Alexander Häusler im Gespräch
Extremismusforscher sieht weiter Gefahr rechten Terrors
Der Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler beobachtet eine Zunahme rassistischer und rechtsextremer Gewalt. Menschen, die Hass gegenüber Flüchtlingen und Zuwanderern hegen, zeigten ihre Ansicht inzwischen auch durch ihr Wahlverhalten und auf der Straße, warnt der Forscher im Gespräch.
Von Patricia Averesch Mittwoch, 23.05.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 28.05.2018, 14:15 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Herr Häusler, wie hat sich die Situation in Deutschland seit dem 29. Mai 1993 verändert?
Alexander Häusler: Wir erleben seit dem Jahr 2014 ein Wiedererstarken flüchtlings- und einwanderungsfeindlicher Proteste und eine Zunahme von rassistischer und rechts motivierter Gewalt. Studien zeigen schon seit etlichen Jahren, dass in der Bevölkerung ein hohes rassistisches Potenzial herrscht. Doch die Menschen, die Hass gegenüber Einwanderern hegen, haben ihre Ansichten bislang nicht durch ihr Wahlverhalten und auf der Straße gezeigt – das hat sich unter anderem mit der AfD und den „Pegida“-Demonstrationen verändert.
Halten Sie es für wahrscheinlich, dass sich eine Gewaltwelle wie Anfang der 90er Jahre heute wiederholt?
Alexander Häusler: Die Gefahr des rechten Terrors ist seitdem nicht gebannt worden. In Deutschland hat es laut der Amadeu Antonio Stiftung seit 1990 insgesamt 193 Opfer rechter Gewalt gegeben. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich eine Tat wie die in Solingen wiederholt. Verhaftungen und Durchsuchungen rechtsextremer Gruppierungen, bei denen die Polizei Vorbereitungen für Terroranschläge vermutete, lassen so etwas sogar befürchten.
Zugleich hat die Polizei das Problem, dass sie mit den üblichen Vorbeugungsmethoden nicht mehr Herr über die Straftäter wird. Es sind nicht mehr nur die polizeilich bekannten Rechtsextremen, die gewaltsame Anschläge verüben, sondern auch bislang unauffällige Menschen. Die haben schon fremdenfeindliche Einstellungen und radikalisieren sich oft über rechte Internetblogs, in denen sie sich in ihren Ansichten bestätigt fühlen. Wenn diejenigen dann hören, dass bei ihnen in der unmittelbaren Umgebung eine Asylunterkunft eingerichtet wird, begehen sie eine Straftat – in der vermeintlichen Hoffnung, das deutsche Volk zu retten.
Die damalige Bundesregierung begrüßte die Asylsuchenden 2015 erst mit einer Willkommenspolitik. Ende 2017 vermied Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar das Wort „Obergrenze“, beschränkte die Zuwanderung aber auf 200.000 Menschen pro Jahr. Inwiefern hat die Wende den Rechtsextremismus in Deutschland beeinflusst?
Alexander Häusler: Angela Merkel hat mit ihrer Parole „Wir schaffen das“ hierzulande heftige Diskussionen ausgelöst. Wir können heute feststellen, dass es nicht nur Anfeindungen aus der AfD zu Merkels Position gab, sondern auch aus dem christdemokratischen Spektrum. Darüber ist die alte Debatte entfacht, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist. Ob wir es schön finden oder nicht: Die deutsche Gesellschaft ist multi-kulturell.
Für ein friedliches und gleichberechtigtes Miteinander müssten Voraussetzungen geschafft werden – sonst entsteht ein Klima der Abwertung und Distanz. Und eine Politik der Angst und Ausgrenzung bestärkt rechtsextreme Menschen in ihren Ansichten, so dass sie eher zu gewaltsamen Angriffen auf Ausländer – wie wir es vor 25 Jahren in Solingen erlebt haben – bereit sind.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern wie Polen und Ungarn erhalten rechtspopulistische Parteien großen Zulauf. Wo steht Deutschland im Vergleich zu den EU-Mitgliedsstaaten?
Alexander Häusler: Deutschland hat auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdiskussion vergleichsweise viele Menschen aufgenommen. Das haben andere EU-Länder in dem Ausmaß überhaupt nicht geleistet. Dennoch sind auch in fast allen Nachbarländern rechtsradikale, nationalistische und rechtspopulistische Parteien vertreten, die Hetze gegen Einwanderer und religiöse Minderheiten wie die Muslime zu ihren Schwerpunkten gemacht haben. Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag ist hierzulande eine rechtspopulistische Partei an politischen Entscheidungsstrukturen beteiligt. Das erfordert meiner Ansicht nach eine erhöhte Wachsamkeit gegenüber politischen Versuchen, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit gesellschaftsfähig zu machen. (epd/mig) Interview Leitartikel Panorama
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