Europawahl
Zeichen stehen trotz Strache-Video auf Rechtsruck
Sturz auf der Zielgeraden: Die österreichische FPÖ hat durch die Affäre um Heinz-Christian Strache bei der Europawahl schlechtere Karten als bislang gedacht. Ob dies aber den Vormarsch der Rechten insgesamt bremst, ist fraglich.
Von Phillipp Saure Freitag, 24.05.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.05.2019, 12:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das neue Europaparlament wird voraussichtlich mehr Rechtspopulisten und EU-Skeptiker aufweisen als das scheidende. Parteien wie die italienische Lega Nord, Ungarns Fidesz, die Finnenpartei und die AfD sehen sich bei den am Donnerstag beginnenden Wahlen im Aufwind.
Eine Schätzung des Online-Magazins „Politico“ sieht ein rundes Drittel der Sitze im neuen Parlament von „Euroskeptikern“ besetzt. Eine Projektion des Europaparlaments selbst machte im April den größten Zuwachs am rechtsextremen Rand aus, wo die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) von 37 auf 62 Mandate wachsen könnte. In Deutschland lag die AfD laut Forschungsgruppe Wahlen rund eine Woche vor dem Urnengang bei zwölf Prozent. „Insgesamt steigen die Werte der Rechten und Rechtspopulisten, auch wenn ihre Anteile in manchen Ländern wie Dänemark, Frankreich und Griechenland sinken“, erklärt die Politikprofessorin Ariadna Ripoll von der Universität Bamberg.
Wahlkämpfe national geprägt
Die Wahlkämpfe in den EU-Mitgliedsländern sind Ripoll zufolge vor allem national geprägt und daher sehr unterschiedlich. Generell gebe es viele Debatten über Migration, Klimawandel, Sicherheit und Wirtschaft.
Die Klimapolitik war in den vergangenen Monaten nicht zuletzt aufgrund der Schülerproteste „Fridays for Future“ in aller Munde – auch bei den Rechten. Für sie eignet sich das Thema ideal, meint Stella Schaller vom Forschungs- und Beratungsinstitut adelphi. Denn rechte Themen und Denkmuster wie Elitenkritik, Wissenschaftsfeindlichkeit und Gegnerschaft zu Multilateralismus ließen sich mit Klimapolitik konkret befüllen. „Zudem erfordert der Klimawandel langfristige Strategien, und Rechtspopulisten haben eine starke Präferenz für einfach scheinende Lösungen“, macht Schaller geltend.
Migration weiter Thema
Auch das Thema Migration konnten die Rechtspopulisten weiter nutzen. Hier erkennt der Europa-Experte Christian Schweiger den Ansatz, Migration mit der Frage nach der Entscheidungsebene – EU oder Mitgliedstaat – zu verknüpfen. Genauso hätten die EU-Gegner in Großbritannien rund um das Brexit-Referendum argumentiert, erklärt der Forscher der Universität Chemnitz. Die Antwort laute dann: „‚Was wir brauchen, ist mehr nationale Kontrolle.'“
Einen Dämpfer erhielten die Rechten in Österreich, wo der Skandal um FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache die Regierungsbeteiligung kostete. Dass dies auf andere Länder ausstrahlen könnte, bezweifelt Schweiger allerdings. „Man sieht sich dann doch die Parteien auf der nationalen Ebene an.“
Rechte geteilt
Wie weit erstarkende Rechtspopulisten und EU-Skeptiker im Europaparlament ihre Agenden durchsetzen können, dürfte stark davon abhängen, ob sie ihre Kraft in einer oder zwei Fraktionen bündeln können. Bislang ist das nicht der Fall. Die Lega Nord und der französische Rassemblement National etwa gehören der rechtsextremen ENF-Fraktion an, die AfD der EFDD und die polnische PiS der EKR. Noch in der EVP-Fraktion von Manfred Weber (CSU) findet sich Viktor Orbans Fidesz.
Vor diesem Hintergrund schmiedet Lega-Chef Matteo Salvini eine Koalition. Bei einer Kundgebung in Mailand am Wochenende waren verschiedenste rechte Parteien Europas vertreten, darunter die AfD. Deren Chef Jörg Meuthen beschreibt die Linie des Bündnisses als „ganz klaren politischen Gegenentwurf“ zum „Mainstream“ im Parlament, welcher die anderen Parteien „herrlich nervös“ mache.
Polarisierteres Parlament
Dabei beschäftigen Rechte und Populisten nicht nur die politische Konkurrenz. Trotz aller Kritik an einzelnen EU-Politiken warnt beispielsweise der Deutsche Gewerkschaftsbund vor Rechtspopulisten und Nationalisten und fordert eine Stärkung der EU. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz wenden sich gemeinsam gegen Extremismus und übersteigertes Nationalgefühl und bekennen sich zu einem geeinten Europa. Und am Sonntag gingen in ganz Deutschland Zehntausende für ein soziales Europa und gegen Rechtspopulismus auf die Straße.
Politikprofessorin Ripoll prognostiziert für die nächste Legislaturperiode „ein polarisierteres und fragmentierteres Parlament“. Auswirken könne sich dies zum Beispiel durch weniger Entscheidungen und mehr Blockaden in der Volksvertretung. (epd/mig) Leitartikel Politik
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