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Justitia © Ajel @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Gericht

Schmähung „frecher Jude“ ist Volksverhetzung

"Frecher Jude" gehört zum charakteristischen Vokabular der Sprache des Nationalsozialismus und ist damit volksverhetzend. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Der Begriff sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt.

Donnerstag, 20.02.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 19.02.2020, 17:25 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Die Verwendung des nationalsozialistischen Schmähbegriffs „frecher Jude“ ist Volksverhetzung. Mit dem Begriff würden bewusst Gefühle des Bezeichneten verletzt, und es werde zum Hass aufgestachelt, erklärte das Oberlandesgericht Hamm in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung. Laut Grundgesetz und Strafgesetz gebe es bei der freien Meinungsäußerung Grenzen, wenn gegen Menschen aufgrund ihrer nationalen, religiösen oder ethnischen Herkunft zu Hass aufgestachelt oder zur Gewalt aufgerufen werde. (AZ: III-3 RVs 1/20, OLG Hamm)

Mit der Gerichtsentscheidung bleibt es bei einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe für einen 32-jährigen Dortmunder, der laut Gericht bereits wegen Volksverhetzung vorbestraft ist. Das Gericht lehnte den Revisionsantrag des Mannes ab. Der Mann hatte auf seiner Internetseite den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde als „der freche Juden-Funktionär“ bezeichnet. Bei der Revision hatte sich der Mann auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufen.

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Sprache des Nationalsozialismus

Der Begriff des „frechen Juden“ gehöre zum charakteristischen Vokabular der Sprache des Nationalsozialismus, erläuterte das Oberlandesgericht. Dass der Angeklagte den Begriff in einem Zusammenhang mit nationalsozialistischer Rassenideologie gebraucht habe, mache deutlich, dass es ihm auf den herabwürdigenden und an den Nationalsozialismus anknüpfenden Sprachgebrauch angekommen sei.

Die Verwendung des Begriffs gehe über eine bloße Äußerung der Ablehnung hinaus, erklärte das Gericht. Sie motiviere zu einer feindseligen Haltung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens. Damit seien die Bedingungen des Paragrafen 130, Absatz 1 des Strafgesetzes erfüllt, die für Aufstachelung zum Hass sowie für Aufrufe zu Gewalt Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vorsehen. (epd/mig) Aktuell Recht

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  1. Elfriede Reichert sagt:

    Erstaunlich, dass sich ein Richter so entscheidet.
    Gut so!
    Doch es reicht nicht aus, antisemitische und an den nationalsozialistischen Sprachgebrauch angelehnte Äußerungen zu verurteilen.
    2018 hat die Staatsanwaltschaft Dresden das Verfahren gegen den AfD-Landtagsabgeordneten André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt eingestellt, der in Deutschland lebende Türken als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ beschimpft hatte. Poggenburgs Aschermittwochsrede sei vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt, erklärte die Staatsanwaltschaft am Dienstag. Es liege weder eine Volksverhetzung noch eine Beleidigung vor. (siehe Migazin vom 07.06.2018)
    Ob die Staatsanwaltschaften und Richter jetzt etwas dazu gelernt haben?