Mittelmeer
Flüchtlingsretter verweigern Italiens Verhaltenskodex
Hilfsorganisationen im Mittelmeer verweigern die Unterzeichnung des italienischen Verhaltenskodex. Er schränke die Hilfskapazitäten ein und sei nicht nötig. Die Organisationen hielten ohnehin alle relevanten internationalen Gesetze sowie das Seerecht ein.
Mittwoch, 02.08.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 06.08.2017, 12:36 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mehrere nichtstaatliche Hilfsorganisationen haben die Unterschrift unter den umstrittenen Verhaltenskodex der italienischen Regierung für Flüchtlingsretter im Mittelmeer verweigert. „Ärzte ohne Grenzen“ erklärte am Dienstag zur Begründung, ebenso wie in Krankenhäusern akzeptiere man auf den Schiffen grundsätzlich keine bewaffneten Polizisten. Italien droht den privaten Rettern mit der Sperrung seiner Häfen, wenn sie den Kodex nicht befolgen.
Florian Westphal, deutscher Geschäftsführer von „Ärzte ohne Grenzen„, kündigte an: „Wir werden weiter Such- und Rettungseinsätze unter der Koordination der Leitstelle für Seenotrettung in Rom (MRCC) und in Übereinstimmung mit allen relevanten internationalen Gesetzen sowie dem Seerecht durchführen.“ Der Verhaltenskodex schränke dagegen die ohnehin zu kleinen Hilfskapazitäten weiter ein.
Die deutsche Initiative „Jugend rettet“ betonte laut italienischen Medien, der Verhaltenskodex könne nur dann unterzeichnet werden, wenn dies die Effizienz der eigenen Tätigkeit und die Sicherheit der freiwilligen Helfer erhöhe. Derzeit sei dies nicht der Fall.
Mehrheit verweigert Unterzeichnung
„Ärzte ohne Grenzen“ erklärte auch das im Kodex enthaltene Verbot, Gerettete auf andere Schiffe etwa der Küstenwache zu transferieren, für inakzeptabel, da es Einsätze für schiffbrüchige Flüchtlinge behindere. Zugleich bekräftigte die Organisation, die von Italien geforderte finanzielle Transparenz sei längst der Fall.
Sechs von neun im südlichen Mittelmeer aktive Hilfsorganisationen blieben der im römischen Innenministerium einberufenen Unterzeichnung der Verhaltensregeln fern. Vertreter von „Save the Children“ unterzeichneten den Kodex als einzige Nichtregierungsorganisation (NGO). Zwei weitere, Moas und Proactiva Open Arms, stellten ihre Zustimmung in Aussicht.
Hilfsorganisationen fühlen sich kriminalisiert
Die Hilfsorganisationen fühlen sich durch den Verhaltenskodex kriminalisiert. Sie üben scharfe Kritik an dem Regelkatalog, der zu mehr Todesfällen im Mittelmeer führen werde. Der Kodex verbietet unter anderem auch das Abschalten von Transpondern, um die Ortung zu erschweren. Zugleich wird eine Zusammenarbeit mit Schleppern untersagt. Diese Vorgaben werden nach Angaben der Initiativen längst eingehalten.
Bislang gelangten in diesem Jahr rund 115.000 Bootsflüchtlinge nach Europa, darunter 95.000 über italienische Häfen. Nach Zahlen der Internationalen Organisation für Migration kamen dabei fast als 2.400 Menschen ums Leben oder werden vermisst. Derzeit werden die meisten Flüchtlinge von NGOs gerettet, nach Schätzung von „Ärzte ohne Grenzen“ nur etwa zwölf Prozent von Schiffen der EU-Grenzschutzmission Frontex. (epd/mig) Aktuell Panorama
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