Kampf dem Patriarchat?
Rassismus im feministischen Gewand
Wenn es um Geschlechtergerechtigkeit unter Muslimen geht, preschen seltsamerweise Personen vor, die sonst wenig mit diesen Themen zu tun haben. Das verwundert nicht. Denn im Grunde geht es gar nicht um Geschlechtergerechtigkeit.
Von Magdalena Müssig Freitag, 30.10.2015, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 01.11.2015, 12:54 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Julia Klöckner spricht von Männern mit mittelalterlichem Frauenbild, Harald Martenstein ist der Meinung, die Deutschen müssten „selbstbewusst, hart und autoritär“ sein, um Geflüchteten die Gleichberechtigung der Frau zu lehren, und Birgit Kelle hält es für notwendig, männlichen Geflüchteten zu erklären, „dass 15-jährige Mädchen auch leicht bekleidet hierzulande kein Freiwild sind“.
Dies sind nur drei Beispiele für Stimmen im aktuellen Diskurs um Geflüchtete, die die ‚Integrierbarkeit‘ von muslimischen Geflüchteten anzweifeln – diese bringen angeblich ein Geschlechterverständnis mit, das so gar nicht mit dem Wertesystem der deutschen Gesellschaft vereinbar ist.
Klöckner, Martenstein und Kelle sind sonst nicht gerade für ihren Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit bekannt. Und sie sind nicht alleine: Auf einmal schreiben sich Menschen den Kampf gegen das Patriarchat auf die Fahne, die bisher den Begriff Feminismus nur mit schmerzverzerrtem Gesicht aussprechen konnten. Woher kommt dieses plötzliche breite Interesse daran, das Patriarchat zu bekämpfen?
Debatten um das Geschlechterverhältnis im Islam sind nichts Neues, regelmäßig werden Kopftuch und Burka und damit die angebliche Unterdrückung der muslimischen Frau diskutiert. Nun geht es also um das Geschlechterverständnis muslimischer Geflüchteter, und es zeigt sich ein altbekanntes Muster: Der Islam und seine Glaubensanhänger werden als patriarchal und rückständig dargestellt und damit von der weißdeutschen Mehrheitsgesellschaft abgegrenzt. Der Islam wird abgewertet – und damit, ganz nebenbei, die Mehrheitsgesellschaft aufgewertet. Für den Westen ist dieser angeblich so patriarchale Islam nämlich eine ziemlich gute Sache: Die westliche Emanzipation sieht daneben schon viel besser aus.
Leicht lässt sich darüber hinwegsehen, dass auch in den eigenen Gesellschaften noch einiges im Argen liegt und patriarchale Strukturen noch lange nicht aufgehoben sind. Frauen sind immer noch großteils alleine für die Reproduktionsarbeit verantwortlich, Frauen verdienen immer noch weniger als Männer, Frauen erfahren immer noch strukturell sexualisierte Gewalt. Doch von all diesen Emanzipationsdefiziten lässt sich durch die Darstellung des Islams als besonders frauenunterdrückend und patriarchalisch leicht ablenken.
In den Debatten um den angeblichen Sexismus muslimischer Geflüchteter geht es also nicht um Geschlechtergerechtigkeit. Die vermeintliche Sorge um die Gleichberechtigung dient der Mehrheitsgesellschaft dazu, klare Grenzen zu Muslimen zu ziehen. Muslime werden als homogene Gruppe konstruiert, die grundsätzlich anders ist. So werden bestehende gesellschaftliche Hierarchien legitimiert und die eigene Identität der Mehrheitsgesellschaft aufgewertet – in Abgrenzung zur anderen, negativ konnotierten muslimischen Identität.
Sicher, Debatten um Gleichberechtigung und Emanzipation sind notwendig. Doch Debatten um den Islam werden in westlichen Gesellschaften nicht im Machtvakuum geführt, sie sind vielmehr Ausdruck eines Machtgefälles zwischen der weißdeutschen Mehrheits- und der muslimischen Minderheitsgesellschaft. Dies wird schon alleine daran deutlich, wer eigentlich in der Debatte zu Wort kommt – mehrheitlich weiße Deutsche, selten Muslime. Die Debatten werden geführt vor dem Hintergrund des immer noch präsenten Stereotyps, Muslime seien rückständig und bräuchten westliche Aufklärung. Dieser Tatsache müssen sich Teilnehmende an der Debatte bewusst sein – das gilt für Julia Klöckner, Harald Martenstein, Birgit Kelle und alle anderen weißen Deutschen, die auf einmal etwas zum Geschlechterverständnis (von männlichen Muslimen) zu sagen haben.
