Corona-Epidemie
Humanitäre Programme zur Flüchtlingsaufnahme ausgesetzt
Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik. Weil die Grenzen geschlossen sind, liegen humanitäre Programme auf Eis. Die Aufnahme von Kindern aus Griechenland soll aber trotzdem gelingen. Hilfswerke warnen: Coronavirus könnte griechische Camps erreichen.
Donnerstag, 19.03.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.03.2020, 21:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wegen der Ausbreitung des Coronavirus setzt Deutschland die humanitären Programme zur Flüchtlingsaufnahme bis auf weiteres aus. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden Bericht der Funke-Mediengruppe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei angewiesen worden, die Verfahren auszusetzen, sagte er. Dies gelte aber nicht für die Bemühungen, minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf EU-Länder zu verteilen.
Faktisch seien die deutschen humanitären Aufnahmeverfahren wegen Reise- und anderer Beschränkungen seit Freitag zum Erliegen gekommen, sagte der Sprecher. Alle Bamf-Mitarbeiter im Ausland seien zurückgeholt worden. Die Verfahren sollen wieder aufgenommen werden, sobald dies möglich sei. Am Montag hatte die EU einen Einreisestopp für Nicht-EU-Bürger und wenige Ausnahmestaaten beschlossen.
Auch Resettlement ausgesetzt
Von dem Aufnahme-Stopp für Flüchltinge betroffen sind unter anderem die Aufnahmen nach dem EU-Türkei-Abkommen. Die EU hat sich verpflichtet, für jeden irregulär eingereisten Syrer, der in die Türkei zurückgeschickt wird, einen anderen Bürgerkriegsflüchtling aufzunehmen. Ausgesetzt sind den Angaben zufolge aber auch Resettlement-Verfahren, über die besonders schutzbedürftige Flüchtlinge direkt etwa aus Flüchtlingslagern in die Bundesrepublik geholt werden.
Das Resettlement-Programm läuft in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, besonders für Menschen aus Syrien oder dem Sudan, die in Flüchtlingslagern sind. Für dieses Jahr hatte die Bundesregierung 5.500 Plätze zugesagt.
Menschenrechtler appellieren an EU
Die Corona-Pandemie soll nach Angaben des Innenministeriumssprechers derweil keine Auswirkung auf die Bemühungen haben, minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln in andere EU-Staaten zu verteilen. Die EU-Innenminister hatten am Freitag in Aussicht gestellt, dass dies noch in dieser Woche anlaufen könnte. Dazu gab es am Mittwoch laut Ministerium aber noch keinen neuen Stand.
Mehrere Organisationen appellierten eindringlich an die EU und die Bundesregierung, die Aufnahme von den griechischen Inseln zu beschleunigen. Es sei dringlicher als je zuvor, dass die „Koalition der Willigen“ von sieben EU-Staaten wie vereinbart 1.600 besonders schutzbedürftige Minderjährige aufnehme, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Die Maßnahme duldet wegen wachsender Gefahren für die dort Lebenden keinen Aufschub mehr.“ Fünf oder sechs Flugzeuge sollten die jungen Menschen sofort abholen: „Die Corona-Krise darf humanitäre Aktionen nicht blockieren, sondern muss sie beschleunigen.“
40.000 Asylsuchende sitzen fest
Die Entwicklungsorganisation Oxfam und der Griechische Flüchtlingsrat (GCR) erklärten, etwa 40.000 Asylsuchende säßen unter völlig unhygienischen Bedingungen in fünf Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln fest. Das sei mehr als das Sechsfache der offiziellen Kapazität dieser Lager. Viele Menschen seien bereits geschwächt und hätten nur wenig medizinische Versorgung. Wenn das Coronavirus die Lager erreiche, drohe eine verheerende Gesundheitskrise.
Auch das Kinderhilfswerk terre des hommes betonte, es gebe keine Alternative zu einer Evakuierung. Vor allem die Kinder dürften jetzt nicht „als Corona-Sicherheitsrisiko in die Mühlen der EU-Abschottungspolitik“ geraten, warnte terre-des-hommes-Sprecher Wolf-Christian Ramm. Er kritisierte Deutschland und die „Koalition der Willigen“, weil bisher noch nichts passiert sei. Zudem seien Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren ausgeschlossen, obwohl auch sie gefährdet seien. (epd/mig) Leitartikel Politik
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