Bombenanschläge in Dresden

Polizei schließt fremdenfeindliches Motiv nicht aus

Zwei Sprengstoffanschläge auf eine Moschee und ein Kongresszentrum erschüttern Dresden. Beamte überwachen nun Moscheen und das islamische Zentrum. Muslime fordern schonungslose Aufklärung. Es dürfe keinen zweiten NSU geben.

Mittwoch, 28.09.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.10.2016, 16:34 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Zwei Sprengstoffanschläge in Dresden haben über die sächsische Landeshauptstadt hinaus Entsetzen ausgelöst. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte die Angriffe vom späten Montagabend auf eine Moschee und das internationale Congress Center „empörend“. Beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Deutschen Islamkonferenz beklagte er am Dienstag in Berlin eine zunehmende Aggressivität gegenüber Muslimen in Deutschland.

Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verurteilte „den feigen Anschlag auf das Schärfste“. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte, die Anschläge seien „erschütternd“. Sie müssten „sehr sorgfältig aufgeklärt und konsequent verfolgt werden“.

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Polizei: fremdenfeindliches Motiv nicht ausgeschlossen

Die Polizei geht von einem fremdenfeindlichen Motiv und einem Zusammenhang beider Anschläge aus. Zudem wird eine Verbindung zu den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am kommenden Wochenende in Dresden vermutet. Ein Bekennerschreiben liege allerdings noch nicht vor, sagte Polizeipräsident Horst Kretzschmar. Menschen kamen bei den beiden Attacken nicht zu Schaden. An beiden Tatorten fanden Ermittler Reste eines selbst gebauten Sprengsatzes.

Brisant ist der Zeitpunkt der Detonation. Die Sprengsätze sollen Polizeiangaben zufolge am 26. September um 21.53 Uhr und um 22.19 Uhr explodiert sein. Der 26. September ist ein Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags auf das Oktoberfest 1980. Damals war die Bombe ebenfalls gegen 22.19 Uhr detoniert. Die Explosion hatte 13 Menschen in den Tod gerissen und über 2.000 verletzt.

Polizei überwacht Moscheen

Zum Zeitpunkt der Detonation in Dresden befand sich der Imam mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in der Moschee. Durch die Druckwelle wurde die Eingangstür nach innen gedrückt, im Haus entstanden Verrußungen. Kurze Zeit später kam es zu einer weiteren Explosion am Congress Center. Durch die Hitze der Detonation zersplitterte die Seite eines Glasquaders auf der Freiterrasse.

Die Polizei überwachte nach den Anschlägen die Dresdner Moscheen an der Hühndorfer Straße und der Marschnerstraße. Das islamische Zentrum am Flügelweg werde zusätzlich intensiv durch Streifen kontrolliert, teilte die Polizei mit.

Spuren verwischt?

Derweil wird Kritik an der Polizeiarbeit laut. Obwohl die Detonation in am Montagabend stattfand und die Polizei zeitnah informiert wurde, wurde die Öffentlichkeit erst am Dienstagmorgen informiert. Die Absperrung des Tatortes zur Spurensicherung wurde am Dienstag gegen 10.30 Uhr vorgenommen. Das löst Verwirrung aus. „Wo vorhin noch Reporter rumgelaufen sind, werden jetzt Spuren gesichert… Spuren wurden hier definitiv verwischt“, twittert etwa Radio Dresden.

Sachsens Ministerpräsident Tillich sagte, es handele sich nicht nur um einen Anschlag auf die Religionsfreiheit und die Werte einer aufgeklärten Gesellschaft. Vielmehr sei bewusst der Tod der Menschen in Kauf genommen worden, die in der Moschee leben. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck äußerte sich schockiert: „Anschläge auf Gotteshäuser sind Anschläge auf die Demokratie und die Freiheit von uns allen.“ Beck rief zur Solidarität mit den Muslimen in Deutschland auf.

Linke: Gipfel einer ungebremsten Radikalisierung

Die Linken-Fraktion im sächsischen Landtag sprach von einem mutmaßlich rechtsmotivierten Hintergrund. „Das ist der Gipfel einer seit Monaten weithin ungebremsten Radikalisierung von rechts, die sich insbesondere im Raum Dresden beobachten lässt“, hieß es. Die sächsische SPD-Fraktion erklärte: „Gerade jetzt brauchen wir mehr Demokratie, mehr Offenheit, aber auch eine klare Kante gegen Demokratiefeinde, die unsere Werte und unsere Rechtsordnung infrage stellen.“ Die Grünen-Fraktion sprach von „Angriffen auf unsere freie und pluralistische Gesellschaft“, die Ängste schüren sollten.

Die CDU-Landtagsfraktion erklärte mit Blick auf den bevorstehenden Tag der Deutschen Einheit: „Die Sicherheitsbehörden sind auf das Großereignis in unserer Stadt bestens vorbereitet und werden die Sicherheitsvorkehrungen nach den jüngsten Ereignissen noch einmal neu bewerten und falls notwendig anpassen.“ Der Dresdner Verein Atticus für sozial benachteiligte Menschen und Flüchtlinge forderte von Ministerpräsident Tillich „konkrete Taten statt schöner Worte“.

Muslime: Es darf keinen zweiten NSU geben

Muslime indes sind besorgt über die Anschläge und fordern im Hinblick auf die Behördenversagen bei den NSU-Morden eine schonungslose Aufklärung. „Ein zweites NSU darf es nicht geben. So viel Versagen verträgt unser Rechtsstaat nicht“, erklärte der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG), Bekir Altaş. Statt Ursachenforschung zu betreiben hätten sich Politiker in Sachsen mit rechten Parolen gegenseitig „unterboten“. Das sei ein „gefährlicher Teufelskreis mit irreparablen und gefährlichen Folgen“.(epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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