Und vor allem: Anstatt die Debatten um Gleichberechtigung ausschließlich im Zusammenhang mit muslimischen Geflüchteten zu führen, könnte sich die Mehrheitsgesellschaft erst mal an die eigene Nase packen. Baustellen, wo es mit der Gleichberechtigung nicht so weit her ist, gibt es genug. Aktuell Meinung
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Weißdeutsche? Den Begriff kenne ich noch gar nicht. Aber da fühle ich mich gerade sehr ausgegrenzt. Ich hab doch immer so einen roten Kopf…. Bin ich jetzt Rotdeutscher? Ist das jetzt politisch korrekt wenn ich von meinem deutsch-türkischen Kumpel rede und sage er ist Braundeutscher?
Um den Artikel richt zu verstehen muss ich nochmal nachfragen. Wenn nun der afghanische Flüchtling A mit den Ehefrauen B, C und D vor mir sitzt, sollte ich lieber nicht die Meinung entwickeln dass ich das ziemlich Frauenverachtend finde, dass B,C und D nicht mit mir ohne Erlaubnis des A reden dürfen, weil das rassistisch ist? Damit würden meine Gedanken also Stereotypen bedienen, die böse sind?
Wenn aber nun der Weißdeutsche W mit seiner sehr sehr böse ist, dann ist es ok das schlecht zu finden, weil es ja keinesfalls rassistisch ist?
@Magdalena Müssig
Sie machen den gleichen Fehler, mit dem die Verbände ( und die sog. Isl. Charta) versuchen, die im Islam und im tägl. Leben vieler Muslime ungleiche Behandlung von Frauen und Männern zu kaschieren versuchen,
man spricht eben von Geschlechtergerechtigkeit, nicht von Gleichberechtigung der Geschlechter. Das ist ein gewaltiger
Unterschied.
Und Sie springen in Ihrem Artikel damit lustig hin und her.
„…regelmäßig werden Kopftuch und Burka und damit die angebliche Unterdrückung der muslimischen Frau diskutiert…“
Von wem ? Von Muslimen ? Von den Verbänden ? Sicher nicht.
@Mathias: Ach, und wenn deutsche Männer neben der Ehefrau ne Geliebte haben, ist das nicht frauenverachtend, oder wie?
@ Herr Lehmann: allerdings diskutieren muslimische Frauen und auch Männner über Burka und dergl., z.B auf den Seiten des MIGAZIN. Wie oft haben Sie sich denn mit Leuten islamischen Glaubens auseinander gesetzt?
Danke Frau Müssig, Sie sprechen mir aus der Seele.mit Ihrem Artikel. Diese Heuchelei wenn es um die Beweihräucherung der eigenen Gesellschaft geht, indem man Kulturen und Gepflogenheiten andererer herabssetzt, geht mir auch gewaltig auf die Nerven.Immer gleich diese Wertungen mit dem Zeigestock: Hier die Guten, da die Bösen oder zumindest Unbelehrbaren. Als ob das so einfach wäre. Hier wie dort gibt es Frauenverächter, natürlich.
@Wiebke:
Doch, aber das darf man ansprechen ohne rassistisch zu wirken.
Dieser Artikel ist eine Blaupause des tiefen Grabens, der zwischen denen liegt, die sich Asylkritiker nennen, und denen, die alles einfach cool finden. Die Autorin ist nicht in der Lage anzuerkennen, dass es durchaus einen Mittelweg gibt: Leute zum Beispiel, die wie selbstverständlich anerkennen, dass 15-Jährige Mädchen einen Minirock tragen, ohne dafür dumme Sprüche zu kassieren, gleichzeitig aber nicht in jeder Hinsicht in das Feministenhorn blasen. Denn ja, man kann durchaus konservativ sein und die Gleichstellung zwischen Mann und Frau trotzdem für einen sehr wichtigen Wert unserer Gesellschaft halten. Der Islam hat zwar für seine Gründungszeit einige damals revolutionäre Zugeständnisse gegenüber der Frau gemacht, tritt im Vergleich zu dem, was die Autorin als das heutige „Patriarchat“ bezeichnet, allerdings doch deutlich patriarchaler auf. Man könnte sagen: Wenn wir, wie die Autorin meint, im Patriarchat leben, dann leben viele Muslime im Über-Patriarchat. Welche Rolle die Frau bei der Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime hat, ist hinreichend in Studien belegt und lässt sich – ja, das lässt es sich wirklich – auch im täglichen Leben beobachten. Vielleicht sind diese dummen Konservativen den linken „Progressiven“ durch ihre Ängstlichkeit vorm Verlust des Status Quo vielleicht einfach ein paar Schritte voraus?
