Studie zur Willkommenskultur
Einwanderung wird immer stärker als Chance gesehen
Vier Jahre nach dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs sieht die deutsche Bevölkerung mehrheitlich einen ökonomischen Nutzen von Einwanderung. Doch bei aller Zuversicht bleibt eine Restskepsis. Politiker und Experten fordern mehr Einsatz für Integration.
Freitag, 30.08.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Deutschen gehen einer Studie zufolge zunehmend pragmatisch mit dem Thema Migration und Integration um. Zwar meine immer noch die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung, es gebe zu viel Einwanderung, heißt es in der am Donnerstag in Gütersloh veröffentlichten repräsentativen Erhebung der Bertelsmann Stiftung zur Willkommenskultur. Doch gleichzeitig sehen fast zwei Drittel der Befragten Vorteile der Einwanderung als Mittel gegen eine alternde Gesellschaft und Fachkräftemangel. Auch gelten Einwanderer, die in Deutschland arbeiten oder studieren, bei Behörden (79 Prozent) und Bevölkerung (71 Prozent) mehrheitlich als willkommen.
Die Aufnahmebereitschaft, die während des Anstiegs der Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 deutlich zurückgegangen war, ist laut Studie ebenfalls wieder gestiegen. Während vor zwei Jahren mehr als jeder Zweite (54 Prozent) die Ansicht vertrat, Deutschland habe bei der Aufnahme von Flüchtlingen seine Belastungsgrenzen erreicht, seien es heute 49 Prozent. Die Bundesmigrationsbeauftragte Annette Widmann-Mauz (CDU) sagte, die Studie bestätige die Integrationspolitik der Bundesregierung: „Die Richtung stimmt und macht Mut.“ Beim Koalitionspartner SPD war das Echo dagegen verhalten.
Für die Langzeitstudie zur Willkommenskultur werden seit 2012 alle zwei Jahre Umfragen durchgeführt. Für die aktuelle Untersuchung interviewte das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid im April im Auftrag der Bertelsmann Stiftung 2.024 Bundesbürger ab 14 Jahren.
Mehrheit sieht positive Auswirkungen
64 Prozent sehen aktuell in der Einwanderung positive Auswirkungen für die demografische Entwicklung, wie es hieß. 41 Prozent der Befragten sprechen sich laut Studie für den Zuzug ausländischer Fachkräfte als Mittel gegen den Personalmangel in Pflege oder Handwerk aus. 67 Prozent bejahten die Aussage, Migration mache das Leben interessanter. Vor allem die unter 30-Jährigen zeigten sich aufgeschlossen.
Gleichzeitig gibt es weiterhin kritische Töne gegenüber Einwanderung: So glauben 71 Prozent, der Zuzug aus dem Ausland belaste die Sozialsysteme. 2017 waren noch 79 Prozent dieser Ansicht. Rund zwei Drittel (69 Prozent) sehen die Gefahr von Konflikten zwischen Eingewanderten und Einheimischen. 64 Prozent befürchten Probleme in den Schulen durch zu viel fremdsprachige Schüler, 65 Prozent eine Verschärfung der Wohnungsnot.
In Ostdeutschland überwiegt Skepsis
Besonders in den ostdeutschen Bundesländern überwiegt laut Studie die Skepsis. Allerdings sei auch dort eine Mehrheit von 55 Prozent der Ansicht, Einwanderung habe einen positiven Effekt auf die Wirtschaft, hieß es. In Westdeutschland sind es den Angaben nach 67 Prozent.
Widmann-Mau sagte, die Studie zeige, dass Vielfalt in Deutschland längst Normalität sei. „Einwanderung wird immer stärker als Chance gesehen, vor allem bei jungen Menschen“, sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Sachsen Integrationsministerin warnt vor Optimismus
Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) warnte hingegen vor zu viel Optimismus. Die Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 seien geprägt gewesen von einem Gefühl der Ohnmacht und Überforderung, sagte Köpping dem RND. Das habe sich bei vielen Menschen als Kontrollverlust eingeprägt.
Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung erklärte, der Skepsis gegenüber Einwanderung könne durch eine bessere Steuerung begegnet werden. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das qualifizierten Einwanderern den Zuzug erleichtern soll, sei deshalb der richtige Weg. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel Studien
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