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Gesetzesänderung

Terrorkämpfern droht künftig der Passentzug

Was mit deutschen IS-Kämpfern im nordsyrischen Gewahrsam passiert, ist nach wie vor unklar. Künftig will die Bundesregierung die Zuständigkeit in einigen Fällen abgeben: Terrorkämpfer, die noch einen anderen Pass haben, soll den deutschen verlieren. Die Neuregelung trifft auch PKK-Kämpfer.

Donnerstag, 04.04.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.04.2019, 17:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wer für eine Terrormiliz im Ausland kämpft, kann künftig die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin eine Neuregelung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf den Weg gebracht. Dem Entwurf des Bundesinnenministeriums zufolge sind deutsche Mehrstaater betroffen, die an Kampfhandlungen konkret teilgenommen haben. Denn dadurch hätten sie zum Ausdruck gebracht, „dass sie sich von Deutschland und seinen grundlegenden Werten ab- und einer anderen ausländischen Macht in Gestalt einer Terrormiliz zugewandt haben“.

Bislang besagte Paragraf 28 im Staatsangehörigkeitsrecht, dass ein Deutscher die Staatsangehörigkeit verliert, wenn er freiwillig in die Streitkräfte eines ausländischen Staates eintritt, dessen Staatsangehörigkeit er auch besitzt. Künftig wird er erweitert um den Zusatz: wenn er „sich an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland konkret beteiligt“. Eine Beteiligung an solchen Handlungen muss aber nicht bedeuten, dass er selbst Gewalt anwendet. Auch ein Fahrer, der bewaffnete Kämpfer ins Kampfgebiet fährt, könnte betroffen sein.

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Nicht genau definiert ist, welche Milizen neben der Terrororganisation „IS“ noch gemeint sein könnten. Es heißt in dem Entwurf, dass es um einen paramilitärisch organisierten bewaffneten Verband geht, der hinsichtlich seiner Größenordnung, sowie seines operativen und territorialen Wirkens das Ziel verfolgt, in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen und anstelle dieser Strukturen neue staatliche oder staatsähnliche Strukturen zu errichten.

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Hunderte PKK-Kämpfer im Ausland

Demnach müsste die Neuregelung auch Personen treffen, die für die verbotene Terrororganisation PKK kämpfen. Wie hoch das Personenpotenzial ist, lässt sich kaum einschätzen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von mehreren Hundert aus. Offiziellen Angaben zufolge „indoktriniert und rekrutiert die PKK auch in Deutschland zumeist jugendliche Anhänger für den bewaffneten Kampf“.

Jugendliche werden dem Verfassungsschutz zufolge in Aufrufen der PKK dazu aufgefordert, sich den bewaffneten PKK-Einheiten in Syrien, im Irak beziehungsweise in der Türkei anzuschließen. Die in Deutschland rekrutierten Jugendlichen werden durch PKK-Kader auf ihre Tauglichkeit für den bewaffneten Kampf geprüft.

Ausgenommen sind Terrorkämpfer mit einem Pass

Ausgenommen von einem Passentzug sind Terrorkämpfer, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Denn laut Artikel 16 im Grundgesetz darf „der Verlust der Staatsangehörigkeit“ nur eintreten, „wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird“. Auch Minderjährige sind ausgenommen. Das Gesetz gilt zudem nicht für jene Mehrstaater, die in der Vergangenheit für die Miliz Islamischer Staat (IS) gekämpft haben, sondern nur für künftige Fälle – also für Personen, die wissen, dass dies die Folge ihres Handelns sein könnte.

Wie aus Ministeriumskreisen verlautete, sind derzeit 104 Menschen, die aus Deutschland ausgereist sind, in Syrien und im Irak als mutmaßliche IS-Anhänger inhaftiert. Darunter seien 74 Deutsche, von ihnen 25 Doppelstaatler. In Syrien seien rund 66 Deutsche in Gewahrsam. Gegen 21 von ihnen bestünden Haftbefehle, gegen 45 nicht. Von 19, die als Gefährder eingestuft seien, lägen bei sieben ebenfalls kein Haftbefehl vor. Zum Zeitpunkt Mitte März befanden sich ferner laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion 59 Kinder „mit mutmaßlich deutscher Staatsangehörigkeit“ in Nordsyrien, die zu den dort inhaftierten Männern und Frauen gehörten.

Nouripour: Handeln nach „Vogel Strauß“-Prinzip

Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour warf der Bundesregierung im Umgang mit deutschen IS-Kämpfern ein Handeln nach dem „Vogel Strauß“-Prinzip vor. Mit der Neuregelung zum Verlust der Staatsbürgerschaft drücke sie sich vor einen Problem, für das Deutschland zuständig sei. „Wir reden von Leuten, die in diesem Land sozialisiert und meistens in diesem Land auch radikalisiert worden sind“, sagte er im Gespräch mit dem „Evangelischen Pressedienst“. Die Fokussierung rein auf die Frage der Nationalität blende dies aus und schiebe die Verantwortung für ein Problem, das in der hiesigen Gesellschaft entstanden sei, auf ein anderes Land ab.

Nouripour befürchtete zudem, dass das Gesetz aber jenen in die Hände spielt, die junge Menschen auf der Suche nach Identität in die Radikalität locken wollen. Es helfe jenen Dschihadisten, die zu Jugendlichen sagten: „Schaut her, es ist offenkundig: Die Deutschen wollen euch nicht. Kommt zu uns.“

Grüne werfen Regierung Schaufensterpolitik vor

Kritik kommt auch von migrationspolitischen Sprecherin der Grünen, Filiz Polat.  Sie wirft der Bundesregierung „Schaufensterpolitik“ vor. „Statt echter Lösungen für den Umgang mit der Rückkehr von IS-Anhängerinnen und Anhänger zu bieten, wird hier nur eine gefährliche Scheinlösung präsentiert, die in der Umsetzung mehr Unsicherheiten schaffen wird“, erklärt Polat. Es sei Deutschlands Verantwortung, sich deutscher Staatsangehörige nicht einfach zu entledigen.

„Es muss unser Anspruch sein, auch den Anhängerinnen und Anhängern des IS mit doppelter Staatsbürgerschaft mit den Mitteln des deutschen Strafrechts zu begegnen und sie vor ein deutsches Gericht zu bringen“, so Polat. Gleichzeitig gelte es die betroffen Kinder nicht in Sippenhaft für die Taten ihrer Eltern zu nehmen. Rechtsstaatlichkeit müsse gerade gegenüber denjenigen verteidigt werden, die sie in Frage stellen. (epd/mig) Leitartikel Politik

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