Verhöhnt wegen dunkler Haut

Olympia-Gastgeber Brasilien will keinen Rassismus dulden

Sport soll Menschen und Völker verbinden. Aber rassistische Pöbeleien sind für viele Fußballer, Volleyballerinnen und Boxer in Brasilien Alltag. Wenigstens die Olympischen Spiele in Rio sollen dafür keine Bühne sein.

Von Andreas Behn Donnerstag, 28.07.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 31.07.2016, 23:11 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Sie ist ein Star in Brasilien: Die Volleyball-Spielerin Fabiana Claudino hat schon zwei Mal mit ihrem Team olympisches Gold gewonnen. Und bei den Olympischen Spielen vom 5. bis 21. August in Rio de Janeiro wird sie Spielführerin sein. Trotz des Ruhms oder gerade deshalb ist die 31-Jährige immer wieder Ziel rassistischer Hohngesänge. „Du Äffin“ grölt es etwa aus dem Publikum bei Liga-Spielen und: „Geh doch Bananen essen.“

Claudino gehört zu den dunkelhäutigen Sportlerinnen, die das Problem des Rassismus klar benennen: „Ich will nicht wegen meiner Titel respektiert werden. Ich verlange Respekt als Bürgerin, als Mensch.“ Anfang Mai war sie die erste Sportlerin, die die olympische Flamme durch Brasilien trug. Stolz nahm sie die Fackel vor dem Regierungspalast aus den Händen der inzwischen suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff entgegen.

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„Als Athletin, als Frau und als Schwarze poche ich darauf, dass wir uns alle für Gleichheit einsetzen“, sagte die Volleyballerin nach ihrem Fackellauf sichtlich gerührt. Der Kampf gegen Vorurteile komme voran, aber es sei noch ein langer Weg.

Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe ist in Brasilien und in seinen Institutionen tief verwurzelt. Gut die Hälfte der rund 200 Millionen Bewohner des größten Landes in Lateinamerika bezeichnen sich als Afrobrasilianer oder Nachfahren von Sklaven. Unter den Armen machen Menschen dunkler Hautfarbe aber weit über zwei Drittel aus, und unter den Gefängnisinsassen stellen sie drei Viertel.

Gleichberechtigung und Chancengleichheit sind für viele Afrobrasilianer und auch für die indianische Bevölkerung ein Fremdwort. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Polizei bei ihren Einsätzen gegen Kriminelle geradezu Jagd auf dunkelhäutige junge Männer aus Armenvierteln macht.

Obwohl schon rassistische Beleidigungen in Brasilien mit teils hohen Strafen bedroht werden, erleben Nicht-Weiße im Alltag immer wieder Anfeindungen. Auch im Sport: Vor allem bei dem so beliebten Fußball sind rassistische Sprüche an der Tagesordnung. Vor der Weltmeisterschaft 2014 häuften sie sich. Aber es gibt auch spontane Gegenwehr in den sozialen Netzwerken. Um Intoleranz zu olympischen Zeiten vorzubeugen, rief die Regierung Ende vergangenen Jahres eine interministerielle Arbeitsgruppe ins Leben. Ziel sei es, „ethnische Diskriminierung beim Sport und in Sportstätten vor allem mit Aufklärungsarbeit zu bekämpfen“, erklärte der damalige Sportminister George Hilton.

Im Gegensatz zu den schlechten Erfahrungen einiger Spitzensportler sehen viele Aktive im Sport eine Möglichkeit, Integration voranzutreiben. „Erfolg im Sport bringt Anerkennung“, sagt Leichtathletik-Trainer Pedro Almeida. Der Spitzensport habe vielen jungen Schwarzen Türen geöffnet und ihrem späteren Leben neue Perspektiven gegeben. Ähnliches gilt für den Breitensport. „Wenn gemeinsam gerannt und gespielt wird, ist die Hautfarbe zunehmend egal“, sagt Almeida.

In der Schwarzenbewegung wird das Verhältnis von Sport und Diskriminierung eher kritisch gesehen. Es sei vielsagend, dass „Schwarze vor allem Zugang zu den Sportarten haben, die im öffentlichen Raum und ohne großen finanziellen Aufwand trainiert werden können“, analysiert Nilma Bentes von der afrobrasilianischen Organisation Cedenpa im nördlichen Bundesstaat Pará. Fußball, Basketball und Laufsportarten seien typische Beispiele, während Schwimmen, Tennis und Golf für Nicht-Weiße geradezu tabu seien.

Bentes beklagt, dass das Volleyball-As Claudino eher die Ausnahme ist: „Sportler, auch Schwarze, neigen dazu, die Frage des Rassismus zu ignorieren.“ Und sie bezweifelt, dass berühmte Sportidole dunkler Hautfarbe dazu beitragen, Diskriminierung abzubauen. Die Fußball-Legende Pelé sei ein schlechtes Vorbild: „Er hat nur weiße Frauen geheiratet, und statt eine uneheliche, dunkelhäutige Tochter anzuerkennen adoptierte er später ein weißes Kind.“

Die 68-jährige Aktivistin Bentes wünscht sich Idole, die ihre Herkunft nicht verneinen und sich für Gleichberechtigung einsetzen, statt sich als Ausnahme-Sportler darzustellen. „Auch die Weltfußballer Neymar und Ronaldo sind keine Partner beim Kampf gegen Diskriminierung in Brasilien“, urteilt Bentes. Für sie war der kürzlich gestorbene Boxer Muhammad Ali das überzeugendste Vorbild. (epd/mig) Aktuell Ausland

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