House of One, Religion, Islam, Muslime, Juden, Moschee, Kirche, Synagoge
Das House of One ist ein geplantes interreligiöses Gebäude, das in Berlin entstehen soll. Das Gebäude soll eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee beherbergen.

House of One

Die peinliche Angst vor der Vermischung

Das House of One soll ein interreligiöses Gebäude werden, das eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee beherbergen soll. Nach anfänglicher Euphorie macht sich zunehmend Ernüchterung breit - finanziell wie theologisch. Von Michael Adler.

Von Dienstag, 01.12.2015, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.12.2015, 15:40 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Dass mit dem House of One ein bedeutendes Symbol für die gegenwärtige Politik der kulturellen bzw. religiösen Toleranz entstehen soll, ein Symbol der gemeinsamen Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ein Symbol der Anerkennung des Anderen vor dem Hintergrund zunehmend blutiger Konfliktlinien von denen mediale und politische Diskurse dominiert werden, bestimmt die öffentliche und institutionelle Bereitschaft, dieses ambitionierte Projekt zu unterstützen.

Nach nunmehr einem Jahr, seit das Projekt mit der Werbung um finanzielle Beteiligung an die Öffentlichkeit getreten ist, zeichnet sich eine eher verhaltene Stimmung ab: Etwa 1 Million Euro kamen innerhalb eines Jahres zusammen, 800.000 Euro hiervon vom Bund. 10 Millionen werden allein für die Grundsteinlegung benötigt. Hält der bescheidene Enthusiasmus gegenüber diesem Jahrhundertprojekt an, dann wird sicherlich noch die Inflation kompensiert werden müssen. Oder ist die in den veranschlagten 43 Millionen schon einkalkuliert?

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Aber hey, keine Häme vor dem Herrn! Schließlich steht das Projekt für die deutsche Tradition des miteinander Redens. Des interreligiösen Dialogs. Einer verheißungsvollen Kulturtechnik im Kampf gegen terroristische Eruptionen im 21. Jahrhundert. Nur wenn es ans Eingemachte geht, zeigt sich schnell, wie begrenzt die Wirkungsmacht des Dialogs ist. In der Finanzierung durch Crowdfunding zeigt sich jetzt, dass sich der Dialog notorisch selbst überschätzt. Ich möchte meinen, so wenig die Menschen etwa den esoterischen Universalismus Hans Küngs – kein Weltfriede ohne Frieden zwischen den Religionen – ernst nehmen können (sofern er ihnen überhaupt bekannt ist), so wenig sind sie bereit derartige Verkürzungen der politischen Gegebenheiten finanziell zu unterstützen.

Obwohl sich das Projekt noch in weiten Teilen im virtuellen Raum bewegt und bislang wenig Reales dabei rum gekommen ist, gäbe es einiges dazu zu sagen. Allein deshalb, weil sich in dem Projekt eine Vielzahl aktueller, das gesellschaftliche und politische Handeln bestimmende Diskurse überschneiden und sedimentieren. Ich will es an dieser Stelle auf eine Sache beschränken, die mir besonders unter den Nägeln brennt.

Ich wollte ursprünglich über den architektonischen Entwurf schreiben und wie sich identitäre Diskurse der Differenz darin eingeschrieben haben. Ich habe auch einige Artikel überflogen, in denen über das Projekt berichtet wurde und war zunächst etwas überrascht, dass tatsächlich Kritik an dem Projekt geäußert wurde. Die allerdings war eher zurückhaltend und konzentrierte sich auf die Beteiligung des Forums für Interkulturellen Dialog (FID), das mit der Gülen-Bewegung assoziiert ist. Und obwohl die Kritik an der Bewegung in vielen Punkten gerechtfertigt ist, ist sie genau an dieser Stelle undifferenziert und deplatziert.

Zunächst hielt ich es für ein journalistisches Missgeschick, als ich der Aussage begegnete, es würde in der Umsetzung des Projekts darauf geachtet werden, dass sich die Traditionen nicht „vermischen“. Aber je mehr Artikel ich überflog und je öfter ich dieser Rhetorik begegnete, um so mehr verfestigte sich in mir der Eindruck, dass es sich hierbei nicht um ein Versehen sondern um die Artikulation einer konkreten Befürchtung handelt. Die Angst vor der Vermischung. Und so wird auch im Exposé zum Projekt betont, die drei Religionen seien „unvermischt (in getrennten sakralen Bereichen) und zugleich in respektvollem Miteinander“ unter einem Dach vereint.

Wenn ich hier von Angst schreibe, dann geschieht dies das vorrangig aus rhetorischen Gründen. Es verbirgt sich freilich mehr dahinter. Es ist ja zunächst ein Wissen, das hier aktualisiert wird und das noch immer so machtvoll ist, dass es auch da auf das Reden und Handeln übergreift, wo emanzipatorische Ziele verfolgt werden sollen.

„Vermischung“ ist nun ein sehr deutlicher und dankbarer Begriff, da er sich als Antonym zur „Reinheit“ genau von dem ableitet, was hier als stille Norm artikuliert wird. Wem das zu verschwurbelt war, noch einmal in anderen Worten: Wo „Vermischung“ vorgebeugt werden muss, ist „Reinheit“ folglich der eigentliche Wert. Es ist die saubere Trennung des Eigenen und des Anderen, die hier ausgesprochen wird und die letztlich genau jene Grenzlinien nachzeichnet, die nach wie vor bis aufs Blut derer verteidigt werden, die nichts mit ihnen zu tun haben wollen.