Die Schlussfolgerung, es handele sich um eine klassische Abgrenzungsstrategie der „weißen Bevölkerung“ von den Muslimen, ist Soziologie I und nun wirklich eine zu einfache Erklärung. Das Wertesystem von Menschen aus Marokko (meine Heimat) unterscheidet sich deutlich von dem der Menschen in Deutschland und wiederum deutlich von dem der Menschen aus Syrien. Das alles hat seine Gründe. Der Islam ist von allen werteschaffenden Faktoren in diesen Gesellschaft der mit Abstand dominanteste. Ein gesunder Pessimismus ist im Sinne einer Nicht-Spaltung unserer Gesellschaft durchaus angebracht. Auf die Gleichstellung von Mann und Frau MUSS man hinweisen und man MUSS sie verteidigen. Die politische Linke tut dies nicht. Sie ist der Steigbügelhalter einer Re-Etablierung konservativer, unemanzipatorischer, teils faschistischer Werte in unserer Gesellschaft. Als „nicht-weißer Deutscher“ ist es mir egal, wer meine mir liebgewonnen Werte verteidigt: Hauptsache jemand tut es! Die Linke und vermeintliche „Wissenschaftler“ (Soziologen als Zulieferer einer Betroffenheitsindustrie) betreiben das, was sie an Herrschaftsverhältnissen bemängeln: Die Trennung in Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Nazi und Einwanderungsfreund.
Als Mensch mit offensichtlichem Migrationshintergrund fühle ich mich durch ihren positiven Rassismus übrigens weitaus mehr beleidigt, als durch die legitime Aussage, die Religion meines Vaters sei emanzipatorisch rückständig. Wir sind durchaus in der Lage, uns diese Kritik anzuhören und darüber zu reflektieren. Dass die Linke und ihre soziologischen Helferx uns diese Fähigkeit nicht zugestehen, ist nichts anderes als Rassismus.
Es geht mir schon ziemlich auf die Nerven wenn vor lauter Schwärmerei für das Fremde die eigene Gesellschaft abgewertet wird. So wie in diesem Artikel. Natürlich ist es nicht in Ordnung daß eine Frau im gleichen Job, bei gleicher Leistung weniger verdient als der weiße Deutsche, – um mal bei dieser etwas irritierenden Begrifflichkeit zu bleiben -. Es gibt da keinen erkennbaren und vernünftigen Grund, außer die materiellen Interessen der Wirtschaftsverbände, die es nicht tun um Frauen zu dikriminieren, sondern einfach um einen Teil der Arbeitnehmer mehr auszubeuten als den anderen. Das macht es nicht weniger schlimm. Und leider gibt es immer noch sexuelle Gewalt gegen Frauen, die absolut und ohne Kompromiße nicht hinnehmbar ist und mit aller Schärfe bekämpft werden muß, keine Frage. Ja es gibt noch viel zu tun in der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft. Aber verglichen zu den real existierenden islamischen Gesellschaften ist unser Verhältnis zur Gleichberechtigung eher ein Kampf um Details. Wenn ich mir die Frauenrechte in Staaten ansehe die als Basis ihrer Verfassung den Islam, den Koran und die Sharia begreifen, dann ist es ungefähr so, als würde ich ein Fußballtunier organisieren bei dem Real-Madrid, FC-Bayern München, die Schulmannschaft der 6. Klasse des Walsorfgymnasuiums und die zusammengewürfelte Truppe vom Bolzplatz aus der Vorstadt gegeneinander antreten. Es anders darzustellen ist unrealistisch. In den islamischen Teilgesellschaften in unserem Land ist das allerdings nicht mehr so ohne weiteres zu übertragen. Viele Frauen orientieren sich mehr zu unseren westlichen Werten und den Rechten die damit verbunden sind. Ganz zum Ärger der islamischen Verbände, deren Funktionären und natürlich den islamophilen Selbsthasserrn der weißen Merheitsgesellschaft. Diese