Fachtagung

Noch viele Fragen bei muslimischer Seelsorge

Es ist keine Frage des ob, sondern des wie: muslimische Seelsorge muss es geben. Darüber waren sich die Teilnehmer auf einer Tagung der Deutschen Islamkonferenz einig. Der Weg dahin scheint aber noch lang zu sein - inhaltlich, theologisch, finanziell.

Von Corinna Buschow Dienstag, 08.11.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.12.2016, 9:26 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Für Kai Abraham ist die Frage nicht mehr ob, sondern wie: Der Referent der Berliner Senatsverwaltung für Justiz ist überzeugt, dass es in Gefängnissen eine religiöse Betreuung von Muslimen geben muss. 30 Prozent der Gefangenen in der Hauptstadt sind nach Schätzungen seiner Behörde Muslime. Auch jenseits der Gefängnisse gibt es Bedarf: Rund 1.600 Bundeswehrsoldaten bekennen sich zum Islam. In Krankenhäusern und Pflegeheimen wächst der Anteil muslimischer Patienten. Die Verbände fordern für sie Seelsorger – Ansprechpartner, wie sie evangelische und katholische Christen seit jeher in der Bundesrepublik haben. Die Politik will es ermöglichen, das „Wie“ ist aber kompliziert, wie eine Tagung der Deutschen Islamkonferenz am Montag in Berlin zeigte.

Beispiel Militärseelsorge: Burkhard Köster, Referatsleiter im Bundesverteidigungsministerium, erklärte, bei den Kirchen habe er klare Gegenüber. Protestanten und Katholiken brächten Strukturen mit, es gebe einen Dienstherren. Bei den Islam-Verbänden sieht das anders aus. In Deutschland gibt es vier größere Muslim-Vertretungen, die aber nicht die Mehrheit der Muslime im Land repräsentieren. Die Seelsorge der Kirchen beim Militär wird vom Staat bezahlt. Wenn man das auf Muslime übertrage, müsse man überzeugt sein, dass der Seelsorger im Einklang mit der Lehre steht, sagte Köster. Es fehlt jedoch die Instanz, die das für alle in Deutschland lebenden Muslime bezeugen kann.

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Muslime für schnelle Lösungen

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, widersprach: Die Plausibilität über die islamischen Gebote, etwa die fünf Säulen des Islam, sei schnell herzustellen. Er dringt auf schnelle Lösungen, um Muslimen in der Bundeswehr religiöse Begleitung zu ermöglichen.

Dass der Einwand fehlender Strukturen so einfach aber nicht vom Tisch zu wischen ist, zeigte bei der Tagung auch das Beispiel Gefängnisseelsorge: Es sei ein sicherheitssensibler Bereich, sagte Abraham. Umso mehr will der Staat wissen, mit wem er kooperiert. Als weiteres Problem entpuppte sich das Seelsorgegeheimnis, das im Zeugnisverweigerungsrecht seine weltliche Entsprechung findet. Es steht Seelsorgern zu, die im Auftrag einer Religionsgemeinschaft Dienst tun. Bislang ist noch nicht geklärt, wie die bislang nicht in diesem Sinne anerkannten Islam-Verbände davon Gebrauch machen wollen und können.

Seelsorge gibt es im Islam so nicht

Bei der Tagung im Bundesinnenministerium ging es in Detailfragen zur Sache. Aber auch im Großen zeigte sich Klärungsbedarf. Den Begriff „Seelsorge“ gibt es im Islam so nicht, betätigte der Sprecher des Koordiniationsrates der Muslime, Erol Pürlü. Die Muslime müssten zunächst einmal theologisch klären, was sie darunter verstehen. Aus Sicht der Kirchen ist es mehr, als Gottesdienste oder Gebete abzuhalten. Besonders in den sensiblen Bereichen Gefängnis, Militär und Krankenhaus umfasst sie auch die persönliche Begleitung, Trost und Rat – auch für Angehörige.

Wollen Muslime das kopieren, müsse es auch eine entsprechende Ausbildung geben, mahnten die Vertreter des Staates an. Köster verlangte eine akademische Ausbildung. „Abschlüsse beruhigen uns“, sagte Abraham. Noch steckt aber schon allein die Imam-Ausbildung an deutschen Universitäten in den Kinderschuhen. Immerhin ein Anfang ist gemacht: Abdelmalek Hibaoui vom Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen berichtete, dass zehn Studenten mit Bachelorabschluss in islamischer Theologie im neuen Masterstudiengang muslimische Seelsorge eingeschrieben sind. Deutschlandweit ist das Projekt bislang einmalig.

Problem: Finanzierung

Als letztes Problem bleibt die Finanzierung: Zwar wird die Militärseelsorge der Kirchen vom Bund getragen, bei der von den Ländern organisierten Gefängnisseelsorge müssen aber auch die Kirchen einen Teil beisteuern. Die wiederum auf kommunaler Ebene organisierte Krankenhausseelsorge wird in der Regel allein von den Kirchen bezahlt. „Wir kommen nicht umhin, in hauptamtliches Personal zu investieren und dafür Geld in die Hand zu nehmen“, sagte Pürlü.

Das Thema Seelsorge in staatlichen Einrichtungen war neben dem Komplex Wohlfahrt eines der Hauptthemen der Deutschen Islamkonferenz in dieser Legislaturperiode. Das Gremium will für das Thema Seelsorge nun Empfehlungen erarbeiten. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sollen sie im Frühjahr vorgelegt werden. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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