Analyse
Migrationsexperten fordern Kontingente für Flüchtlinge ohne Obergrenze
Bei seinem Vorstoß für Kontingentlösungen zur Aufnahme von Flüchtlingen bekommt Innenminister de Maizière Zustimmung von deutschen Stiftungen - aber nicht uneingeschränkt. Die Experten halten nichts von Obergrenzen.
Mittwoch, 21.10.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.10.2015, 17:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Migrationsexperten deutscher Stiftungen haben sich in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen für ein Umsteuern auf Kontingentlösungen ausgesprochen. Aufnahmeprogramme hätten Vorteile im Vergleich zum bisherigen Instrumentarium, das der Situation nicht mehr gewachsen sei, sagte die Vorsitzende des Forschungsbereichs des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Cornelia Schu, am Dienstag in Berlin. Kontingente ermöglichten sichere und legale Wege nach Europa und entlasteten sowohl Aufnahmeländer in der Krisenregion als auch das übliche individuelle Asylverfahren. Zudem sei damit ein geplanter und koordinierter Zuzug möglich.
Schu stellte eine Studie des Sachverständigenrats vor, in der die vom Bund und allen Ländern außer Bayern aufgelegten Aufnahmeprogramme für Syrer analysiert werden. Das Fazit ist grundsätzlich positiv: Die Programme seien als „erfolgreiche flüchtlingspolitische Maßnahme zu bewerten“, heißt es darin. Schu sprach sich dafür aus, solche Programme nun europäisch und in „substanzieller“ Größenordnung zu etablieren. Der Sachverständigenrat wird von sieben Stiftungen, darunter die Stiftung Mercator und Bertelsmann Stiftung, getragen.
Damit erhält Bundesinnenminister Thomas de Maizières (CDU) grundsätzlich Zustimmung für seinen Vorschlag für Flüchtlingskontingente in der EU. Während de Maizière dabei aber auf feste Zahlen abzielt und darüber hinaus ankommende Flüchtlinge abgewiesen und weggeschickt würden, sieht Schu die Aufnahmeprogramme als ergänzendes Instrument zum individuellen Asylverfahren. Kontingente sollten keine Methode sein, „wie man gleichzeitig Obergrenzen definiert“, sagte sie. Dennoch rechnen die Migrationsexperten mit einer Abnahme des Zuzugs auf eigene Faust, wenn den Flüchtlingen sichere Wege über diese Programme eröffnet werden.
Deutschland einziges Land mit Aufnahmeprogramm
Deutschland hat 2013 als bislang einziges Land in Europa Aufnahmeprogramme für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufgelegt. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind darüber seitdem 40.000 Menschen eingereist. 19.845 Syrer erhielten Aufnahmezusagen für das Programm des Bundes mit insgesamt 20.000 Plätzen. Für die übrigen Plätze seien bereits Personen geprüft, sagte ein Sprecher. Das Programm ist damit abgeschlossen.
Weitere 19.303 Visa sind demnach bis Ende September über die Programme der Länder erteilt worden, die teilweise noch weiterlaufen. In diesen Kontingenten werden ausschließlich Schutzsuchende mit Verwandten in Deutschland berücksichtigt, die in der Regel sogenannte Verpflichtungserklärungen über eine Übernahme der laufenden Kosten unterzeichnen müssen.
Sachverständigenrat sieht Nachbesserungsbedarf
Download: Der Policy Brief kann hier heruntergeladen werden.
Der Sachverständigenrat sieht hier für die Zukunft Nachbesserungsbedarf. Die zeitlich unbefristeten Erklärungen stellten eine große Verantwortung für die aufnehmenden Verwandten dar und sollten befristet werden, sagte Schu. Zudem seien Flüchtlinge, die über die Länderprogramme eingereist sind, rechtlich schlechter gestellt als andere Asylsuchende. Sie hätten beispielsweise keinen Zugang zu Integrationskursen, seien bei Gesundheitsversorgung und Aufenthaltsdauer schlechter gestellt. Schu zufolge ist daher inzwischen die Hälfte der über Länderprogramme eingereisten Flüchtlinge ins individuelle Asylverfahren gewechselt.
Für eine Fortführung des Bundesprogramms, geschweige denn für die Einrichtung eines europäischen Kontingents gibt es derweil noch keine Anhaltspunkte. Das Innenministerium verwies auf die hohe Zahl der über das normale Verfahren eingereisten Syrer. Seit Beginn des Konflikt 2011 hätten mindestens 140.000 Syrer in Deutschland Schutz gefunden. Zudem habe sich Deutschland in den EU-Verhandlungen bereiterklärt, 2015 und 2016 1.600 Flüchtlinge im Resettlement-Verfahren aufzunehmen, das anders als die temporären Aufnahmeprogramme auf einen dauerhaften Aufenthalt zielt. Der Schwerpunkt werde auf der Aufnahme syrischer Flüchtlinge liegen. (epd/mig) Leitartikel Politik
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