Deutlich mehr Rechtsextremisten
AfD-„Flügel“ für Verfassungsschutz „erwiesen rechtsextremistisch“
"Erwiesen rechtsextremistisch" lautet das Urteil des Bundesamtes für Verfassungsschutz über das AfD-Netzwerk "Der Flügel". Die Behörde will Vertreter künftig beobachten. Der Thüringer Verfassungsschutz stuft die Landes-AfD zum Verdachtsfall hoch.
Freitag, 13.03.2020, 5:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.03.2020, 23:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die AfD-Gruppierung „Der Flügel“ um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke ist in den Augen des Verfassungsschutzes eindeutig rechtsextremistisch. Das parteiinterne Netzwerk sei als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft worden, teilte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Donnerstag in Berlin mit. Der Thüringer Verfassungsschutz stufte gleichzeitig den Landesverband der AfD vom Prüf- zum Verdachtsfall hoch, wie das Landesamt in Erfurt mitteilte.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Mitglieder des „Flügels“ auf 7.000 – um soviel Personen erhöhte die Behörde auch ihre Schätzung für das Potenzial der Szene. 32.000 Menschen in Deutschland gelten damit als Teil der rechtsextremen Szene, 13.000 von ihnen als gewaltorientiert.
Höcke und Kalbitz „sind Rechtsextremisten“
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz begründete die Hochstufung des „Flügels“, der seit Anfang 2019 als Verdachtsfall behandelt wurde, unter anderem mit fortlaufend neuen Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Prinzip der Menschenwürde im Grundgesetz. Minderheiten würden von Vertretern des „Flügels“ pauschal ausgegrenzt und herabgewürdigt, der Parlamentarismus verächtlich gemacht, erklärte der Leiter der Abteilung Rechtsextremismus, Joachim Seeger.
Haldenwang begründete die neue Einstufung auch mit einer gestiegenen Bedeutung zentraler Figuren des „Flügels“, darunter Höcke und der Brandenburger AfD-Politiker Andreas Kalbitz. „Beide Personen sind Rechtsextremisten“, sagte Haldenwang.
Thüringer AfD Verdachtsfall
Die Einstufung als extremistische Bestrebung ermöglicht dem Verfassungsschutz nun, Personen mit nachrichtendienstlichen Mitteln, etwa Observationen und Telefonüberwachungen, zu beobachten. Ob davon auch Abgeordnete wie Höcke und Kalbitz selbst betroffen sind, wollte Haldenwang nicht sagen. Für die Beobachtung von Parlamentariern gelten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts besondere Hürden.
Das Thüringische Amt für Verfassungsschutz sieht hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung durch die Thüringer AfD. Daher hat das Amt den Landesverband zum Verdachtsfall erklärt. Dies sei das Ergebnis einer 18 Monate dauernden intensiven Sammlung, Prüfung und Auswertung ausschließlich öffentlich zugänglicher Informationen, teilte das Landesamt mit. Für das Thüringer Amt sei es jetzt die dringlichste Frage, ob der „Flügel“ mit seinen zentralen Thüringer Führungspersonen und Veranstaltungen auch den AfD-Verband im Freistaat maßgeblich bestimme, sagte Präsident Stephan Kramer.
Rechtsextremismus derzeit größte Gefahr
Die „Junge Alternative“, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz ebenfalls geprüft wurde, ist nicht hochgestuft worden. Für eine Einstufung als rechtsextremistische Bestrebung fehlten noch „weitere verdichtende Anhaltspunkte“, die beim „Flügel“ gegeben seien, sagte Haldenwang. Die Beobachtung gilt auch nicht für die Gesamtpartei.
Haldenwang schloss sich der Aussage von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an, wonach der Rechtsextremismus derzeit die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland sei und deutete an, dass auf das Verbot der Vereinigung „Combat 18“ weitere Verbote folgen könnten.
Gesetzespaket gegen Rechtsextremismus
Um die Bekämpfung von Rechtsextremismus ging es am Donnerstag auch im Bundestag. Die große Koalition brachte dort ihr Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet ein. „Wir werden unsere Demokratie mit allen Mittel des wehrhaften Rechtsstaates verteidigen“, sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Christian Lange (SPD). Die Grünen forderten mehr Anstrengungen im Bereich des Opferschutzes und der Prävention.
Das Internationale Auschwitz Komitee begrüßte die Entscheidung des Verfassungsschutzes. Dass dieser den „Flügel“ unter Beobachtung stellt, mache deutlich, „dass die Demokratie diese aktuelle Bedrohung durch rechtsextreme Bedrohungen sehr ernst nimmt und ihr wehrhaft gegenübertritt“, heißt es in einer Erklärung der Vereinigung von Holocaust-Überlebenden. (epd/mig) Leitartikel Politik
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