Protest gegen EU-Flüchtlingspolitik
Ärzte ohne Grenzen verzichten auf EU-Gelder
Es ist ein klares Statement: "Ärzte ohne Grenzen" will kein EU-Geld mehr. Die Lücke sollen über Spenden schließen. Die EU sieht keinen Grund dafür, User im Netz rufen zu Zuwendungen auf.
Montag, 20.06.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.06.2016, 14:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„Ärzte ohne Grenzen“ zieht eine klare Trennlinie: Aus Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik will die internationale Hilfsorganisation künftig auf öffentliches Geld verzichten. Die Organisation kündigte am Freitag in Brüssel an, kein Geld mehr von der Europäischen Union sowie den Mitgliedstaaten anzunehmen – zusammen etwa 50 Millionen Euro jährlich. Das Auswärtige Amt bedauerte die Entscheidung, die EU-Kommission verteidigte ihre Linie.
„Ärzte ohne Grenzen“ wolle nun verstärkt auf Privatspender setzen, hieß es. „Wir sehen in unseren Projekten jeden Tag, welches Leid die aktuelle EU-Politik verursacht“, begründet der Geschäftsführer der deutschen Sektion, Florian Westphal, die Entscheidung. Täglich erlebten die Mitarbeiter „die verheerenden Auswirkungen der EU-Abschottungspolitik“ für Menschen auf der Flucht, besonders für verletzliche Gruppen wie Schwangere, Kinder und unbegleitete Minderjährige.
Die Hilfsorganisation verwies etwa darauf, dass drei Monate nach Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens als direkte Folge mehr als 8.000 Schutzsuchende auf den griechischen Inseln festsitzen. Darunter seien Hunderte unbegleitete Minderjährige und viele Familien, die vor den Kriegen in Syrien, Irak und Afghanistan geflohen sind. Sie würden unter völlig unzureichenden Bedingungen oft monatelang in überfüllten Lagern festgehalten und müssten mit der Abschiebung in die Türkei rechnen.
EU-Kommission weicht Kritik aus
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte dazu in Brüssel, was die Rechtmäßigkeit des EU-Türkei-Paktes angehe, ziehe die EU-Kommission die Interpretation der 28 Mitgliedstaaten, des Europarats und der Vereinten Nationen vor. Auf die Kritik der Hilfsorganisation an den konkreten Konsequenzen des Abkommens für das Schicksal der Flüchtlinge ging der Sprecher nicht ein.
Direkte Auswirkungen auf EU-geförderte Hilfsprojekte soll die Entscheidung nach den Worten des Sprechers der Kommission nicht haben. „Ärzte ohne Grenzen“ sei kein Partner für die Umsetzung humanitärer EU-Hilfe in der Türkei. Dies sei auch nicht geplant gewesen. Ferner sei seine Behörde „informiert worden, dass die Suspendierung keinen Einfluss haben wird auf laufende von der EU finanzierte humanitäre Projekte, die von ‚Ärzte ohne Grenzen‘ in anderen Teilen der Welt umgesetzt werden“.
Auswärtiges Amt bedauert Protest
Das Auswärtige Amt in Berlin bedauerte die Entscheidung. Eine Sprecherin sagte, man habe Hochachtung vor der Arbeit der Organisation. Besonders in einer Zeit von Kriegen und Krisen sei „Ärzte ohne Grenzen“ ein unverzichtbarer Partner. Das Auswärtige Amt stehe weiter bereit, die Arbeit von „Ärzte ohne Grenzen“ zu unterstützen.
Vom Auswärtigen Amt erhielt „Ärzte ohne Grenzen“ im Jahr 2015 nach eigenen Angaben 3,9 Millionen Euro. Diese waren für Projekte in fünf afrikanischen Ländern vorgesehen. Für 2016 seien Finanzierungsverträge über 4 Millionen Euro für Projekte in fünf Staaten abgeschlossen worden.
Spendenaufruf für die Organisation
Auch andere Organisationen reagierten auf die Entscheidung. So erklärte Amnesty International über den Kurznachrichtendienst Twitter, „Ärzte ohne Grenzen“ zeige eine mutige und prinzipientreue Haltung. Menschen riefen in den Netzwerken auf, für das Hilfswerk zu spenden
„Ärzte ohne Grenzen“ leistet derzeit Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene in mehr als 40 Ländern, darunter in Griechenland, Serbien, Frankreich und Italien sowie auf drei Rettungsschiffen im Mittelmeer. In den vergangenen 18 Monaten haben die Teams etwa 200.000 Flüchtende in Europa behandelt. Die Hilfe in Europa wird bereits ausschließlich aus Privatspenden finanziert.
Insgesamt machten Privatspenden 92 Prozent der Einnahmen der Organisation aus. Der Anteil institutioneller Gelder liege bei knapp sieben Prozent. Im Jahr 2015 erhielt die Hilfsorganisation nach eigenen Angaben 19 Millionen Euro von EU-Institutionen, 37 Millionen Euro von EU-Mitgliedstaaten sowie 6,8 Millionen Euro von Norwegen, von dem ebenfalls keine Gelder mehr angenommen werden. (epd/mig) Leitartikel Politik
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