Ein Jahr Pegida
Ein gewalttätiges „Volksfest“
Ein Jahr Pegida: das wollten die Anhänger der rechtspopulistischen Bewegung feiern. Ein breites Bündnis hat unter dem Motto "Herz statt Hetze" dagegen mobilisiert. Am Ende stehen gewalttätige Auseinandersetzungen und eine überforderte Polizei - Jonas Seufert war für MiGAZIN vor Ort.
Von Jonas Seufert Dienstag, 20.10.2015, 8:38 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.10.2015, 20:04 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Zunächst die Zahlen: 15.000 Gegendemonstranten zählt die Studierendeninitiative „durchgezählt“, etwa genauso viele Anhänger von Pegida sind es – vielleicht etwas mehr. Das ist ein bemerkenswertes Signal in einer Stadt, in der die antirassistischen Proteste in den vergangenen Monaten beinahe zum Erliegen gekommen waren. Auf fünf Routen haben sie mobilisiert, die Abschlusskundgebungen liegen alle in unmittelbarer Nähe zum Theaterplatz vor der Semperoper – dem Ort, an dem Pegida eine stationäre Kundgebung angemeldet hat. Schon vor den Demonstrationen ist also klar: Einen Blockadeversuch der Pegida-Veranstaltung wird es nicht geben.
Das Versagen der Politik
Baharak ist nicht nur wegen Pegida gekommen, sondern auch wegen der Politik der deutschen und sächsischen Regierung. „Die Politik teilt die Gesellschaft bewusst in verschiedene Gruppen auf, damit sie sich gegenseitig angehen“, sagt die Geflüchtete und Mitglied der Gruppe Asylum Seekers Movement Sachsen. „Als die Auseinandersetzungen in Heidenau und Freital gewalttätig wurden, hätte die Regierung dazwischengehen können. Aber sie haben stattdessen das Asylrecht verschärft.“
Das sieht auch Rita Kunert, eine der Organisatorinnen der antirassistischen Demonstrationen „Herz statt Hetze“ so: „Die Asylrechtsverschärfung geht zu Lasten der Ärmsten der Armen. Dagegen wollen wir heute genauso auf die Straße gehen, wie gegen den offenen Rassismus in der Stadt.“
Organisiert hat „Herz statt Hetze“ ein breites Bündnis aus Parteien, Initiativen und Einzelpersonen aus Dresden, aber auch aus anderen sächsischen Städten. Linke, Grüne und SPD sind genauso dabei wie die Bündnisse Dresden Nazifrei und Dresden für Alle, Nolegida (Leipzig) und Nocegida (Chemnitz), die kurdische Jugend in Dresden und die Schülerinitiative Bildung statt Rassismus. Sie alle wollen Pegida und der Gewalteskalation der vergangenen Monate an Orten wie Freital, Dresden und Heidenau und Köln entgegentreten. Gewalt gehe von ihnen nicht aus, betont Kunert.
Pegida setzt auf Eskalation
Als die Demonstrationszüge rund um die Pegida-Kundgebung eintreffen, ist die bereits in vollem Gange. Pegida-Gründer Lutz Bachmann, Tatjana Festerling, der extra angereiste Akif Pirinçci und andere hetzen gegen Geflüchtete und Muslime genauso wie gegen die Medien und die politischen Entscheidungsträger. Einzelheiten sind woanders zu Genüge niedergeschrieben worden. Ich möchte sie hier nicht erwähnen. Die Redner setzen auf Eskalation, die Menge antwortet mit Beifall. Eine Gruppe Touristen gelangt an den Eingang der Wagenburg, den die Polizei um den Theaterplatz gezogen hat. „Na, traust du dich?“, fragt sie ihn. Er zögert. Nach kurzem Disput dreht die Gruppe um.
Geflüchtete: Rechte statt Hilfe
Mesbah ist ebenfalls nach Deutschland geflohen und erstaunt über den zuletzt wieder steigenden Zustrom zu Pegida. In den vergangen Monaten hat er viel Solidarität mit den ankommenden Geflüchteten erlebt. „Die Leute haben das übernommen, was die Regierung nicht leisten wollte. Das ist sehr positiv.“ Er betont aber auch, dass das langfristig nichts an der Situation von Flüchtlingen in Deutschland ändern werde. „Jetzt ist es wichtig, diese Energie in politische Forderungen umzusetzen. Wir Geflüchtete brauchen mehr Rechte in Deutschland“, sagt er.
Zunehmende Gewalt – auch gegen Medien
Während der Demonstration kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, Gegendemonstranten blockieren viele der Zugänge zur Pegida-Veranstaltung für zu spät Kommende. Laut Polizeibericht wird dabei ein Pegida-Anhänger schwer verletzt. Es fliegen die ersten Böller in die Menge der Nopegida-Demonstranten, geworfen aus den Reihen von Pegida. Je weiter der Abend voranschreitet, desto höher wird auch die Zahl der Übergriffe. Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses Dresden Nazifrei macht dafür auch die 1900 Polizisten im Einsatz verantwortlich, die bisweilen überfordert wirken würden.
