Der Hass bleibt im Netz

Ein Jahr nach den Versprechen von Facebook tut sich noch zu wenig

Fake News, Social Bots, Hackerangriffe: Die Stimmungsmache im Internet wird zur Herausforderung für die Politik. Die hat konkrete Schritte bislang nur gegen den Hass im Netz versucht. Die Bilanz fällt gemischt aus.

Von Corinna Buschow Mittwoch, 14.12.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 19.12.2016, 16:50 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Ihr Kirchentrolle habt doch den letzten Schuss nicht gehört“, schreibt ein Frank von Kamp in den Kommentaren zu einem Facebook-Post der Diakonie. Er schimpft auf „abscheulich dumme Politiker“ und wirft der Kirche „Hoch- und Landesverrat“ vor. Anlass war eine Aktion im Oktober 2015, bei der die Diakonie für den guten Zweck Armbänder mit der Aufschrift „Refugees welcome“ verkaufte. Nie zuvor hat Stephan Röger, zuständig für die Internetaktivitäten des evangelischen Wohlfahrtverbandes, so viel Argwohn, Häme und Hass auf der Facebook-Seite der Diakonie erlebt.

Die schlimmsten Beleidigungen und Drohungen hat er gelöscht. Röger wacht seitdem mit Facebook auf und checkt zuletzt vorm Schlafengehen die letzten Kommentare. Denn der Hass im Netz hört nicht auf, auch wenn Politik und Internetunternehmen vor einem Jahr Verbesserungen versprochen haben.

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Bisheriges Ergebnis ernüchternd

Am 15. Dezember 2015 verständigten sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und die großen Internetunternehmen als Mitglieder einer Task Force darauf, Hassbotschaften im Netz binnen 24 Stunden zu löschen. Das bisherige Ergebnis ernüchterte Maas: Laut einem im September veröffentlichten Bericht, der von der Task Force in Auftrag gegeben wurde, löschte Facebook nur 46 Prozent der gemeldeten strafbaren Inhalte, Youtube rund zehn Prozent und Twitter nur eine von hundert Hassbotschaften. Das 24-Stunden-Versprechen wird demnach noch von keinem Unternehmen eingelöst.

Besser ist die Quote nur, wenn sich bekannte Akteure direkt ans Unternehmen wenden, wie der Test von jugendschutz.net ergab. Normale Nutzer werden mit ihren Meldungen offenbar weniger ernst genommen. Das geht selbst einer Staatsministerin so: „Dass Facebook eigenständig Inhalte löscht, passiert leider so gut wie nie“, sagt Aydan Özoğuz (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Auf ihrer Seite würden Verfasser von Hass-Kommentaren gesperrt, sie lasse aber „auch viel stehen, damit wahrgenommen wird, wie heute diffamiert wird“.

Özoğuz: Facebook wenig kooperativ

Im Laufe der vergangenen Jahre seien auch mehrere Beiträge ans Bundeskriminalamt gemeldet worden. „Leider ergibt sich daraus nie etwas. Facebook verhält sich offenbar gegenüber den Behörden nur wenig kooperativ“, sagt Özoğuz.

Auch Justizminister Maas und seine Ressortkollegen aus den Ländern verlieren langsam die Geduld mit Facebook, Twitter und Co. Bei der Justizministerkonferenz Mitte November sprachen sie sich für eine härtere Gangart aus. Maas forderten sie auf, gesetzliche Regelungen zu prüfen, um die Unternehmen zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden zu zwingen und ihre Aktivitäten gegen den Hass im Netz transparent zu machen.

Strafverfolgung schwierig

Was gesetzliche Regelungen am Ende bringen könnten, ist aber ungewiss. „Die Strafverfolgung gestaltet sich oft schwierig, insbesondere dann, wenn die Server im Ausland stehen“, sagt Martin Steltner, Sprecher der Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Er sieht aber auch Probleme bei der Herausgabe der Daten mutmaßlicher Täter durch die Internetkonzerne. „Manche Taten wie Volksverhetzung sind in den USA nicht strafbar. Dann gibt es auch keine Chance, an die Daten zu kommen“, sagt er.

Bei der Amadeu Antonio Stiftung – als Mitglied der Task Force gegen Hass im Netz selbst im Fokus von Hetze und Bedrohungen – sieht man die Forderung nach strengeren Gesetzen jedenfalls skeptisch. Es wäre sinnvoller, für Strukturen zu sorgen, die Strafverfolgung möglich machen, sagt deren Netzexperte Johannes Baldauf. „Es gibt beispielweise keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hate Speech“, sagt er. Am Ende sei es ohnehin ein gesellschaftliches Problem, dass sich durch Löschen nicht lösen lasse. „Wir dürfen nicht annehmen, dass es etwas bringt, nur bei Facebook und Youtube die Daumenschrauben anzulegen“, sagt Baldauf.

Nur gesamtgesellschaftlich lösbar

Auch Stephan Röger hält das Problem nur mit gesamtgesellschaftlicher Anstrengung für lösbar. Natürlich müsse sich Facebook, wenn es deutsche Gesetze nutze, auch an gesetzliche Verpflichtungen halten. Man müsse den Menschen aber auch Grenzen aufzeigen. Röger versucht gegen böswillige Hetze zu argumentieren und auch andere dazu zu motivieren. Mit Erfolg, resümiert er: Immer mehr Facebook-Nutzer, die das Engagement der Diakonie für Flüchtlinge und andere unterstützen, melden sich inzwischen zu Wort und mischen sich ein. „Quakt nicht, packt an“, schrieb kürzlich eine Nutzerin zum Tag des Ehrenamts. Neben vielen missgünstigen Kommentaren war es immer noch ein seltenes Posting, aber immerhin vier andere gaben ihm den berühmten „Daumen hoch“. (epd/mig) Leitartikel Politik

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