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Grenzschutzpolizisten in Bulgarien © Birgit Sippel

Festung Europa

Rechtsextremismus in Bulgarien

Flüchtlinge sind in Bulgarien alles andere als willkommen. Rechte „Bürgerwehren“ machen an der Grenze Bulgariens Jagd auf Flüchtlinge. Dies geschieht mit der Duldung des Regierungschefs und großen Teilen der Bevölkerung. Von Michael Lausberg

Von Freitag, 14.10.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.10.2016, 12:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Auf Bulgarien entfielen im Jahr 2014 insgesamt 1,8 Prozent der Asylanträge in der EU, was 11.080 Anträgen entspricht, 2015 waren es 20.391 Anträge. Etwa 5.300 Asylanträgen wurde 2015 stattgegeben. Notwendige Integrationsprogramme für Flüchtlinge existieren jedoch nicht. Aber auch aus anderen Gründen bleiben die wenigsten Flüchtlinge in Bulgarien.

In Bulgarien macht seit über einem Jahr die „Organisation zum Schutz der bulgarischen Bürger“ (OSBG) von sich reden. Sie jagt bei sogenannten „Waldspaziergängen“ im Grenzgebiet Flüchtlinge und übergibt sie der Grenzpolizei. Es sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Flüchtlinge zuvor misshandelt und ausgeraubt wurden. Von der Regierung forderte die Organisation öffentlich ein „Kopfgeld“ von 25 Euro für jeden übergebenen Flüchtling.

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Rechte Bürgerwehren solcher Art haben keine Sanktionen zu befürchten. Im Gegenteil, sie erhalten für ihre Straftaten volle Unterstützung von staatlicher Seite. Bulgariens Ministerpräsident Bojko Metodiew Borissow dankte den Menschenjägern ausdrücklich: „Jegliche Unterstützung für die Polizei, den Grenzschutz und den Staat ist willkommen.“

Die Bürgerrechtsorganisation Helsinki-Komitee Bulgarien erstattete daraufhin Anzeige gegen Borissow wie auch gegen einige Privatmilizionäre. Margarita Iliewa, die Leiterin des Rechtsprogramms beim bulgarischen Helsinki-Komitee, sieht in den „islamophoben Hass-Verbrechen“ der Bürgerwehren eine Folge „jahrelanger xenophober Propaganda von ganz oben“.

Regierungschef Borissow machte jüngst eine Grenzschutzübung von Armee und Polizei im Grenzgebiet zu Griechenland publik und kündigte an, bei Bedarf seine Truppen an der griechischen Grenze zu verstärken und dort gegebenenfalls unverzüglich auch einen Schutzzaun zu bauen.

Die staatlich praktizierte Abwehr von Flüchtlingen bildet leider die politische Realität des Landes ab, das seit dem Ende des Staatssozialismus immer mehr nach rechts abgleitet. Die einflussreichsten Organisationen der extremen Rechten in Bulgarien sind Ataka und der Bulgarische Nationalbund (BNS). Ziel ihrer Hetze sind vor allem Roma und die türkische Minderheit des Landes. Auch Feindschaft gegenüber Muslimen ist trauriger Alltag in Bulgarien.

Der Vorsitzende der rechten Partei Ataka, Volen Siderov, bezeichnete in einer Rede vor dem Präsidentenpalast die „Islamisierung“ und die „Zigeunerisierung“ als die eigentlichen Probleme Bulgariens. Weiterhin verlangte er den Abriss der Roma-Siedlungen in den Städten und die Wiedereinführung der Todesstrafe.

2013 gewann Ataka 7,3 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen und stellte mit 23 Abgeordneten die viertstärkste Fraktion. Die Wähler von Ataka sind zum größten Teil die Verlierer des Transformationsprozesses nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes. Roma, die türkische Minderheit und neuerdings Flüchtlinge werden als Konkurrenten um die kärglich bemessenen sozialen Leistungen begriffen und eignen sich daher als Sündenböcke für die eigene Situation. Dass in Bulgarien seit Jahrzehnten eine neoliberale Wirtschaftspolitik betrieben wird, die mit zur Verelendung von Teilen der Bevölkerung beiträgt, wird nur in Ansätzen kritisiert.

Die Gesinnung dieser Bewegungen zeigen folgende Beispiele: Im Jahre 1999 nahm Ataka-Vorsitzender Wolen Nikolow Siderow an einer internationalen Konferenz von Holocaust-Leugner in Moskau teil. BNS-Vorsitzender Bojan Rasate sprach sich sogar für einen „Ariernachweis“ aus, da „die Menschen unterschiedlich geschaffen“ wurden. Er definierte die „bulgarische Rasse“ als „weiß mit europäischen Gesichtszügen“. Aktuell Ausland Meinung

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