UN, Vereinte Nationen, United Nations, New York
Gebäude der Vereinten Nationen in New York © Muhammad Ghouri @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

UN-Generaldebatte

Einsparpläne der USA gefährden UN-Flüchtlingshilfe

Die Liste der Krisen, über die Staats- und Regierungschefs ab diesem Dienstag bei der UN-Generalversammlung beraten müssen, ist lang. Viel wird davon abhängen, wie sich US-Präsident Trump verhält: Seine Rede zum Auftakt wird mit Spannung erwartet. Sparpläne seiner Regierung gefährden die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen.

Von Marc Engelhardt Dienstag, 19.09.2017, 4:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.09.2017, 17:24 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Fokus auf die Menschheit“: Unter dieser Überschrift treffen ab Dienstag in New York Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zusammen. Um ein würdiges Leben für alle, Nachhaltigkeit und Frieden in der Welt soll sich die jährliche Aussprache im UN-Hauptquartier am East River drehen. Doch tatsächlich stehen Kriege und Krisen im Mittelpunkt. Unmittelbar vor dem Treffen verurteilte UN-Generalsekretär António Guterres ethnische Säuberungen in Myanmar, warnte vor einer militärischen Eskalation in Nordkorea und beklagte immer mehr Vertriebene in Zentralafrika. Unter anderem.

Genügend Themen also, deren Lösung zumindest am Rand der Generaldebatte dringend angegangen werden müsste. Im Mittelpunkt des Interesses steht insofern wieder einmal US-Präsident Trump. Seine erste Rede vor den Vereinten Nationen wird am Dienstag mit Spannung erwartet. „Ich bin fest davon überzeugt, dass ein Engagement in internationalen Organisationen wie den UN der beste Weg ist, amerikanische Interessen zu wahren“, sagte Guterres vorab. Zugleich kündigte er an, in seiner Auftaktrede selbst klare Worte zu wählen.

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Trump jedenfalls hat bisher kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um die UN ging. „Wann haben die UN jemals ein Problem gelöst? Im Gegenteil, sie schaffen Probleme“, sagte er noch im Wahlkampf. Damals nannte ihn der UN-Hochkommissar für Menschenrechte eine „Gefahr für die Weltgemeinschaft“, wenn er seine Ankündigungen aus dem Wahlkampf umsetzen würde. Trumps UN-Botschafterin Nikki Haley trat mit der Ankündigung vor den Sicherheitsrat, Ziel der US-Regierung sei es, Nutzen aus den UN zu ziehen. Inzwischen gibt sich Haley diplomatischer und schließt – wie zuletzt bei den Sanktionen gegen Nord-Korea – auch Kompromisse.

Treffen hinter verschlossenen Türen

UN-Generaldebatte: Einmal im Jahr werden in New York die roten Teppiche ausgerollt: In der zweiten Woche der UN-Generalversammlung, der alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen angehören, reisen Staats- und Regierungschefs zur Generaldebatte am UN-Hauptsitz. Dort hält jeder und jede von ihnen eine Rede zur Lage in der Welt, Dauer: 15 Minuten – theoretisch. Kubas Staatschef Fidel Castro redete einmal knapp viereinhalb Stunden, bis heute Rekord. Die meisten Schlagzeilen machte vielleicht der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Kruschtschow, als er 1960 aus Protest mit seinem Schuh auf das Rednerpult einhieb. Solche Auftritte sind selten, im Mittelpunkt steht die Diplomatie. Obwohl sich Staatsoberhäupter heute häufiger sehen als in den ersten Jahrzehnten der Generaldebatte, bieten Treffen auf dem neutralen Boden der UN-Zentrale und am Rande des offiziellen Programms die Chance, Kompromisse auszuhandeln, die die Kompetenz der UN-Botschafter am Ort überschreiten würde. Die öffentlichen Auftritte gelten zudem als Gradmesser für den vergangenen und künftigen Kurs der UN.

Wie erfolgreich diese Strategie ist, wird sich schon vor Trumps Rede abzeichnen. Bereits am Montag laden die USA zu einem Treffen hinter verschlossenen Türen ein, bei dem UN-Reformen besprochen werden sollen. Trump will dort die Vorstellungen der USA präsentieren, die bisher vor allem drastische Einsparungen bei den Mitgliedsbeiträgen verlangt haben. Die USA tragen 22 Prozent zum Kernbudget der UN bei, bei den Friedensmissionen sind es 29 Prozent. Zusammen mit freiwilligen Beiträgen waren das zuletzt 8,8 Milliarden US-Dollar jährlich.

Sollten der US-Sparplan umgesetzt werden, steht die Existenz der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen in Gefahr. Davor hat der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, am Sonntag (Ortszeit) in New York gewarnt. Ohne Geld aus den USA sei das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) nicht mehr arbeitsfähig, sagte er.

Auch Guterres hat bereits Kürzungen angekündigt, obwohl die UN derzeit an so vielen Fronten kämpfen wie seit ihrer Gründung vor 72 Jahren nicht. Für die grundlegenden Strukturen für Frieden, Sicherheit und Entwicklung innerhalb der Weltorganisation legt Guterres in New York einen Reformplan vor, der selbst von Skeptikern als Kraftakt gelobt wird. Beim traditionellen Treffen der UN-Botschafter mit dem UN-Generalsekretär auf Long Island soll Guterres kürzlich einen überzeugenden Ad-Hoc-Vortrag von sieben Stunden zum Thema gehalten haben – ohne Notizen.

Bundeskanzlerin Merkel hat abgesagt

Außer Trump haben sich auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanadas Premier Justin Trudeau und Israels Präsident Benjamin Netanjahu angekündigt. Der 72. Generalversammlung steht als Vize erstmals auch ein Israeli vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat – wenige Tage vor der Bundestagswahl – abgesagt. Auch Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin lassen sich vertreten. Dass Myanmars De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi nicht nach New York kommt, hat ihr heftige Kritik eingetragen. Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hingegen ist noch nie bei den UN aufgetreten.

Trotz mancher Absagen hofft Guterres, dass die Generaldebatte zu einer globalen Annäherung beitragen wird. Ausdrücklich am Herzen liegt ihm die Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Russland. „Wenn diese Beziehungen schlecht sind, leidet die gesamte internationale Gemeinschaft“, erklärte er, unter anderem mit Blick auf den anhaltenden Krieg in Syrien. Um Konflikte künftig im Vorfeld zu entschärfen, will Guterres in New York ein Gremium aus 18 hochrangigen Vermittlern vorstellen. Als erstes sollen sie versuchen, mit den verfeindeten Lagern in Libyen zu sprechen. (epd/mig) Aktuell Ausland

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