Flüchtlingsbürgen
Jobcenter zieht 45.000-Euro-Kostenbescheid zurück
Eine Bonnerin verbürgte sich für den Lebensunterhalt einer syrischen Familie, obwohl ihr Gehalt die Kosten nicht deckt. Das Jobcenter forderte von ihr 45.000 Euro. Das Verwaltungsgericht Köln entschied jetzt: Das Jobcenter hätte die Leistungsfähigkeit der Bürgin prüfen müssen.
Donnerstag, 13.12.2018, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.12.2018, 20:22 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Erneut ist ein Verfahren über Bürgschaften für Flüchtlinge zugunsten einer Bürgin ausgegangen. Eine Frau aus Bonn muss keine Sozialleistungen an das Jobcenter zurückzahlen, wie eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Köln dem „Evangelischen Pressedienst“ am Mittwoch sagte. Bei der Verhandlung habe das Jobcenter Bonn am Dienstag von sich aus den Kostenbescheid in Höhe von 45.000 Euro aufgehoben, sagte die Sprecherin. Zuvor habe das Gericht den deutlichen Hinweis gegeben, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin bei Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht hinreichend geprüft wurde. (Az.: 5 K 2325/18)
Die Klägerin hatte sich nach Angaben einer Bonner Initiative von Flüchtlingsbürgen verpflichtet, für den Lebensunterhalt einer fünfköpfigen Familie aus Syrien aufzukommen. Von ihrem Einkommen her hätte die Bonnerin allenfalls die Kosten für eine Person abdecken können, sagte Christian Osterhaus von der Flüchtlingshilfe Syrien der evangelischen Johanneskirchengemeinde Bad Godesberg. Das Gericht habe dem Jobcenter empfohlen, vor weiteren Zahlungsbescheiden genaue Einzelfallprüfungen vorzunehmen, sagte die Gerichts-Sprecherin.
20.000 Euro im zweiten Fall
In einer zweiten am Dienstag verhandelten Klage von Flüchtlingsbürgen wird das Urteil nach Angaben des Gerichts schriftlich zugestellt. Hier sei es um eine Rückforderung des Jobcenters von rund 20.000 Euro Sozialleistungen für zwei Syrer gegangen, erklärte die Pressesprecherin. Der Fall sei ähnlich gelagert wie zwei Verfahren, die das Gericht Ende September zugunsten der Flüchtlingsbürgen entschieden hatte, sagte Osterhaus.
Seit fast zwei Jahren verschicken Jobcenter und Sozialämter Rechnungen an Einzelpersonen, Initiativen und Kirchengemeinden, die 2014 und 2015 Verpflichtungserklärungen für den Lebensunterhalt syrischer Flüchtlinge unterschrieben hatten. Auf diese Weise konnten sich alleine in Nordrhein-Westfalen rund 2.600 Syrer vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat in Sicherheit bringen. Vergleichbare Aufnahmeprogramme hatten damals fast alle Bundesländer aufgelegt.
Geltungsdauer von Bürgschaften ungeklärt
Die Geltungsdauer solcher Bürgschaften war damals jedoch ungeklärt: Während Länder wie Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen von einer Befristung bis zur Anerkennung der Syrer als Flüchtlinge ausgingen, galt die Verpflichtung nach Ansicht der Bundesregierung auch danach fort. Erst das Integrationsgesetz bestimmte 2016 eine Fünf-Jahres-Frist, die für „Altfälle“ auf drei Jahre reduziert wurde.
Zahlreiche Betroffene ziehen gegen die Kostenbescheide der Behörden vor Gericht. Beim Verwaltungsgericht Köln sind nach eigenen Angaben alleine 100 Klagen aus Bonn anhängig. An den Verwaltungsgerichten in Niedersachsen laufen derzeit 482 solcher Verfahren, wie eine Umfrage des „Evangelischen Pressedienstes“ ergab. Zuletzt hatte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine baldige politische Lösung zugunsten der Flüchtlingsbürgen in Aussicht gestellt. Darüber verhandeln Bund und Länder seit mehr als einem Jahr. (epd/mig) Aktuell Recht
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