Chemnitz, Neonazis, Rechtsextremismus, Demonstration
Neonazis demonstrieren in Chemnitz

Kretschmer zu Chemnitz

„Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd“

Die Vorfälle in Chemnitz waren Thema im sächsischen Landtag. Ministerpräsident Kretschmer rief zum Einsatz für die Demokratie auf. Hetzjagden habe es in Chemnitz aber nicht gegeben, sagte er. Kanzlerin Merkel verurteilte "Hass und Verfolgung".

Donnerstag, 06.09.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.09.2018, 16:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die Chemnitz-Berichterstattung in Teilen kritisiert. Es verwundere, „dass diejenigen, die besonders weit weg waren, ein besonders pauschales und hartes Urteil über diese Stadt treffen“, sagte Kretschmer am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag in Dresden. Durch die Arbeit verantwortungsvoller Journalisten sei aber klargeworden: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab kein Pogrom in Chemnitz“, erklärte der Regierungschef. Oppositionspolitiker warfen ihm Opportunismus vor und sprachen von Realitätsverweigerung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte zu den Äußerungen Kretschmers, sie habe aus Chemnitz Bilder gesehen, „die sehr klar Hass und Verfolgung von unschuldigen Menschen deutlich gemacht haben“. Davon müsse man sich distanzieren. „Das tue ich“, sagte die Kanzlerin in Berlin. Merkel hatte die Ausschreitungen bereits vergangene Woche verurteilt und gesagt, Hetzjagden und Zusammenrottungen, wie sie in Videoaufnahmen zu sehen seien, hätten „mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun“.

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Die Plenarsitzung im sächsischen Landtag wurde mit einer Schweigeminute für den in Chemnitz erstochenen Deutsch-Kubaner Daniel H. eröffnet. Wegen der Tat sitzen zwei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak in Untersuchungshaft. Ein dritter irakischer Asylbewerber wird mit Haftbefehl gesucht. Das Tötungsdelikt vom 26. August hatte in Chemnitz mehrfach zum Teil gewaltsame rechtsgerichtete Demonstrationen und Gegenprotest mit jeweils Tausenden Teilnehmern ausgelöst.

Kretschmer kritisiert AfD

Kretschmer rief zum entschiedenen Einsatz gegen Rechtsextremismus auf: „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr für unsere Demokratie ist.“ Der Kampf gegen Extremisten müsse aus der Mitte der Gesellschaft heraus geführt werden: „Es geht um unsere Demokratie.“

Scharfe Kritik übte der Regierungschef an der AfD. Von der Partei verwendete Begriffe wie „Volksverräter“ sorgten für eine Radikalisierung der Gesellschaft. „Wer solche Begriffe verwendet, stellt sich außerhalb jeder Rechtsordnung“, sagte Kretschmer und fügte in Richtung der AfD-Fraktion hinzu: „Sie sind für die Spaltung in unserem Land zum großen Teil verantwortlich. Sie sind an den Dingen, die in Chemnitz sind, mitverantwortlich.“

Scharfe Kritik von der Opposition

Nach der Tötung von Daniel H. hatte es in Chemnitz vereinzelt Angriffe auf ausländisch aussehende Menschen gegeben. Bei den folgenden Demonstrationen, bei denen zum Teil gewaltbereite Rechtsextreme mitliefen, gab es wiederholt Attacken auf Polizisten und Journalisten.

Die Opposition im Landtag kritisierte Kretschmers Erklärung. Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt sagte, mit seiner Widersprüchlichkeit sei der Ministerpräsident ein typischer Vertreter der sächsischen Union. „Er ist nur dann aktiv und offensiv gegen Rassismus, wenn er damit meint, beim aktuellen Publikum punkten zu können“, sagte Gebhardt. Wolfram Günther (Grüne) sagte, Kretschmers „andauerndes Schönreden der Situation“ zeige „eine erhebliche Realitätsverweigerung“.

Göring-Eckardt: Unterwanderung der Polizei prüfen

Scharfe Kritik übte auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt am laschen Umgang der Sachsen-CDU mit Rechtsextremen. „Es muss dringend geprüft werden, ob es bereits eine Unterwanderung der Polizei gibt. In Sachsen würde die Regierung „seit Jahren schulterzuckend danebenstehen, wenn Rechtsextremismus sichtbar“ werde, sagte sie in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Dabei sei offensichtlich, „dass zumindest Teile der staatlichen Institutionen eher auf Seiten der Rechten stehen als auf Seiten des Rechtsstaats.“

Unterdessen warnte Kretschmer vor einer Überheblichkeit gegenüber Ostdeutschland. „Was hier passiert, kommt in drei, vier Jahren auch im Rest der Bundesrepublik an“, sagte der CDU-Politiker laut Vorabmeldung der Wochenzeitung „Die Zeit“. Auch im Landtag betonte der Regierungschef, dass der Osten „ein Seismograf“ dafür sei, „was in Deutschland gerade passiert und was auch in einigen Jahren in ganz Deutschland Thema und Stimmung sein wird“. (epd/mig) Leitartikel Politik

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