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Experten warnen

Herkunftsnennung in Medien hat drastisch zugenommen

Wann Medien die Herkunft eines Gewalttäters nennen, ist umstritten. Der Pressekodex formuliert dafür eine Richtlinie, seit 2017 ist diese aber weiter gefasst. Forschungsergebnisse zeigen: Die Nennung der Nationalität ist seitdem keine Ausnahme mehr.

Mittwoch, 11.12.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:41 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

In der Berichterstattung über Gewaltdelikte in deutschen Medien hat die Nennung der Herkunft eines Verdächtigen nach Angaben des Journalismus-Forschers Thomas Hestermann drastisch zugenommen. 2014 habe die Nationalität mutmaßlicher Täter kaum eine Rolle gespielt, sagte der Professor der Hochschule Macromedia am Dienstag bei einer Veranstaltung des „Mediendienstes Integration“ in Berlin. In nur knapp fünf Prozent der Fernsehbeiträge sei sie genannt worden. Die Silvesternacht 2015/16 in Köln habe alles geändert, sagte Hestermann mit Verweis auf seine eigene Forschung: 2017 sei in jedem sechsten Fernsehbeitrag über Gewaltdelikte die Herkunft von Verdächtigen genannt worden, 2019 sogar in jedem dritten.

Hestermann, der gleiche Effekte auch bei einer Untersuchung überregionaler Zeitungen feststellte, sagte, genannt werde die Herkunft meist dann, wenn es Ausländer betreffe. Er warnte vor einem Zerrbild: 69 Prozent der Gewalttäter 2018 seien Deutsche gewesen, sagte er unter Berufung auf die Polizeistatistik. Das in Medien gezeichnete Bild sei damit nicht wahrheitsgetreu.

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Pressekodex-Änderung  „krasse Fehlentscheidung“

Die Änderung der betreffenden Richtlinie im Pressekodex bezeichnete Hestermann als „krasse Fehlentscheidung“. Der Presserat als Selbstkontrollorgan der deutschen Presse hatte im Frühjahr 2017 entschieden, dass die Herkunft genannt werden kann, wenn ein „begründetes öffentliches Interesse“ daran besteht. Vorher galt, dass die Herkunft nur dann genannt werden soll, wenn ein Zusammenhang zur Tat besteht, etwa wenn die Tat nur durch die Nennung der Nationalität erklärbar wird. Die Richtlinie soll vor Diskriminierung schützen.

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Hestermann sagte zugleich, viele Journalisten hielten sich nach wie vor an die alte Richtlinie. Dazu riet auch die Geschäftsführerin des Vereins „Neue deutsche Medienmacher*innen“, Konstantina Vassiliou-Enz. Die automatische Verknüpfung von Herkunft und Tat sei „unsachlich und unjournalistisch“, sagte sie. Nur in Ausnahmen sei die Nennung der Herkunft notwendig, um die Geschichte um eine Tat zu verstehen. Sie plädierte dafür, in Fällen, in denen die Herkunft genannt wird, auch zu erklären, warum das relevant ist. Ihr Verein setzt sich für diskriminierungsfreie Berichterstattung ein.

Polizei gegen Pauschale Vorgaben

Der stellvertretende Chefredakteur der „Sächsischen Zeitung“, Heinrich Maria Löbbers, verteidigte die 2016 von seiner Zeitung getroffene Entscheidung, die Herkunft eines Verdächtigen immer zu nennen. So wolle man dem Zerrbild entgegenwirken, weil auch bei deutschen Tätern die Nationalität genannt werde. Ausschlaggebend für die Berichterstattung sei aber die Relevanz des Deliktes, nicht die Herkunft. „Für unsere Region, glauben wir, ist es die richtige Entscheidung gewesen“, sagte Löbbers mit Blick auf die Auseinandersetzungen rund um „Pegida“ in Sachsen.

Der Pressesprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz, wandte sich gegen die Forderung pauschaler Vorgaben für Pressemitteilungen der Polizei. Die Nennung der Herkunft müsse immer individuell abgewogen werden, sagte er. Auch er plädierte für die Nennung, wenn es für das Verständnis des Geschehenen notwendig sei. Auch in anderen Fällen sei es sinnvoll, Details wie die Nationalität zu nennen, etwa um einem „Frame“ entgegenzuwirken, sagte er. (epd/mig) Leitartikel Panorama Studien

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