schon jetzt haben laut FAO-Schätzungen in Ostafrika fast zwölf Millionen Menschen nicht genug zu essen. Die Bekämpfung ist also ein Wettlauf gegen die Zeit, der wegen der Corona-Pandemie noch schwieriger zu gewinnen ist.
Corona-Quarantäne verzögert Hilfe
Zwar wurde vor den internationalen Grenzschließungen viel Material und Pestizid in die Region gebracht. Zusätzliche Sprühflugzeuge einschließlich der Crews sind noch rechtzeitig eingetroffen. Doch bei der Besatzung von Überwachungshubschraubern ist die Lage schwieriger. Die Piloten kommen aus Südafrika, sie müssen nun nach der Einreise in Kenia oder Äthiopien in eine 14-tägige Quarantäne. „Das verzögert unsere Möglichkeiten, die Schwärme zu überwachen“, bedauert der FAO-Experte für Nahrungssicherheit, Cyril Ferrand. Auch einige Materiallieferungen haben sich wegen der Corona-Krise verzögert. Es gibt Engpässe beim Nachschub an Insektenvernichtungsmitteln.
Während die FAO vor allem auf Pestizide setzt, zeigt die Deutsche Welthungerhilfe den Bauern in einigen Dörfern in der nordsomalischen Region Somaliland Methoden der mechanischen Bekämpfung. Schlüpfen die Heuschrecken in der Nähe von Feldern, können die Menschen beispielsweise Gräben ausheben, in die die noch flugunfähigen Insekten hineinfallen. Dort können sie mit Erde bedeckt und vernichtet werden. Programmleiter Thomas Hoerz hält diese Methode schon aus ökologischen Gründen für richtig: „Die Pestizide wirken ja nicht nur gegen Heuschrecken.“ Sie töteten auch Raubinsekten, die normalerweise die Heuschrecken etwas eindämmen.
Eine Option für Dörfer
Ferrand von der FAO räumt ein, dass die Pestizide nicht gezielt nur die Heuschrecken bekämpfen. „Aber alle sind von der Weltgesundheitsorganisation zugelassen und als wenig bis mäßig schädlich eingestuft.“ Auch er hält die mechanische Methode für erfolgreich, allerdings nur in begrenztem Ausmaß: „So riesige Flächen, wie jetzt bedroht sind, können sie auf diese Weise nicht schützen.“
Hoerz sieht in der pestizid-freien Bekämpfung noch einen zweiten Vorteil: „Wenn es in den nächsten Monaten gelingt, wirklich sehr, sehr viele Menschen in den mechanischen Methoden zu trainieren, dann ist das eine Handlungsoption für die Dörfer, und sie müssen nicht immer auf internationale Hilfe warten.“ In Zeiten der Corona-Krise mit ihren Grenzschließungen und Reiserestriktionen könnte das besonders wichtig sein.
Spendeneinbruch befürchtet
Jenseits der Bekämpfungsmethode teilen alle Helfer in der Region eine weitere Sorge: Sie befürchten einen Spendeneinbruch wegen der aktuellen Pandemie. Denn trotz aller Bemühungen ist klar, dass Tausende Bauern und Viehzüchter in der Region um ihre Existenz kämpfen, schlimmstenfalls hungern werden.
Bauer Francis Mugikwa ist jetzt schon auf Hilfe angewiesen. Er hofft, dass ihn die kenianische Regierung für seine Ernteausfälle entschädigt. Aber auf die Behörden kommen noch unkalkulierbare Kosten wegen der Corona-Krise zu. (epd/mig) Aktuell Ausland
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