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In einer pluralen Gesellschaft sind Widerstände vorprogrammiert

Für Saba-Nur Cheema, Pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, sind Widerstände in einer pluralen Gesellschaft vorprogrammiert. Wichtig sei deshalb die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten.

Freitag, 18.10.2019, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.10.2019, 17:18 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Konflikte gehören zum Aushandlungsprozess einer pluralen Gesellschaft dazu. Für Saba-Nur Cheema, Pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, sind die aktuellen gesellschaftlichen Widerstände deshalb „absolut vorprogrammiert“. Aus ihrer Sicht verdeutlichen diese Reflexe sogar die Fortschritte, denn People of Colour und Menschen mit Migrationshintergrund werden sichtbarer.

Als Beispiel nennt Saba-Nur Cheema im Gespräch mit Fuzum Ghirmazion vom Podcast „DiversityFM“ die emotionale und kontroverse Diskussion um die Werbung der Deutschen Bahn im April dieses Jahres. Tübingens Oberbürgermeister, Boris Palmer, hatte die Deutsche Bahn für ihre Plakate kritisiert und die Frage gestellt welches Deutschland die dort abgebildeten Menschen repräsentieren sollen. Zuvor gab es eine ähnliche Debatte schon bei der Katjes-Werbung mit einer Frau mit Kopftuch im Januar 2018 sowie kurz danach im Februar bei dem Werbeplakat der Krankenkasse DAK Gesundheit, auf dem eine weiße Frau und ein schwarzer Mann als Paar zu sehen sind. Cheema findet die entstanden Shitstorms in den sozialen Medien und den Rassismus bedenklich und verurteilt diese. Gleichzeitig beschäftigt sie die Ursachen solcher Reflexe und was dahintersteckt.

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Verständnis für andere Meinungen

Genau darin sieht sie auch eine Aufgabe der Bildungsstätte Anne Frank, nämlich die Diskurse um „die Frage, wie wollen wir eigentlich heute zusammenleben“ mit zu moderieren. Das tut der Verein zum Beispiel mit Formaten wie der „Streitbar“, in der zwei unterschiedliche Positionen eingeladen werden, die dann zu Themen wie dem Kopftuch oder Racial Profiling „streiten“. Dabei vertritt die  Bildungsstätte die Ansicht, dass gerade in dieser Zeit mehr Diskussionsräume notwendig sind, die nicht nur der Selbstvergewisserung, sondern auch das Verständnis für andere Meinungen dienen sollen.

Tipp: Im Podcast „DiversityFM“ spricht Fuzum Ghirmazion mit klugen und empowernden Menschen über sein Herzensthema Diversity. Dafür spricht er mit stillen Held*innen. Der Podcast ist auf Spotify, iTunes, YouTube zu hören. Weitere Infos gibt es auf Instagram oder Facebook unter „DiversityFM_Der Podcast“.

Ein Grund weshalb sich Cheema persönlich gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und alle anderen Formen von Menschenfeindlichkeit einsetzt, ist, dass sie nicht ihre „Klappe halten“ kann und „irgendetwas tun muss, um das Gefühl zu haben, ich trage irgendwie bei.“ Dies ist für die Pädagogische Leiterin generell eine Grundhaltung: „Ich muss nicht betroffen sein von Rassismus, von Antisemitismus, von Diskriminierung oder von Sexismus oder what so ever, um zu verstehen, dass es ein Problem ist. Das kann jeder verstehen. Weiße Menschen können etwas gegen Rassismus tun und auch Männer können etwas gegen Sexismus tun.“

Respekt vor Schulen und Lehrkräften

In diesem Zusammenhang hat sie insbesondere vor Schulen und Lehrkräften Respekt und Wertschätzung: „Es ist sehr einfach, Lehrkräfte zu kritisieren, dass sie nicht genug gegen Rassismus und Diskriminierung tun. Meine Erfahrung hingegen ist, dass ein Großteil der Pädagoginnen und Pädagogen sich trotzdem für das soziale Miteinander und gegen Diskriminierung engagieren. Gerade weil Lehrkräfte zunehmend unter Druck sind, messbare Leistungen bei den Schülerinnen und Schülern zu erbringen, finde ich diese Art des Engagements lobenswert.“

Laut Cheema ist eine wichtige Kompetenz, die jeder in einer pluralen Gesellschaft mitbringen muss, die Fähigkeit Widersprüche aushalten zu können. Dies bedeutet für sie zum Beispiel nicht gleich in richtig und falsch zu werten, sich irritieren zu lassen und immer wieder aufs Neue zu lernen. Diese Multiperspektivität und Mehrdeutigkeit aushalten zu können ist aus ihrer Sicht die zentrale Herausforderung, in einer so globalisierten, dynamisch sowie durch und durch von Migration und Flucht geprägten Gesellschaft. Cheemas Vision dabei: „Das Gemeinsame in der Unterschiedlichkeit zu finden. Und das braucht natürlich ganz viel Verständnis.“

Rechtspopulismus als Herausforderung

Cheema ist zuversichtlich, dass negative soziale und politische Trends, wie der Aufstieg des Rechtspopulismus durch „eine kontinuierliche Arbeit, ein kontinuierlicher Kampf“ rückgängig gemacht werden können. Dabei zeigt sie sich kämpferisch: „Es zieht mich nicht runter, es fordert mich eher heraus.“ Und denkt erst recht nicht übers Auswandern nach, wie andere in ihrem Bekanntenkreis.

In dem Podcast-Interview spricht Cheema zudem darüber, warum sie die Beschreibung „ein Musterbeispiel der Integration“ zu sein nicht als ein Kompliment empfindet; weshalb sie sich mit den Themen Rassismus und Antisemitismus beschäftigt und was das alles mit dem 11. September zu tun hat. Außerdem geht es um die Frage: Warum sprechen wir eigentlich so viel über Religion? (mig) Aktuell Panorama

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