Ökonom
Flüchtlinge werden Renten der Babyboomer zahlen
Wirtschaftsguru Fratzscher ist überzeugt, dass Deutschland die Flüchtlingssituation bewältigen kann. Der Arbeitsmarkt sei hervorragend aufgestellt. In diesem Jahr könnten 100.000 Menschen in Arbeit gebracht werden.
Von Bettina Markmeyer Montag, 14.03.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.03.2016, 20:14 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, warnt davor, angesichts der Flüchtlinge im Land den Eindruck zu erzeugen, für Einheimische würden Wohnungen, Arbeit oder Ausbildungsplätze knapp. „Die Hochstilisierung eines Verteilungskampfes ist absolut fatal und der größte Fehler, den die Politik begehen kann“, sagte Fratzscher dem Evangelischen Pressedienst in Berlin.
Deutschland stehe besser da als jemals, um diese Herausforderung zu bestehen. „Der Arbeitsmarkt ist hervorragend aufgestellt: Wir haben eine Million freie Stellen“, sagte Fratzscher. Der Ökonom verwies darauf, dass bis zum Jahr 2030 fünf Millionen Berufstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen in Rente gehen: „Viele der Geflüchteten werden die Renten der Babyboomer zahlen.“ In den vergangenen Jahren seien in Deutschland rund drei Millionen neue Jobs entstanden. Die Hälfte sei an Menschen mit Migrationshintergrund gegangen: „Wir haben immer wieder gezeigt, dass wir integrieren können“, sagte Fratzscher. Etwa ein Viertel der Geflüchteten sei gut qualifiziert. In diesem Jahr könnten bis zu 100.000 Menschen in Arbeit gebracht werden.
Fratzscher, der zu den führenden deutschen Wirtschaftswissenschaftlern zählt, hatte im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, wonach der ökonomische Nutzen durch die Zuwanderung von Flüchtlingen langfristig höher ist als die Kosten. Er plädiert dafür, die Ausgaben des Staates nicht ausschließlich als Kosten, sondern als Investitionen anzusehen, die auf längere Sicht Wirtschaft und Gesellschaft zugutekommen.
Zwar seien die Ausgaben in diesem Jahr mit voraussichtlich rund 15 Milliarden Euro hoch, räumte Fratzscher ein. Die Summe entspreche etwa 0,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Doch seien das Gelder, „die wie ein Konjunkturprogramm wirken“. Nicht die Finanzierung und der Arbeitsmarkt seien die entscheidenden Probleme bei der Integration, sondern „die langsame Bürokratie“. Er forderte „quantifizierbare Ziele für die Integration, damit die Politik Rechenschaft ablegen muss“.
Der 45-jährige DIW-Chef will am Montag gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), und Finanz-Staatssekretär Jens Spahn (CDU) sein Buch „Verteilungskampf“ vorstellen. Die Ungleichheit in Deutschland verschärfe die Ängste gegenüber Flüchtlingen, argumentiert Fratzscher: „Es gibt kaum ein Land in Europa, in dem die Chancen so ungleich verteilt sind.“ (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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