Silvio Lang von @dd_nazifrei: "Die Lage ist komplett am Eskalieren.!" Liveticker: https://t.co/GpveV6n1h8 #DD1910 pic.twitter.com/GnbEN8X766
— MOPO24DE (@MOPO24DE) 19. Oktober 2015
Auch Reporter berichten immer wieder von Übergriffen seitens Pegida-Anhängern. Ein Mitarbeiter der Deutschen Welle wird geschlagen. Die Dresdner Neuesten Nachrichten berichten zwischenzeitlich nicht mehr von allen Orten, um ihre Mitarbeiter zu schützen.
DNN @dnn_online zieht Reporter im Innenstadtbereich zurück, die Sicherheit kann nicht gewährleistet werden: https://t.co/80FLe1jeSP #DD1910
— Buntes Dresden (@BuntesDresden) 19. Oktober 2015
Hooligans und Nazis prügeln am Rande der Demonstrationen
Um 21:42 Uhr läuft die Meldung über einen der Ticker, dass Nazis mit Steinen und Flaschen bewaffnet zwei Marokkaner angegriffen haben. Einer von ihnen wird dabei verletzt. Mesbah ist in der Nähe und wird selbst von einer Gruppe Nazis angegriffen. „Sie haben geschubst, geprügelt und mit Böllern geschmissen“, sagt er. „Die Polizei stand daneben und hat nicht eingegriffen“. Am späten Abend gibt die Polizei eine Pressemeldung heraus, die rechte Gewalt benennt sie darin nicht explizit. Auf Twitter regt sich starker Widerspruch.
Die durch uns dokumentierte rechte Gewalt kommt im Polizeibericht nicht vor. Diese PM ist ein Hohn. #DD1910 https://t.co/gh6jtF9W0K
— Straßengezwitscher (@streetcoverage) 19. Oktober 2015
Rita Kunert ist trotz der Übergriffe zufrieden mit dem Verlauf des Abends. „Wir haben gezeigt, dass die rassistische Stimmungsmache von Pegida in dieser Stadt nicht erwünscht ist. Das ist für viele Pegida-Anhänger gewöhnungsbedürftig und anders als in letzter Zeit“, sagt sie. Auch Baharak zieht alles in allem eine positive Bilanz. „Wir waren viele und haben heute auch ein politisches Zeichen gesetzt.“ Aktuell Gesellschaft
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Meiner Meinung nach hat die Regierung, allen voran der Innenminister, eine Mitschuld.
die vermehrten Ansagen:
das Asylrecht muss verschärft werden, (wurde verschärft)
40% sind aus den „sicheren“ Herkunftsländer,
kein Geld nur Sachleistungen weil viele wegen diesem Geld kommen,
wir brauchen Grenzzäune,
usw usw.
solche Ansagen ist das Salz in der Suppe von Pegida und Nazis ..
mein Gott: sind Flüchtlinge Verbrecher?
oder nicht Menschen wie du und ich?
irgendwie passt da einiges nicht zusammen …
Spätestens nach Pirinccis unsägliche Rede sollten sich die letzten anständigen Mitläufer von Pegida und seinem Rattenfänger lösen. Aber selbst dann bleibt noch ein „harter Kern“ Unbelehrbarer. In den Unterkünften kommt es nicht selten zu Konflikten zwischen den verschiedenen Gruppen der Flüchtlinge. Es ist legitim, beunruhigt zu sein und zu fragen, warum die Flüchtlinge untereinander nicht die Toleranz aufbringen, die von der Mehrheitsgesellschaft eingefordert wird. Und das ist der Punkt. Die Altparteien verharmlosen oder verschweigen die Konflikte der Flüchtlinge untereinander. In diese Kerbe schlagen Pegida und die extrem nach rechts abgeglittene AfD. Die Altparteien setzen auf Nazikeulen und nicht auf gerne auch scharfe Diskussion. Die Seiten der Befürworter und der Gegner radikalisieren sich und die so wichtige breite Mitte schweigt verunsichert. So darf das nicht bleiben. Ob wir es schaffen weiß ich nicht. Aber die Chancen stehen dafür besser, wenn die Gesellschaft jenseits von politischer Farbenlehre zusammensteht und alle Extremisten in die Schranken weist und alle Flüchtlinge in die Mitte nimmt, die unsere Gesetze über eine Religion stellen. Deutschland soll sich nicht grundlegend ändern. Weil Deutschland ist wie es ist kommen die Menschen hierher. Und die meisten „Inländer“ sind auch zufrieden.