Dass hier geradezu unheimliche Bedeutungen nahezu unwidersprochen transportiert werden, ist ebenso traurig wie symptomatisch für die deutschsprachige Debatte, in der sich ausgerechnet ein Projekt, das sich der Friedensarbeit widmen soll, eine Rhetorik der Rassenhygiene aneignet – und sei es nur präventiv, um etwaigen Vorbehalten aus der Öffentlichkeit oder der eigenen Peer Group schon im Vorhinein zu begegnen. Denn die Vertreter_innen ihrer Traditionen sollten es besser wissen. Keine Identität – und sei es nun eine konfessionelle – besteht aus sich selbst heraus.

Navid Kermani, der in diesen Tagen und in diesem Kontext so gerne zitiert wird, hat in seiner Arbeit immer wieder betont, dass das, was wir gerne als identitäre Einheiten wahrnehmen, die vorläufigen Ergebnisse komplexer Überschneidungsbewegungen sind. Tatsächlich, so hat er einmal geschrieben, lässt sich „von manchen religionsphilosophischen Texten bis heute nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob sie von einem Juden oder einem Muslim geschrieben worden sind.“ Aber ist diese Unbestimmtheit wirklich ein Verlust? Und nachdem er kürzlich den Friedenspreis des Buchhandels verliehen bekam, hat Kermani auf eindrucksvolle Weise die Praxis der Auflösung vermeintlicher kultureller oder konfessioneller Grenzen vorgeführt. Die Andacht war keine Anmaßung Kermanis, wie manche Kommentator_innen sie darin zu erkennen meinten; vielmehr war es eine Erinnerung und eine Aktualisierung jener Nähe und Verschränkung der Traditionen, die derzeit für viele unvorstellbar ist. Dabei war Kermanis Geste durchaus politisch zu verstehen, als ein Angebot über die Formen der Grenzziehung und die Möglichkeiten ihrer Dekonstruktion neu nachzudenken.

Oder, wie es der Tel Aviver Küchenchef Haim Cohen einmal formuliert hat: „Wer Frieden will, muss mit den Händen vom selben Teller essen.“ Aktuell Meinung

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  1. Ute Diri-Dost sagt:

    Was soll mit dem Bau wirklich bezweckt werden?Der Hintergedanke“Vermischung“ mit Ziel auf Integration des Islam?Da haben vielleicht doch so einige Lunte gerochen!Dann diese wahnsinnigen Kosten in einer Zeit wo Hunger und Arbeitslosigkeit herrscht!Ein durchaus überflüssiger Bau! Jahrhundertelang haben Juden,Christen und Muslime friedlich zusammengelebt und sich gegenseitig respektiert,auch in Deutschland gab es nie Probleme,bis in letzter Zeit das Feuer von bestimmten Seiten künstlich geschürt wurde!Jedem seine Religions und Weltanschauung und seine Gebetsstätten,unter dem Dach des Grundgesetzes!Nicht mal den sogenannten“Salafisten“ könnte man in dieser Hinsicht etwas anhaben!Wird eine Diskussion gewünscht,lassen sich ja geeinete Räumlichkeiten finden!-Ich frage mich,wohin das bereits veranschlagte Geld hingeht,nachdem das Projekt gestoppt wurde.Es warten soviele Menschen auf Hilfe!

  2. Peter Scholz sagt:

    Die Argumentation lenkt den Blick auf eine ganz wichtige Stelle: Das oberflächliche Gesülze der Repräsentanten der Religionsgemeinschaften. Keiner denkt wirklich daran, die eigenen theologischen Grundpfeiler einer offenen Debatte zugänglich zu machen. Und dann das Geld! Ich frage mich, wo der Beitrag der beteiligten religiösen Vereine bleibt, wenn von der 1 Million-Zusage 800.000 € aus Steuergeldern kommen. Seit wann werden in Deutschland wieder „Gotteshäuser“ vom Staat bezahlt?

  3. Bastian sagt:

    Liebe Frau Diri-Dost,
    als Ich Ihren Kommentar zu diesem Thema gelesen habe, ist mir nur eines in den Sinn gekommen: Auf welche historischen Fakten berufen Sie sich, dass es in Deutschland nie Probleme zwischen den monotheistischen Religionen gab. Ich frage mich hierbei: Welchen Geistigen Unsinn haben sie da produziert?
    Mit dieser Aussage leugnen sie die Kreuzzüge, den Holocaust und die aktuelle Bürgerkriegssituation im Nahen Osten.
    Allerdings gebe Ich Ihnen Recht, im HInblick auf die Räumlichkeit. Es ist unnötig mit begrenztem Bauplatz ein zusätzliches Gebäude aufzustellen. In Berlin gibt es genügend Lokalitäten und Angebote um solche Trialoge auszuführen.

    Bevor sie weitere geschichtliche Einflüsse in Ihre höchst Kompetente Meinung einbauen, fordere Ich genauerer Recherche!
    Grüße Bastian

  4. Piet van Bergen sagt:

    Frau Diri-Dost,

    „Jahrhundertelang haben Juden,Christen und Muslime friedlich zusammengelebt und sich gegenseitig respektiert“

    Wann und wo soll das bitte gewesen sein? Die Geschichte der Monotheismen ist geprägt von gegenseiter Unterdrückung, Ausrottung und Ausgrenzung. Ein wahrlich friedliches Zusammenleben der monotheistischen Religionen auf Augenhöhe, mit gleichen Rechten für Jedermann, gab es in der kurzen Geschichte unserer bemitleidendswerten Menschheit noch nicht. Man kann nur hoffen und beten, dass die Menschen eines fernen Tages weiser sein mögen.

    Mit herzlichen Grüßen
    v. Bergen