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Familie © pierre bédat @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Steinmeiers Schande

Der deutsche OSZE-Vorsitz und die Familienzusammenführung

Zum Jahresbeginn hat Deutschland den OSZE-Vorsitz übernommen. Die Vorgängerorganisation wurde 1975 in Helsinki gegründet. Bei den Vertragsverhandlungen legte das geteilte Deutschland noch viel Wert auf Familienzusammenführungen. Von Tim Gerber

Von Freitag, 22.01.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 25.01.2016, 17:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Zum Jahresbeginn hat Deutschland den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernommen. Zeit, sich an die Gründung der Vorgängerorganisation KSZE 1975 in Helsinki zu erinnern und die Vereinbarungen zur Familienzusammenführung, die der Westen heute gern unter den Tisch fallen lässt.

Als am 1. August 1975 in Helsinki die Staatsführer von Ost und West die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verabschiedeten, horchten viele in den Ländern des Ostblocks hinter Mauern und Stacheldrähten eingesperrten Bürger auf. Denn erstmals bekannten sich ihrer kommunistischen Regime darin offiziell zu Menschenrechten und bestimmten bürgerlichen Freiheiten. In den offiziellen Gesetzblättern nachzulesen standen nun unter anderem auch Rechte auf familiäre Kontakte durch freie Reisen und auf Familienzusammenführung, die vielen Betroffenen gerade im geteilten Deutschland seit dem Bau der Berliner Mauer sehr erschwert oder gänzlich vorenthalten wurden.

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Der Westen, insbesondere die Bundesrepublik, hatte bei Abschluss des Vertrages von Helsinki großen Wert darauf gelegt, dass die Ostblockstaaten künftig „Gesuche auf Reisen wohlwollend prüfen mit dem Ziel, Personen zu erlauben, in ihr Territorium zeitweilig und, wenn gewünscht, regelmäßig einzureisen oder aus ihm auszureisen, um Mitglieder ihrer Familien zu besuchen“. So steht es schwarz auf weiß in der Schlussakte von Helsinki.

Heute sollen solche Reisenden, wenn sie in einem westlichen Schengen-Land enge Familienangehörige besuchen wollen, nach dem Visakodex ihre „Rückkehrwilligkeit“ nachweisen. Die Behörden können faktisch jeden irgendwie begründbaren Zweifel daran zum Anlass nehmen, um Visumsanträge abzulehnen, wie das Verwaltungsgericht Berlin urteilte. Ist das etwa „wohlwollend“?

Und wie sieht es mit der Familienzusammenführung aus? Die Unterzeichnerstaaten „werden Gesuche in diesem Bereich so zügig wie möglich behandeln“, heißt es im Helsinki-Vertrag. Heute sollen Ehegatten bis zu einem Jahr getrennt werden können, wenn sie keinen Nachweis über Sprachkenntnisse erbringen, ja sogar dauerhaft, wenn es ihnen nicht gelingt, entsprechende „Bemühungen“ nachzuweisen. Ganz im Gegensatz dazu steht in der Helsinki-Akte: „Die Teilnehmerstaaten werden wohlwollend und auf der Grundlage humanitärer Erwägungen Gesuche auf Bewilligung der Aus- oder Einreise von Personen prüfen, die beschlossen haben, einen Bürger aus einem anderen Teilnehmerstaat zu heiraten“.

Durch den erwähnten Visakodex und die darin vorgesehene Prüfung der so genannten Rückkehrwilligkeit ist inzwischen genau das Gegenteil der Fall: Anträge von Leuten, die angeben ihren Freund oder ihre Freundin in Deutschland besuchen zu wollen, die sogar darlegen, dass sie bei dem Besuch prüfen wollen, ob sie den- oder diejenige heiraten und dauerhaft zu ihm ziehen wollen, wird das unter Verweis auf mangelnde „Rückkehrwilligkeit“ verwehrt. Gleiches gilt erst recht für Leute, die schon verheiratet sind, aber den Sprachnachweis bisher nicht erbringen können. Ihnen werden Besuche faktisch automatisch verwehrt.

In den Kommentaren deutscher Medien anlässlich der Übernahme des Vorsitzes in der OSZE am Neujahrstag war viel die Rede von Menschenrechten, die Außenminister Steinmeier nun bei Teilnehmerstaaten wie der Türkei und Russland einfordern müsse. Wie wäre es, wenn sich der Außenminister des in Freiheit wiedervereinigten Deutschlands in Sachen familiärer Kontakte und Familienzusammenführung an die eigene Nase fasste und Russen und Türken, die nach Deutschland zu ihren Familien reisen wollen, nicht weiter das Leben schwer machte wie es zurzeit der Fall ist?

Erinnern wir uns doch nochmal genau, warum Diktatoren wie Honnecker und Co. seinerzeit so vehement gegen freie Reisen und Begegnungen ihrer Staatsbürger mit ihren Familienangehörigen im Westen waren, warum sie Mauern und Stacheldraht dagegen errichtet hatten, warum man ihnen jeden Buchstaben der zitierten Erleichterungen in zähen Verhandlungen hatte einzeln abringen müssen. War es nicht die angeblich mangelnde Rückkehrbereitschaft der Menschen im Osten Europas? Im Westen also eigentlich nichts neues, nur mit anderen Vorzeichen. Aktuell Meinung

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  1. Matthias sagt:

    De Facto wartete der DDR – Bürger auch sehr lang auf eine Ausreisegenehmigung, teils Jahre.

    Doch insgesamt hinkt de Vergleich, da nicht die Zielländer die Einreisen verzögerten, sondern die Heimatländer, zumindest überwiegend. Und es ging auch nicht darum, einen Ausländer in Deutschland zu besuchen oder nachzuziehen, sondern einen Staatsbürger des Ziellandes.