Verteidigung kritisiert Gericht
Hohe Haftstrafe im Chemnitz-Prozess
Im August 2018 wurde in Chemnitz Daniel H. erstochen. Kurz nach der tödlichen Messerattacke hatten rechte Gruppen die Tat für sich instrumentalisiert. Am Donnerstag wurde der angeklagte Syrer zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.
Freitag, 23.08.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.08.2019, 16:53 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Chemnitzers ist der Angeklagte Alaa S. zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das Landgericht Chemnitz folgte am Donnerstag der Anklage und verurteilte den 23-jährigen Syrer wegen gemeinschaftlichen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Er habe Daniel H. am 26. August 2018 zunächst gepackt und getreten sowie danach mit einem Messer mehrfach auf ihn eingestochen, sagte die Vorsitzende Richterin Simone Herberger bei der Urteilsverkündung in Dresden.
Vorausgegangen sei ein Streit mit dem mutmaßlichen Komplizen des Verurteilten. Dieser sei noch immer flüchtig. Bei der Messerattacke wurde zudem eine weitere Person verletzt. Die Taten haben Herberger zufolge kein politisches Motiv. Zudem habe die Kammer unabhängig von politischen und medialen Einflüssen entschieden.
In ihrer Urteilsbegründung betonte die Richterin: Es bestehe kein Zweifel an den Aussagen und der Glaubhaftigkeit des Hauptbelastungszeugen. Er habe den Täter zweifelsfrei erkannt und die Stichbewegungen beschrieben, auch wenn er kein Messer gesehen habe. Unter anderem habe er die Kleidung des Täters exakt beschrieben und weitere Details angegeben, sagte Herberger. Außerdem gebe es weitere Zeugenaussagen. Die Konstruktion einer Falschaussage schloss die Kammer aus.
Verteidigung kritisiert Gericht
Die Verteidigung hatte einen Freispruch für Alaa S. gefordert, weil sie den einzigen Zeugen als nicht glaubwürdig ansah und dem Angeklagten keinerlei DNA-Spuren nachgewiesen werden konnten. Sie hat nach eigenen Angaben gegen das Urteil bereits Revision eingelegt. Die Aussagen des Hauptzeugen seien widersprüchlich gewesen und zum Teil widerlegt worden, sagte Verteidigerin Ricarda Lang. Die Beweise reichten für ein zweifelsfreies Urteil nicht aus.
„Wir haben Chancen bei einer Revision“, zeigte sich Lang überzeugt. Die nächste Instanz werde jeden Sachverhalt prüfen. Dem Gericht warf sie vor, „nicht unbeeinflusst von den politischen Verhältnissen in Chemnitz“ entschieden zu haben. In anderen Bundesländern wäre es aufgrund dieser Beweislage nicht zu einer Verurteilung gekommen, betonte sie. Die Staatsanwaltschaft hatte für zehn Jahre Freiheitsentzug plädiert und zeigte sich nach dem Urteil in ihrem Vorgehen bestätigt.
„Letztes Wort“
In seinem „Letzten Wort“ vor Gericht hatte Alaa S. betont, er hoffe auf ein gerechtes Urteil. Seine Hoffnung sei auch, dass er nicht das zweite Opfer des Täters und für ihn stellvertretend verurteilt werde. Zudem bedauerte der Angeklagte, was der Familie des Opfers widerfahren sei.
Der Prozess vor dem Landgericht Chemnitz fand aus Sicherheitsgründen in Dresden statt. Alaa S. musste sich seit März vor Gericht verantworten. Er bleibt Richterin Herberger zufolge in Untersuchungshaft. Nach dem Tod des Chemnitzers am Rande des Stadtfestes hatten rechte Gruppen die Tat in den Folgetagen für ausländerfeindliche Demonstrationen instrumentalisiert. (epd/mig) Aktuell Recht
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Nach Angabe der Verteidigung „waren die Aussagen des Hauptzeugen widersprüchlich, dem Angeklagten konnten keinerlei DNA-Spuren nachgewiesen werden“ und er legte kein Geständnis ab. Hier hätte der Rechtsgrundsatz „Im Zweifelsfalle für den Angeklagten“ zur Anwendung kommen müssen. Das Gericht wollte jedoch, daß den Angehörigen des Getöteten Gerechtigkeit zuteil werde und knickte anscheinend vor der gegen den Angeklagten eingenommenen öffentlichen Meinung ein. Somit kann man es als ein Gesinnungsurteil ansehen.
