NSU 2.0
Polizei-Skandal in Hessen: Sechster Beamter suspendiert
In der Affäre um ein mutmaßliches rechtsextremes Netzwerk bei der Frankfurter Polizei hat der hessische Innenminister Beuth im Landtag Rede und Antwort gestanden. Er versprach eine rasche und lückenlose Aufklärung.
Donnerstag, 20.12.2018, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 07.01.2019, 16:20 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Zusammenhang mit der Aufdeckung rechtsextremistischer Äußerungen von fünf Frankfurter Polizisten ist ein sechster Beamter vom Dienst suspendiert worden. Das Landeskriminalamt ermittele nach Aufdeckung der Chatgruppe gegen die sechs Polizisten und eine siebte Person, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) am Mittwoch im Innenausschuss des Wiesbadener Landtags. Die Linken-Fraktion hatte dort den Bericht des Innenministers gefordert. Konkrete Erkenntnisse über eine Verbindung der Beschuldigten zu dem Drohschreiben an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız lägen bisher aber nicht vor, sagte Beuth.
Der Innenminister betonte die Entschlossenheit der Polizei, die Fälle rasch und lückenlos aufzuklären. „Polizisten haben mit beiden Beinen fest auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stehen“, sagte er. „Wir werden jedem auch noch so geringen Verdachtsmoment nachgehen und sollten sie sich bestätigen, Straftaten oder Fehlverhalten mit aller Härte ahnden.“ Beuth unterstrich, dass die Verfassungstreue ein „unveräußerliches Element des Berufes“ von der Auswahl neuer Anwärter bis zum täglichen Dienst jedes Polizisten sei. Deshalb dürften mehr als 14.000 Polizisten im Land nicht unter den Verfehlungen einiger Kollegen leiden. Jeder Polizist müsse Extremismus erkennen und diesem entgegentreten.
„Gruss NSU 2.0“
Der Innenminister bestätigte darüber hinaus die bisher bekanntgewordenen Erkenntnisse. Demnach habe am 2. August eine Rechtsanwältin – es handelt sich um die Frankfurterin Seda Başay-Yıldız – ein Fax bekommen, in dem sie beleidigt und in dem ihre zweijährige Tochter mit dem Tod bedroht wurde. Die Anwältin hatte im Münchener Prozess gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ eine der Opfer-Familien als Nebenklägerin vertreten. Sie verteidigte auch die islamistischen Gefährder und mutmaßlichen Terroristen Haykel S. und Sami A. Nach der Anzeige habe das Polizeipräsidium Frankfurt unverzüglich die Ermittlungen aufgenommen, sagte Beuth. Ein konkreter Tatverdacht zum Absender des mit „Gruss NSU 2.0“ unterschriebenen Faxes liege bislang allerdings nicht vor.
Im Zuge der Ermittlungen hätten Polizeibeamte überprüft, ob Personaldaten der Anwältin über die polizeilichen Auskunftssysteme in der Vergangenheit abgefragt worden seien, erläuterte der Innenminister. Dabei hätten sie eine Abfrage in zeitlicher Nähe vom 1. Polizeirevier in Frankfurt festgestellt. Nach einer Durchsuchung bei der betreffenden Person am 11. September sei auf deren privatem Handy ein Chatverkehr festgestellt worden, der einen Verdacht auf das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen und Volksverhetzung begründete. In dem geschlossenen, privaten WhatsApp-Chat hätten sich fünf Polizisten ausgetauscht.
Ermittlungen auch in Wiesbaden, Offenbach und Fulda
Beuth erklärte, in diesem Zusammenhang seien Durchsuchungen am 25. Oktober bei den weiteren vier Chatteilnehmern in Frankfurt, Darmstadt, Kirtorf (Vogelsbergkreis) und Wetter (Landkreis Marburg-Biedenkopf) vorgenommen worden. Die beteiligten fünf Polizisten seien vom Dienst suspendiert worden. Die Ermittler stießen auf weitere Personen, die zumindest zeitweilig an der Chatgruppe teilnahmen. Daraus hätten sich zwei Beschuldigte, davon ein weiterer Polizeibeamter, ergeben. Bei diesem sei am 12. Dezember ein Durchsuchungsbeschluss vollstreckt worden, auch ihm sei das Führen der Dienstgeschäfte untersagt worden. Am selben Tag habe das Landespolizeipräsidium entschieden, das Landeskriminalamt mit den Ermittlungen zu beauftragen.
Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ finden Ermittlungen auch in den Polizeipräsidien in Wiesbaden, Offenbach und Fulda statt. Nach Bekanntwerden der Verdachtsfälle in Frankfurt hatte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) eine rasche Aufklärung verlangt. (epd/mig) Aktuell Panorama
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Auszug aus einem Interview mit Frankfurts Polizeipräsident Gerhard Bereswill::
„Die Vorwürfe haben auch dazu geführt, dass insbesondere Migranten verunsichert sind. Martin Kliehm, Fraktionschef der Linken, hat etwa im FR-Interview rhetorisch gefragt, an welche Polizei sich etwa Menschen wenden sollen, die Opfer von Diskriminierung geworden sind. Sehen Sie einen Vertrauensverlust?“
„Das ist zumindest eine große Gefahr. Die Frankfurter Polizei leistet richtig gute Arbeit und hat in der Stadtgesellschaft und darüber hinaus ein sehr gutes Renommee. Das haben wir uns über viele Jahre erarbeitet. Dieses Ansehen wird momentan infrage gestellt. Ich kann nur deutlich sagen: Gerade Menschen mit Migrationshintergrund müssen keine Sorge haben, dass wir sie nicht fair und regelgerecht behandeln. Unabhängig davon hat sich die hessische Polizei vor vielen Jahren für Migranten im Vollzugsdienst geöffnet. Im Durchschnitt haben rund 15 Prozent der Studienanfänger der hessischen Polizei einen Migrationshintergrund. Zudem waren und sind wir mit Flüchtlingen über die Rolle und Aufgabe der Polizei im Gespräch, wir bringen uns in die Integrationsarbeit ein, wir reden mit den Moscheevertretern. Die Frankfurter Polizei ist international aufgestellt, der Umgang mit Menschen aus fast 200 Nationen ist für uns Alltag.“
http://www.fr.de/frankfurt/polizei-skandal-in-frankfurt-unser-ansehen-wird-infrage-gestellt-a-1641676
Wünschenswert wäre, wenn es so etwas wie regelmäßige (unabhängige) Supervision für alle Polizistinnen und Polizisten geben würde, damit diese in einem vertrauensvollen Gesprächsrahmen offen über eigene Bedürfnisse u. Probleme sprechen können.