Nebenan
Aufbruch der Populisten
Die AfD hat mit Lucke und Petry bereits zwei Führungskräfte in inneren Machtkämpfen relativ unbeschadet vergrätzt. Mit dem Weggang des politischen Amokläufers Poggenburg steht die AfD diesmal aber erstmals als vergleichsweise vernünftig da. Das könnte gefährlich werden. Von Sven Bensmann
Von Sven Bensmann Dienstag, 15.01.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.01.2019, 15:50 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ohje, was waren das für ein paar ereignisreiche Tage, Kaum zwei Wochen ist dieses Jahr alt und schon hat ein Deutscher mit seinem Automobil made in Germany Frauen und Kinder niedergemäht, denen er einen signifikanten Mangel an Deutschtum unterstellte – worüber wir aber ganz schnell wieder hinweg waren, als bekannt wurde, dass sich ein paar Betrunkene geschlagen haben. Betrunkene! Wann wäre sowas je vorgekommen? Immerhin waren Ausländer dabei, also konnten unsere ach so linksgrün-versifften Medien dem, was offenkundig die Tat eines Verwirrten war – und nicht etwas Terrorismus, da der Autofahrer ja nicht muslimischen Glaubens war – schnell den Rücken zukehren und mit den Wölfen der AfD über kriminelle Ausländer heulen.
Deus lo vult!
Apropos AfD. Da hat sich ja jetzt ein Spitzenmann aus der Partei verabschiedet, um seine ganz eigene, offen faschistoide Partei in der Tradition der NSDAP zu gründen. Mit der will er der AfD das Wasser abgraben, bei der er in Ungnade gefallen ist, weil er bei dieser einen gefährlichen „Linksruck“ feststellte. Sicher, wer in der SPD linksradikale Kräfte entdeckt, kann auch in der AfD einen Linksruck ausmachen. Dass dieser Linksruck aber darin besteht, sich per Lippenbekenntnis auf den Boden des Grundgesetzes zu stellen, um nicht auch offiziell als die Verfassungsfeindin gelistet zu werden, die sie ist, ist aber schon beachtlich. Gerade wenn man bedenkt, dass die AfD ja ohnehin nicht rechtsextrem ist und es in der AfD auch gar keine Nazis gibt. Das hat sie uns ja schließlich immer weismachen wollen.
Poggenburgs neue Partei sucht dann auch gleich den Schulterschluss mit einer anderen Gruppe, in der sich „Keine Rassisten, aber“ versammeln. Pegida, mittlerweile selbst manchem in der AfD zu weit rechts, und doch nur eine Gruppe besorgter Bürger, mit der man vernünftig reden kann und muss, gerade wenn man in der SPD ist, soll Poggenburg nämlich zum Durchbruch verhelfen.
Passend zu den Landtagswahlen im Osten der Republik deutet sich damit genau die Entwicklung an, die noch immer ein großes Problem der Rechtsekzemen war: Viele wollen – aber nur einer kann – der größte Führer sein. Und so schafft sich eben jeder, der sich dafür hält, früher oder später sein eigenes Lager loyaler Nullen und verkleinert so das Lager der anderen. Die AfD hat mit Lucke und Petry bereits zwei Führungskräfte in inneren Machtkämpfen vergrätzt, die beide anschließend eine neue Partei gegründet haben. Sie beide mussten letztendlich scheitern, weil sie für die, die sie für die „Vernünftigen“ in der Partei hielten, eine Heimat bilden wollten und dabei der Fehleinschätzung erlagen, es gäbe eine signifikante Anzahl von Parteigängern mit einem Minimum an Vernunft – und weil sie die innerparteiliche Dynamik der AfD nicht verstanden haben.
Für die AfD gefährlich ist jedoch, dass diesmal sie selbst neben dem politischen Amokläufer Poggenburg und seinem Aufbruch der Idioten als vergleichsweise vernünftig dasteht. Wer noch bereit ist die AfD zu wählen, wird im Zweifel aber immer den größeren Spinner mit den dreisteren Lügen wählen: Zwei Monate Wahlkampf in Sachsen und die AfD könnte vielen früheren Sympathisanten als Systempartei gelten, die im Auftrag der Juden die Bewegung verraten und ruhigstellen soll, die fake News im Auftrag von Merkel verbreitet und insgeheim die Umvolkung der Deutschen betreibt.
Die Talkshows der vom rechten Lager so verteufelten Öffentlich-Rechtlichen wird diesen Theorien sicher wieder ausreichend Platz einräumen. Immerhin gibt es ja nichts wichtigeres zu diskutieren. Aktuell Meinung
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