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Saadat-Lendle: „Rassismus war damals total öffentlich“

Der Arbeitsbereich LesMigraS der Lesbenberatung Berlin hat in den letzten 20 Jahren tatsächliche Pionierarbeit geleistet. Im Podcast „DiversityFM“ erklärt Bereichsleiterin Saideh Saadat-Lendle, worum es geht: Anerkennung, Mehrfachdimensionaliät und Rassismus – auch in den eigenen Reihen.

Donnerstag, 19.12.2019, 5:18 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.01.2020, 16:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

LesMigraS ist der Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin. „Wir haben vor etwa 20 Jahren gemerkt, es geht nicht nur um Gewalt, sondern auch um Diskriminierung“, so Bereichsleiterin Saideh Saadat-Lendle im Gespräch mit „DiversityFM“. Zentral und bemerkenswert an LesMigraS ist, dass sie sich nicht nur auf eine Diversity-Dimension konzentrieren, sondern den Blick auf Mehrfachdiskriminierung haben.

„Es war überhaupt kein Verständnis für Mehrfachdiskriminierung und Mehrdimensionalität da. Es war kein Thema“, stellt Saadat-Lendle fest. So gab es vor 20 Jahren kaum Publikationen zu diesem Thema. Dabei geht es LesMigraS um strukturelle und institutionelle Mechanismen: Menschen werden systematisch ausgegrenzt, ihnen werden keine Angebote gemacht, sie erhalten keine gleichberechtigten Zugänge, ihre Bedürfnisse werden nicht wahrgenommen, sondern ignoriert.

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Dieses Bewusstsein herzustellen sei nicht einfach gewesen. „Es war ein Kampf, es war ein tatsächlicher Kampf“, blickt die Bereichsleiterin zurück. Denn es ging auch immer darum, den Rassismus in den eigenen Reihen sichtbar zu machen. Das betrifft insbesondere die immer wiederkehrende Kulturalisierung von Homo- und Transphobie.

„Rassismus war damals total öffentlich“

„Rassismus war damals total öffentlich. Sätze, die man jetzt von AfD hört, hörte man damals von weißen schwulen Männern. Die haben gesagt: Eigentlich ist die deutsche Gesellschaft aufgeklärt. Und eigentlich sind es diese Migranten – und damit meinten sie immer türkeistämmige, arabischstämmige oder russischstämmige Menschen -, die homophob sind, die frauenfeindlich sind“, erklärt Saadat-Lendle und zieht eine Parallele zu der heutigen Diskussion über Geflüchtete.

Info: Im Podcast „DiversityFM“ spricht Fuzum Ghirmazion mit klugen und empowernden Menschen über sein Herzensthema Diversity. Dafür spricht er mit stillen Held*innen. Der Podcast ist auf Spotify, iTunes, YouTube zu hören. Weitere Infos gibt es auf Instagram oder Facebook unter „DiversityFM_Der Podcast“.

Damals habe es keine starke Lobbygruppe, kein Empowerment und auch keine Angebote gegeben. Neben LesMigraS gab es laut Saadat-Lendle so gut wie keine anderen Anlaufstellen für Schwarze und Menschen mit Migrationsgeschichte aus der queeren Szene. Auch wenn es noch nicht ausreiche, habe sich in den letzten 20 Jahren etwas zum Positiven verändert. Die Bereichsleiterin stellt zufrieden fest: „Sie können uns nicht mehr ignorieren. Sie können die Stimme nicht nicht hören.“

Große Bandbreite

Die Bandbreite der Aufgaben bei LesMigraS ist sehr groß, die Fälle sehr unterschiedlich. Oft werden Probleme in der Familie, in der Schule geschildert. Oder Konflikte, weil sie lesbisch, trans- oder nicht-binär sind. Dies führt oft zu anderen Themen wie Gewalterfahrung, Diskriminierung, Sucht, Konflikte in der Beziehung oder der unsichere Aufenthaltsstatus. In den letzten Jahren hat das Thema Flucht zugenommen. Viele kommen mit traumatischen Erfahrungen. Häufig wird vermittelt. Wesentliche Aufgabe des Vereins ist: Mediation, Gruppenbegleitung, Beratung.

Entscheidend für die Arbeit von LesMigraS sind für Saadat-Lendle folgende drei Aspekte: „Privilegien bewusstmachen, Mehrfachdiskriminierung aufzeigen und Empowerment ermöglichen. Wir versuchen dies so konkret wie möglich umzusetzen. Dabei muss sich die gesamte Struktur und die Haltung verändern.“ Ansonsten sei Mehrdimensionalität nicht machbar.

Drei wichtige Diversity-Kompetenzen

Sehr eindrucksvoll schildert Saadat-Lendle im zweiten Teil des Podcast, was es bedeutet in dieser Gesellschaft eine lesbische Frau zu sein und was es mit ihr macht: „Diese gesellschaftliche Situation, das kratzt an dir. Und das kratzt an deiner Beziehung. Und das kratzt an deiner Familie. Es ist die ganze Zeit aktiv. Und ich glaube, dass macht auch was kaputt.“

Auf die Frage, warum sie sich gegen Ungerechtigkeit auflehnt, sagt sie: „Ich glaube, so spontan würde ich sagen: es sind diese ganz emotionalen, tiefen alten Erlebnisse und Gefühle von Ungerechtigkeit. Mir sind meine eigenen Privilegien sehr präsent. Und dass ich da was machen kann oder auch was zurückgeben muss.“

Im zweiten Teil des Podcasts lenkt Saadat-Lendle ihren Blick auf die schwierige aktuelle gesellschaftspolitische Situation und weshalb Auswandern für sie trotzdem keine Option ist. Abschließend verrät sie ihre drei wichtigsten Diversity-Kompetenzen: „Eins ist Selbstreflexion. Das finde ich ganz wichtig für Menschen, die Diversity-Arbeit machen und auch für mich. Zweitens ist es mehrdimensional zu denken und zu handeln. Was ich mir auch wünsche ist kritisch aber wohlwollend mit schwierigen Situationen umzugehen, damit Polarisierung nicht stattfindet.“ (mig) Aktuell Panorama

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