Flüchtlinge

Seelische Erschütterungen gibt’s auch nach der Ankunft

Seelische Traumatisierungen erleben Flüchztende nicht nur in ihren Heimatländern. Auch nach der Ankunft müssen viele Flüchtende seelische Erschütterungen erleben. Psychotherapeutisch behandelt werden können aber nur die Wenigsten.

Von Reimar Paul Donnerstag, 14.04.2016, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 22:58 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Viele Flüchtlinge sind nach Ansicht des Göttinger Psychologen Ibrahim Özkan nicht nur durch die Erlebnisse in ihren Heimatländern traumatisiert. Während ihrer Flucht und nach der Ankunft an einem vermeintlich sicheren Ziel durchlebten sie oft ebenso schwere weitere seelische Erschütterungen, sagte Özkan dem Evangelischen Pressedienst. Der Therapeut wollte am Mittwochabend einen Vortrag zur psychologischen Integration von Flüchtlingen an der Technischen Universität Braunschweig halten.

Schon die ursprünglichen Fluchtgründe wie Krieg oder Bürgerkrieg versetzten die Betroffenen in extremen Stress, sagte Özkan. Die Flucht selbst bedeute weiteren Stress: „Wir haben Berichte von geflüchteten Männern und Frauen, die unterwegs misshandelt und vergewaltigt wurden.“ Nach der eigentlichen Flucht verursachten Ängste um zurückgebliebene Angehörige und die Unsicherheit über die eigene Zukunft noch mehr Stress. „Weil sie nicht wissen, ob sie hierbleiben dürfen, können viele nur bis zum Abend planen“, sagte Özkan, der an der Asklepios Fachklinik Göttingen den Schwerpunkt Kulturen, Migration und psychische Krankheit leitet.

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Nur wenige Geflüchtete könnten in Deutschland bislang psychotherapeutisch behandelt werden, bedauerte Özkan. Neben sprachlichen gebe es kulturelle Barrieren, so werde Psychotherapie in den Heimatländern der Flüchtlinge häufig mit „Irrenanstalten“ assoziiert. Zudem sehe das Asylbewerberleistungsgesetz für Asylsuchende und Geduldete gar keine psychotherapeutische Versorgung vor. Schließlich befänden sich viele Flüchtlinge „im Überlebensmodus, da geht es erst mal um Trennwände aus Bettlaken.“

Trotz dieser Hemmnisse gelinge es etwa durch gute Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern und Hilfswerken, immer mehr traumatisierte Flüchtlinge psychotherapeutisch zu behandeln. „Wir versuchen, sie zu stabilisieren, indem wir sie als Menschen und ihre Ressourcen wertschätzen“, sagte Özkan. „Wir können das, was sie erlebt haben, natürlich nicht ungeschehen machen. Aber man kann mit einer Narbe ganz gut leben. Sofern man nicht Angst haben muss, dass sie wieder aufgerissen wird.“ (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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