Frauen können froh sein, daß sie hier in unserem Land das Recht haben sich von den islamischen Verständnis der Geschlechterrollen trennen könne, wenn auch mit enormen Hindernissen, die allerdings nicht von der Merheitsgesellschaft ausgehen, sondern aher aus den eigenen reihen kommen. Es gibt sie, die emanzipierte Frau, die in die Moschee geht und ihren Glauben lebt, sich trotzdem von der patriachalischen Gesellschaftsnorm der islamischen Gruppen verabschiedet hat. Sicherlich. Ich kenne selber diese starken Frauen. Ich kenne aber auch die Frauen, die ihr Kopftuch tragen um den Ärger mit dem eigenen Mann, der Familie, dem Freundeskreis und der Moscheegemeinde zu entgehen, sich dem Rollenverständnis einfach unterwerfen, wie vorgeschrieben dem Mann zu Diensten sind und ihr „Gluck“ am Herd und als Mutter zu finden. Wenn ich nur meine persönliche Erhebung darüber mache (zugegeben, das ist meine Erfahrung und bestimmt nicht 100% representative), dann scheint die weiße, deutsche Mehrheitsgesellschaft den Frauen da wesentlich mehr Gleichberechtigung zu geben. Und daher ist es hochgradig vernünftig die Debatte der Geschlechtergleichberechtigung genau an dem Punkt zu führen wo es am dringendsten nötig ist, nämlich bei den islamischen Gruppen, Verbänden und Privathaushalten. Wen das stört, der muß sich selbst vrowerfen lassen daß es ihm / ihr nicht in erster linie um das Thema Gleichberechtigung geht, sondern das auch nur vorgeschoben ist um gegen die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft zu treten.
Also erstens mal eine Frage:
1 ) “ Schwarzer “ darf ich schon lange nicht mehr sagen, aber irgendwo hat da etwas stattgefunden, dass man wie einen Rückschritt begreifen könnte, oder wie soll ich den Begriff Weiß – Deutsch verstehen ? Oder ist das kein Rückschritt sondern auch ein Fortschritt den ich- am Ende gar ob meiner Tendenz mich selbst arrogant aufzuwerten – nur nicht nachvollziehen kann ? Habe ich als Nicht-Akademikerin da was verpasst ?
Und weiter:
2 ) mir geht es als Hierlebende vor allem mehr um praktische Dinge. Unerträglich finde ich es z.B.wenn ich auf offener Straße angesprochen werde von Männern, die ohne Umschweife fragen ob ich Sex haben will. Unerträglich auch, wenn andere Frechheiten wie das Blockieren von Männergruppen Frauen zwingen vom Gehweg auszuweichen oder alternativ sich einem Gespräch auszusetzen, dass nicht immer konstruktiv verlaufen mag….Leider passiert das zu häufig und kaum mit Männern, die hier aufgewachsen sind. Traurig, aber wahr.
3) Schön, dass es so viele kluge Zugereiste gibt. Allerdings frage ich mich mitunter -und das ganz ohne mich selbst aufwertende Arroganz- wo denn all die jungen Männer, die in den Interviews sagen, sie wollen “ zu Ende “ studieren , ihren Lebensunterhalt während des Studiums herbekommen um ein Studium zu finanzieren ? Da ich alleine mit meine Kindern war, konnte ich mir das studieren nicht mehr leisten, und wenn nun für eine große Zahl ( meist junger Männer …) das studieren viel günstiger wird, ist das erfreulich, aber nicht unbedingt ein Grund von Herabwertung durch uns zu reden, finden Sie nicht auch ?!
4) im übrigen geht es gerade in Deutschland so zu, dass Tausende und Tausende Deutsche kostenlos und ohne zu klagen Muslimen beim Sprachenlernen, in der Schule, bei Behördengängen ect. helfen, weil sie helfen können und das ihrer Grundhaltung entspricht. Eine Haltung, die als arrogant bezeichnet werden könnte, kann ich auch hier kaum erkennen.
