Gegen das Vergessen
Fremdenfeindliche Gewalt in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren
Das "Sonnenblumenhaus" in Rostock-Lichtenhagen wurde 1992 weltweit zum Symbol für schwere rassistische Ausschreitungen. 25 Jahre später wird vom 22. bis 26. August mit einer Gedenkwoche und fünf Kunstobjekten an die Ereignisse erinnert. Von Anne-Dorle Hoffgaard
Von Anne-Dorle Hoffgaard Freitag, 18.08.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 23.08.2017, 16:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bilder gingen vor 25 Jahren um die Welt: Am 24. August 1992 belagerten Hunderte Jugendliche und Erwachsene das „Sonnenblumenhaus“ im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen. Aus der Menge heraus wurden Steine und Brandsätze geworfen. Etwa 150 Menschen konnten sich nur durch Flucht auf das Dach des Hauses vor dem Feuer retten, darunter 120 Vietnamesen, ein ZDF-Team und einige Rostocker. Dies war der traurige Höhepunkt der vom 22. bis 26. August 1992 andauernden ausländerfeindlichen und rassistischen Krawalle vor der Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber im „Sonnenblumenhaus“ und dem benachbarten Wohnheim für Vietnamesen.
Die Rostocker Bürgerschaft entschuldigte sich vor fünf Jahren, zum 20. Jahrestag der Ausschreitungen, in einer Erklärung bei den Opfern. Rund 150 Menschen hätten damals um ihr Leben fürchten müssen, während Rechtsextremisten aus ganz Deutschland, aber auch Tausende Rostocker Beifall klatschten, hieß es darin. Die in der Verantwortung stehenden Behörden von Bund, Land und Kommune hätten versagt. Die Ereignisse dürften weder verdrängt, noch beschönigt oder vergessen werden. Die Aufarbeitung sei ein immerwährender Auftrag.
Fünf Stelen gegen das Vergessen
Einen weiteren Schritt des Gedenkens will Rostock in diesem Jahr vom 22. bis 26. August mit einer Gedenkwoche gehen. In diesen Tagen sollen fünf Stelen aus Marmor in verschiedenen Stadtteilen eingeweiht werden, die die Künstlergruppe „Schaum“ zum Thema „Gestern Heute Morgen“ gestaltet hat. Diese Künstlergruppe besteht aus Alexandra Lotz und Tim Kellner.
Die fünf Kunstobjekte tragen die Titel „Politik“, „Medien“, „Gesellschaft“, „Staatsgewalt“ und „Selbstjustiz“. Aufstellt werden sie vor dem Rathaus, dem Verlagsgebäude der „Ostsee-Zeitung“, am ehemaligen Standort des „JugendAlternativZentrums“, an der Polizeiinspektion und beim „Sonnenblumenhaus“. Damit will die Stadt das Konzept des dezentralen Erinnerns und Mahnens „Lichtenhagen 1992“ umsetzen.
Pogrom richtete sich auch gegen Sinti und Roma
Begleitend werden an den verschiedenen Erinnerungsorten dokumentarische Songtexte live aufgeführt. Diese „Gesangsstücke“ haben Künstler Stefan Krüskemper, Oscar Ardila und Michaela Nasoetion gemeinsam mit Rostocker Einwohnern entwickelt. Sie sollen, so die Stadtverwaltung, ein lebendiges Gedenken sein.
Zum Auftakt der Gedenkwoche gibt es am Dienstag um 17 Uhr eine Veranstaltung in der Marienkirche, der evangelischen Hauptkirche Rostocks. Dazu wird auch der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erwartet. Die Krawalle von Rostock-Lichtenhagen 1992 hatten sich auch gegen Sinti und Roma gerichtet.
Ein allgemeiner Rassismus hat sich breit gemacht
Politikwissenschaftler und Studenten der Universität Rostock hatten vor fünf Jahren in einer Publikation auf die besondere Rolle der Sinti und Roma hingewiesen. „Der Antiziganismus der Bevölkerung hat das Pogrom entfacht“, hieß es – auch mit Blick auf Medienberichte. Im Verlauf der Ausschreitungen habe sich dann ein allgemeiner Rassismus breit gemacht, wie der Angriff auf die Unterkunft vietnamesischer Vertragsarbeiter zeige.
Die Politikwissenschaftler hatten damals auch einen dauerhaften Ort des Erinnerns und Gedenkens an die Ereignisse von Lichtenhagen gefordert. Erste Schritte dazu waren im August 2012 unternommen worden. Doch die Friedenseiche, die als Erinnerungszeichen beim „Sonnenblumenhaus“ gepflanzt worden war, war noch im selben Monat von unbekannten Tätern abgesägt worden. Auch die Gedenktafel am Rathaus wurde nur wenige Monate später, im Dezember 2012, von Unbekannten abgeschraubt. Die Tafel wurde ersetzt, der Baum jedoch nicht. Die Gefahr, dass er erneut abgesägt wird, erschien der Stadt zu groß. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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