Ich finde es erstaunlich, wie sich hier Menschen ein Urteil bilden und sich erlauben öffentlich zu urteilen, ohne dass sie an der Verhandlung teilgenommen haben oder das Urteil, welches noch nicht veröffentlicht ist, gelesen haben.
@President Obama
Sie wollen also Menschen ganz generell ein „Urteilsvermögen“ zu einem Gerichtsurteil absprechen, das „im Namen des Volkes“ erging und über das ausgiebig berichtet wurde?
Auch von ausgiebig dargelegten Zweifeln zugunsten des Angeklagten wollen Sie mit Ihren geradezu blindwütigen Gehorsamanforderungen offenbar nichts wissen – und wahrscheinlich haben auch alle Journalist*innen kein Recht auf Berichterstattung, weil hochwahrscheinlich keine*r von denen den Prozess an jedem einzelnen Prozesstag tatsächlich verfolgt und nachvollzogen hat (und auf jeden Fall keine*r von denen Jurist*in ist – sonst wären Sie ja selbst Richter*innen gelle)?
Urteilsaussagen der Richter*innenkammer wie „eindeutig“ und „zweifelsfrei“ kommen Ihnen bei der berichteten Beweislage von nur einem – sich selbst widersprechenden – Belastungszeugen, unprotokollierten, aber belastenden Zeugenaussagen von Polizist*innen ohne Beweissicherungsmaßnahmen und mithin zum Tatvorwurf spurenfreier Beweislage am Opfer selbst, die objektiv nicht zu den Anschuldigungen passen können also „zwingend“ rechtsgläubig vor?
Da stellt sich dann doch wohl eher schon die Frage, woher sich Ihr „Urteilsvermögen“ eigentlich so zu speisen vermag?
Aus dem hehren Grundsatz rechtsstaatlicher „Zweifel“, die für die jeweils Angeklagten sprechen sollten, jedenfalls mal nicht!
Gute Nacht!
Im Namen des Volkes?
Auch Charles Manson (USA California) hatte höchstselbst persönlich wohl keinen einzigen Menschen getötet. Und Beate Zschäpe (NSU) wohl auch nicht, und ebenso wohl auch die vielen RAF-Terroristen in den 70er Jahren nicht. Trotzdem wurden sie alle zu lebenslanger Haft verurteilt, eben wegen Mordes. Und ebenso wurden auch gewisse Nazi-Kriegsverbrecher, denen man auch nie einen persönlich begangenen Mord nachweisen konnte, genau wegen dieses ihres nicht nachweisbaren Mordes verurteilt.
Und natürlich ist jede Justiz automatisch politisch, solange gerade die Politik die Gesetze beschliesst, nach denen die Justiz urteilt. Das nennt sich dann Rechtsstaat und Gewaltenteilung.
Aber Schuldumkehr kann heute ja auch ganz anders verlaufen, hier in diesem Artikel schon in den ersten zwei Sätzen erklärt: Erste Schuld: Chemnitz. Zweite Schuld: Tödliche Messerattacke. Dritte und grösste Schuld: Rechte Gruppen instrumentalisieren die Tat. Ach ja, und last but not least die vierte kleinste Schuld: Der Angeklagte war ein Syrer.
Und genau dadurch wird dann jede Schuldumkehr automatisch zu einem Selbstläufer: Hetzjagd in Chemnitz? Die Regierung sagt Ja, der Verfassungsschutzpräsident sagt Nein. Also muss der Verfassungsschutzpräsident schweigen und verschwinden. Weil schliesslich nicht sein kann was nicht sein darf. Und alle Medien finden das super gut, und der Bürger eher nicht? Also ist dann der ungläubige Bürger ein Rechter, und wer was anderes behauptet ist ein Nazi.
Was alle diese Journalisten offenbar nicht begreifen können oder wollen: Der einfache normale Bürger ist nicht so dumm. Der denkt sich was bei dem was er zu lesen bekommt, und der weiss, wem er heute noch glauben kann und wem nicht.
Da hilft dann auch keine Zensur mehr in den Kommentarbereichen unter der jeweiligen Berichterstattung, bzw. Agit-Prop.
@ Blinde Kuh
Nö. Will ich nicht. Finde es trotzdem erstaunlich, wie man nur anhand von Medienberichten dem Gericht politische Gründe für eine Verurteilung unterstellt.
Ich gehe zunächst mal davon aus, dass das Gericht im Rahmen der Rechtstaatlichkeit gehandelt hat. Sollte das Urteil fehlerhaft sein, wird das in einem etwaigen Revisionsverfahren behandelt. Das ist unser Rechtsstaat, den ich nicht allein aufgrund medialer Stimmungsmache in Zweifel ziehe.