So kann ich mir dann am Ende zumindest selbst erklären, warum mich dieser Artikel wütend und etwas resigniert zurücklässt. Sie sollten versuchen, nicht nur nach außen zu kritisieren, sondern die praktischen Änderungen und Debatten nach innen einzufordern -vor allem von den Männern mit den Autoritäten in den Verbänden und denen mit dem “ unerträglichen “ Verhaltensweisen . Themen gäbe es da viele, von der Vielehe, Kinderehe, Zwangsheirat, Beschneidung von Mädchen bis zum Ehrenmord, Mafiastrukturen in den Clans in städtischen Brennpunkten und noch mehr, stimmt es ?)
Ich sehe sonst die Gefahr, dass sich viele enttäuscht von einem Diskurs abwenden, den wir ja dringend führen sollten.
MfG
Eine “ indigene “ patriachats-müde Spaziergängerin, wenn sie so wollen !
In diesem Artikel wird die verbreitete Strategie angewendet, feministische Kritik als rassistisch zu einzuordnen und damit ihre Glaubwürdigkeit zu beseitigen.
Natürlich gibt es in der gesamten Gesellschaft Sexismus, der angeklagt und beseitgt gehört. Aber dazu ist es nötig, einzelne Probleme ausdrücklich zu benennen und sich nicht in allgemeine Aufforderungen zu verlieren. Julia Klöckner erzählte von Männern, die aus religiöser Überzeugung heraus Frauen zur Begrüßung nicht mal die Hand reichen wollen – wem es wirklich mit der Bekämpfung solcher Ungleichbehandlung ernst ist, muss auch Fragen, wie sich muslimische Verbände gegenüber der Verbreitung solcher Überzeugungen verhalten statt mit einfältigen Hinweisen auf ethnische Machtgefälle antirassistische Kritik zu instrumentalisieren. Diese Frage bleibt auch bestehen, wenn man Klöckners Politik ansonsten wenig unterstützen kann.
Danke für den interessanten Artikel, der dazu auffordert, einen differenzierteren Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Zeit in Bezug auf Gleichberechtigung (nicht nur) der Geschlechter zu richten.
Nur zwei kleine Anmerkungen: mir ist nicht ganz klar, inwiefern Frauen* der weißdeutschen Mehrheitsgesellschaft „strukturell sexualisierte Gewalt“ erfahren(?). Und wie kann „Mehrheitsgesellschaft“ eine „eigene Identität“ sein?
@ Karim: herzlichen Dank für Ihren/deinen Kommentar! Die Öffentlichkeit brauchen vielmehr mehr Dialog auf Augenhöhe, anstatt Soziologie I – Monologe! Wie wäre es also mit vielen Diversitäts-abbildenden Gesprächsrunden und Interviews, die dann abgedruckt und verbreitet würden?
@ Volker: schön, dass der Begriff „weiße deutsche“ sie irritiert – genau das soll er auch!
Ich habe das Lesen der Kommentare als sehr aufschlussreich und horizonterweiternd empfunden, danke schön!
Ich glaube Frau Müssig ist von einigen Kommentatoren nicht ganz verstanden worden. Ihr Artikel ist weder degradierend der Mehrheitsgesellschaft gegenüber noch verharmlost sie die Probleme die bestimmte Kulturkreise mit Frauen haben.
Nein. Ihr geht es stattdessen um die Scheinheiligkeit und Heuchelei der opportunistischen Verfechter der Frauenrechte, denen zugegebenermaßen Frauen und ihre Rechte nur dann etwas Wert sind, wenn sie damit gleichzeitig den Finger auf andere richten können. Das ist nun mal geheuchelt. Diese selbsternannten Frauenverfechter sind leider dieselben, die stumm sind, wenn muslimischen Frauen das Recht auf Bildung, Selbstbestimmung und Erwerbstätigkeit in bestimmten Berufen durch den hießigen Staat/die Mehrheitsgesellschaft abgesprochen wird.
Eine echte Frauenrechtlerin setzt sich für muslimische Frauen auch dann ein, wenn sie selbstbestimmt mit Hijab ihrem Beruf nachgehen wollen. Und nicht nur dann, wenn es die opportune Gelegenheit bietet, Männer aus anderen Kulturkreisen zu stigmatisieren.
Etwas mehr Aufrichtigkeit im Diskurs, das ist es, was Frau Müssig zu Recht und zutreffend einfordert. Vielen Dank hierfür!