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Kreuz (Symbolfoto) Charles Clegg @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

"Ausgrenzend und unchristlich"

Kreuz-Pflicht in Bayerns Behörden weiter in der Kritik

Die Kritik am bayerischen Kreuz-Pflicht für staatliche Behörden reißt nicht ab. FDP-Chef Lindner warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Söder die Entwürdigung des Kreuzes vor. Die Vizepräsidentin des Bundestages kritisiert die Instrumentalisierung der Religion. Auch die Mehrheit der Deutschen will kein Kreuz Pflicht.

Montag, 30.04.2018, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 03.05.2018, 16:08 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Kritik an der Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden reißt nicht ab. FDP-Chef Christian Lindner warf Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Wochenende eine Entwürdigung des Kreuzes vor. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) betonte, das Kreuz als christliches Symbol dürfe nicht Gegenstand staatlicher Verordnung werden. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kritisierte eine Ausgrenzung von Millionen von Muslimen, Atheisten und Juden. Auch Vertreter der evangelischen Kirche äußerten sich am Wochenende kritisch.

Lindner sagte der „Passauer Neuen Presse“, Feinde der Religion seien nicht die Kritiker von Söder, Feind der Religion sei Söder selbst. Denn er habe das Kreuz zu einem Symbol der Kultur und der Staates hierzulande erklärt, habe es damit profanisiert und von seiner christlichen Bedeutung getrennt. Zuvor hatte CSU-Generalsekretär Markus Blume die Kritiker der bayerischen Kabinettsentscheidung, dass in allen bayerischen Behörden Kreuze hängen sollen, als Religionsfeinde bezeichnet.

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Der FDP-Vorsitzende kritisierte, dass der bayerische Ministerpräsident sich mit seiner „populistischen Symbol-Wahlkampfaktion zwischen alle Stühle gesetzt“ habe. „Gläubige Christen muss es empören, dass er aus ihrem Symbol ein Symbol des Staates macht“, sagte er. Die säkularen, liberalen Bürgerinnen und Bürger, die Religion für ein persönliches Bekenntnis, aber nicht für eine Sache der Politik hielten, dürften „entsetzt sein über dieses Manöver im Vorwahlkampf zur Bayern-Wahl“.

Roth: Söder instrumentalisiert Religion

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Roth, sagte, Söder instrumentalisiere nicht nur eine Religion, sondern grenze auch Millionen Muslime, Atheisten und Juden aus. Er mache „einen riesengroßen Fehler, wenn er glaubt, dass die Rückgewinnung der absoluten Mehrheit jedes Mittel heiligt“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Der Ministerpräsident missbrauche das Kreuz für seinen Wahlkampf und vermische bewusst Religion und Politik. „Das finde ich in hohem Maße unchristlich, unanständig sowieso“, sagte Roth.

Der Katholik Thierse kritisierte ebenfalls den bayerischen Kabinettsbeschluss. Das Kreuz sei das zentrale Symbol christlichen Glaubens und dürfe nicht Gegenstand staatlicher Verordnung werden, sagte Thierse, der auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört. Er verstehe zwar, dass Markus Söder das Kreuz als Zeichen der Identität sehen wolle, sagte im RBB-Inforadio. Dies rechtfertige jedoch nicht, es in den Zusammenhang eines Wahlkampfes zu rücken: Der Staat sei „weltanschaulich religiös neutral, dass heißt er ist offen für alle Bekenntnisse“.

Käßmann kritisiert Söder

Die Reformationsbotschafterin der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sagte am Sonntag bei einer Veranstaltung in Heidelberg: Ein „Irrsinn mag dieses Kreuz den Menschen sein, aber es ist eben gerade kein Zeichen von Macht, Herrschaft und Durchsetzungsvermögen“. Vielmehr sei das Kreuz ein Zeichen von „Ohnmacht, Leid und dem Schrei nach Barmherzigkeit“, sagte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. „Das müsste auch der evangelische Christ Markus Söder wissen.“

Auch der frühere Präses der westfälischen Landeskirche, Alfred Buß, äußerte sich skeptisch. Das Kreuz Kreuz symbolisiere das schiere Gegenteil von „Gesten der Dominanz und des ‚Mia san mia'“, sagte der evangelische Theologe im „Wort zum Sonntag“ am Samstagabend im Ersten. Im Zeichen des Kreuzes gelte es, „Frieden zu stiften unter Widersachern, zu trösten, die da Leid tragen, und satt zu machen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit“.

Mehrheit lehnt Kreuz-Pflicht ab

Einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der „Bild am Sonntag“ zufolge will die Mehrheit der Deutschen offenbar keine Kreuz-Pflicht für Behörden. Demnach wollen 64 Prozent der Befragten nicht, dass in jeder staatlichen Behörde in Deutschland ein christliches Kreuz aufgehängt wird. Dafür sprachen sich 29 Prozent aus; sieben Prozent waren sich unsicher oder machten keine Angabe, wie die Zeitung berichtete.

Auch unter Katholiken überwiegt der Umfrage zufolge mit 48 Prozent die Ablehnung einer Kreuz-Pflicht. Jedoch würden 38 Prozent der katholischen Befragten das Anbringen von Kreuzen in Behörden befürworten, hieß es. Unter Protestanten wandten sich 62 Prozent dagegen und 34 Prozent dafür. Befragte anderer Konfessionen und Konfessionslose lehnten eine solche Maßnahme mit einer deutlichen Mehrheit von 87 Prozent ab, nur zwölf Prozent stimmten zu. Für die Umfrage am 26. April haben die Emnid-Meinungsforscher insgesamt 500 repräsentativ ausgewählte Personen befragt. Die Frage lautete: Sollte in jeder staatlichen Behörde in Deutschland ein christliches Kreuz hängen?

Die bayerische Staatsregierung hatte in ihrer Kabinettssitzung am vergangenen Dienstag die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats geändert. Demnach muss ab 1. Juni Im Eingangsbereich aller staatlichen Dienstgebäude als Ausdruck der „geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns“ deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung angebracht werden. Diese Anordnung hat in den vergangenen Tagen bereits für teils scharfe Kritik von Juristen, Parteien und Kirchenvertretern gesorgt. Aktuell Politik

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