"Unmenschlich"

EU hält trotz UN-Kritik an Flüchtlingspolitik in Libyen fest

Trotz massiver Kritik hält die EU an ihrer Flüchtlingspolitik und der Zusammenarbeit mit Libyen fest und weist Verantwortung für Zustände in libyschen Flüchtlingslagern von sich. Das UN-Hochkommissariat bezeichnet die EU-Politik als "unmenschlich". Von Phillipp Saure

Von Phillipp Saure Donnerstag, 16.11.2017, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.11.2017, 13:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die EU-Kommission hat in einer großangelegten Zwischenbilanz der europäischen Flüchtlingspolitik wichtige Fortschritte festgestellt und zugleich die Mitgliedsstaaten zur Aufnahme von besonders Schutzbedürftigen aufgefordert. Migration sei nach wie vor das Hauptanliegen der Bürger, „und es sollte auch unsere oberste Priorität bleiben“, erklärte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans am Mittwoch in Brüssel. Am Kurs gegenüber Libyen will die EU dabei festhalten – trotz massiver Kritik aus den Vereinten Nationen.

Die EU habe mitgeholfen, über 14.000 Menschen in libyschen Haftzentren medizinisch zu behandeln, unterstrich die EU-Kommission. Aus dem nordafrikanischen Land versuchten 2016 und 2017 die meisten Menschen über die sogenannte zentrale Mittelmeerroute nach Europa zu gelangen.

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UN-Hochkommissariat: EU-Politik unmenschlich

Die Zustände in den berüchtigten Haftzentren Libyens, in denen Migranten festgehalten und misshandelt werden, will die EU nach eigenen Angaben verbessern und arbeitet dabei unter anderem mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk zusammen. Zugleich unterstützt die EU Libyens Küstenwache, die Migranten auf See aufgreift und ans Land zurückbringt, wo sie in den Lagern landen können. An dieser Maßnahme will die Union nach den Worten einer Sprecherin vom Mittwoch auch weiterhin festhalten. Die Küstenwache werde von der EU ausgebildet, um Schiffbrüchige zu retten und die Menschenrechte zu beachten, sagte sie.

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hatte „die Politik der Europäischen Union, der libyschen Küstenwache beim Abfangen und Zurückbringen von Migranten zu helfen“, am Dienstag in Genf als „unmenschlich“ kritisiert. Das Hochkommissariat zitierte Schilderungen von Migranten aus Lagern der Regierung. Darin war von Hunger, Schlägen, Elektroschocks und Vergewaltigungen die Rede. Die Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten habe die Misshandlung von Migranten nicht verringern können, erklärte das UN-Hochkommissariat: „Unsere Beobachtung zeigt vielmehr eine rasche Verschlimmerung ihrer Lage in Libyen.“

EU will Abkommen mit Nigeria und Tunesien

Ein weiterer Teil der EU-Migrationspolitik soll darin bestehen, besonders schutzbedürftige Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten direkt, sicher und legal nach Europa zu bringen. Für solche Neuansiedlungen hatte die EU-Kommission im September von den Mitgliedstaaten gefordert, mindestens 50.000 Plätze zur Verfügung zu stellen. Bislang haben die Hauptstädte rund 34.400 Plätze zugesagt.

Als vielversprechend sieht die EU-Kommission die Kooperation mit Ländern wie Niger an, wo man die Behörden bei der Festnahme von Menschenschleppern unterstützt; Niger ist ein Transitland südlich von Libyen. Mit Ländern wie Nigeria und Tunesien will man zudem schnell Abkommen schließen, damit sie abgeschobene Menschen aus Europa wieder aufnehmen.

Weniger Umverteilung von Flüchtlingen

Was die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas angeht, hatten die EU-Minister vor gut zwei Jahren beschlossen, bis zu 160.000 Menschen besonders aus Griechenland und Italien in anderen EU-Ländern unterzubringen. In der Zwischenzeit hat die Kommission die Zielmarke heruntergesetzt, unter anderem, weil nicht genug Flüchtlinge in den zwei Ländern für die Umverteilung infrage kämen. Am Mittwoch erklärte sie, das Programm stehe vor seinem „erfolgreichen Abschluss“, nachdem über 31.500 Personen umverteilt worden seien.

An den bereits eingeleiteten EU-Verfahren gegen Tschechien, Polen und Ungarn, die im Rahmen des Programms keine oder kaum Menschen aufnahmen, hält Brüssel dabei fest. Kritik an Griechenland übte die Kommission, weil das Land nicht schnell genug Menschen in die Türkei abschiebe, wie dies nach dem EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 geplant war. (edp/mig) Leitartikel Politik

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