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Antisemitismus © MiG

Vater von Mobbingopfer

Es geht nicht um Antisemitismus

Der Fall von religiösem Mobbing an einer Berliner Grundschule hat eine bundesweite Debatte ausgelöst. Die Polizei fordert ein Register. Der Vater des betroffenen Mädchens sagt, es gehe nicht um Antisemitismus.

Mittwoch, 28.03.2018, 6:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.04.2018, 17:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach Bekanntwerden eines mutmaßlichen Falls von religiösem Mobbing an einer Berliner Grundschule hat sich der Vater des betroffenen Mädchens zu Wort gemeldet. Es gehe bei dem Vorfall nicht um Antisemitismus, sagte der 41-Jährige dem Evangelischen Pressedienst am Dienstag in Berlin. „Es geht darum, dass Kinder aus muslimischen Elternhäusern andere Kinder verfolgen oder mobben, nur weil sie nicht an Allah glauben.“ Dabei sei völlig egal, ob es sich um Christen, Atheisten, Juden oder andere handele. Aber auch innerhalb der muslimischen Schülerschaft würden Kinder ausgegrenzt, weil sie beispielweise „in die falsche Koranschule gehen“.

Die Tochter des 41-Jährigen wurde nach seinen Angaben an der Paul-Simmel-Grundschule in Berlin-Tempelhof in den vergangenen Jahren mehrfach von muslimischen Schülern angepöbelt, weil sie nicht an Allah glaubt. Auch mit dem Tode sei ihr deswegen von muslimischen Mitschülern gedroht worden. Der Vater betont, dass die Mitschüler bei den ersten Beschimpfungen und Drohungen noch gar nichts davon gewusst hätten, dass ein Elternteil des Mädchens jüdischer Herkunft sei. Das spiele im Leben der Familie aber auch keine Rolle, weil sie nicht religiös seien. „Meine Tochter ist eine Deutsche und isst Schweinefleisch. Aber in erster Linie ist sie ein guter Mensch“, so der Vater.

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Schuster sieht Bringschuld

Politik, Bildungsverwaltung und Schulleitung wirft der Mann vor, gegen dieses Klima der Ausgrenzung nichts zu unternehmen und die Vorfälle zu relativieren. Die Familie habe deshalb keine andere Möglichkeit gesehen, als sich an die Medien wenden.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin von einer „Bringschuld seitens der muslimischen Verbände“. Sie müssten ganz konkret darauf achten, was von einigen Imamen innerhalb der Moscheen gepredigt werde. Polizei und Politiker forderten zudem die Einrichtung eines bundesweiten Registers für Vorfälle dieser Art.

Mazyek bietet Imame an

Mit Blick auf die Inhalte islamischer Predigten sagte Schuster: „Hier ist, glaube ich einiges im Argen.“ Er äußerte sich besorgt über eine wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle besonders in Großstädten. Zwischen jüdischen und muslimischen Verbänden gebe es zwar eine Zusammenarbeit, aber was die Frage des Antisemitismus angeht, gebe es bislang wenig gemeinsame Projekte, sagte der Zentralrats-Präsident weiter.

Als Reaktion darauf bot der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an, dass zehn Imame „vorzugsweise mit Rabbinern in die Klassen gehen und für Dialog, Aufklärung und gegenseitige Achtung aus ihren religiösen Selbstverständnis werben“. Weiter erklärte er: „Ich würde mich freuen, wenn die jüdischen Gemeinden mitmachen.“ Zusätzlich stelle der Zentralrat der Muslime junge Peertrainer und -trainerinnen für religiöse und weltanschauliche Vielfalt und Verständigung zu Verfügung, sagte Mazyek.

Polizeigewerkschaft für bundesweite Statistik

Schuster unterstützte angesichts einer Zunahme von Antisemitismus und religiösem Mobbing in Schulen den Vorschlag, eine bundesweite Statistik für Vorfälle dieser Art einzurichten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangte in dem Boulevardblatt „Bild“ ein „Bundeslagebild zur Gewalt an Schulen“. Der baden-württembergische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Michael Blume, sprach sich ebenfalls für eine bundesweite Statistik zur Erfassung von Gewaltvorfällen an Schulen aus. Eine Statistik helfe zu sehen, „wo man nachsteuern muss“, sagte Blume.

Der Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Harbarth, sagte, wer jüdisches Leben in Deutschland ablehne, sei nicht Teil unserer Gemeinschaft. Antisemitismus sei nicht integrierbar. „Wir können das Problem an den Schulen aber nicht allein den Lehrerinnen und Lehrern aufbürden. Die Länder müssen mit allen Mitteln der Konzentration von Migranten an bestimmten Schulen entgegenarbeiten.“ Dafür gebe es unter anderem das Mittel der Wohnsitzauflage. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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  1. Songül sagt:

    Ein gut informierter differenzierter Vater, der das Problem erkannt hat. Nicht nur Andersgläubige, auch Muslime sind betroffen:

    Mein 7jähriger Neffe kam eines Tages nach der Schule nach Hause und fragte seine Mutter, was denn die „Höle“ sei?
    Diese war angesichts seiner Frage etwas verdutzt und erklärte ihm, dass er doch wisse, was eine „Höhle“ sei. Daraufhin erklärte er meiner Schwester, dass er nicht diese „Höhle“ meine. Mitschüler hätten ihn beim Naschen von gelatinehaltigen Gummibärchen gewarnt, er würde in die „Höle“ kommen …!

    Dieses unfassbar befremdliche Beispiel war leider kein Einzelfall. Zum Beispiel sind auch Kinder, die im Ramadan nicht fasteten, im Visier …

    Den Vorstoß von Aiman Mazyek finde ich insofern besonders klug, da LehrerInnen alleine dieses Problem nicht lösen können und die Ursache sicherlich nicht nur bei „Hasspredigern“, sondern oftmals auch im Elternhaus liegt …

  2. karakal sagt:

    Hier wird wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen:
    Der Faktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfaktion, Stephan Harbarth, sagte, wer jüdisches Leben in Deutschland ablehne, sei nicht Teil unserer Gemeinschaft. „Antisemitismus“ (richtiger: Judenfeindlichkeit) sei nicht integrierbar.
    Für manche führenden Politiker der CDU/CSU-Faktion scheint jedoch die Ablehnung muslimischen Lebens in Deutschland Teil ihrer Gemeinschaft und Islamophobie durchaus integrierbar zu sein.