Hotspots
„Was soll das bringen?“
Nach Plänen der EU-Staaten soll in Grenzländern sogenannte Hotspots errichtet werden. Dort sollchen Flüchtlinge registriert und verteilt werden. Das stößt im griechischen Idomeni, das Nadelöhr nach Mazedonien, auf Skepsis.
Von Corinna Buschow Dienstag, 29.09.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.09.2015, 23:56 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Wenn Vassilis Tsartsanis im Chaos des griechischen Grenzorts Idomeni auftaucht, zaubert er anderen ein Lächeln ins Gesicht. Vassilis kneift einem kleinen afghanischen Mädchen zart in die Nase, wuschelt in den Haaren, ruft „Salam alaikum“. Ein ganzer Chor von Menschen antwortet. Sie alle wollen über die Grenze nach Mazedonien, weiter nach Serbien. Danach soll es nach Kroatien, Slowenien, Österreich weitergehen und schließlich dorthin, wo die Gesellschaft als flüchtlingsfreundlich und teils schon Verwandte wohnen. „Allemania“ ist oft zu hören – und „Sweden“.
Idomeni sei derzeit das Nadelöhr für die Passage nach Mazedonien, erzählt der 42-jährige Vassilis. 6.000 Menschen kommen derzeit pro Tag an, 60.000 insgesamt in den vergangenen zehn Tagen. Vor sechs Wochen waren die Zahlen nur halb so hoch. Vassilis erzählt von den Tagen, als hier noch alles in der Hand von Schleppern war. „Mafia“ nennt der Filmemacher die korrupten Netzwerke, die viel Geld von Flüchtlingen verlangen.
Der Regen, der Matsch, die verzweifelten und erschöpften Menschen haben Vassilis dazu gebracht, sich für Flüchtlinge zu engagieren. Lange versuchte er vergeblich, Aufmerksamkeit für Chaos und Kriminalität an der Grenze zu Mazedonien zu erlangen. Seit vergangenem September strandeten dort Schutzsuchende, erst seit 20. August gibt es den Ansatz einer Hilfsstruktur. Immerhin schützen jetzt Zelte vor Regen. Der Grenzübergang ist wieder von der griechischen Polizei kontrolliert. „Ärzte ohne Grenzen“ leistet medizinische Hilfe. Dennoch fehle noch immer Koordination, sagt der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Kessler: „Moderne humanitäre Hilfe sieht anders aus.“
Von geordneten Verhältnissen kann keine Rede sein: Gruppen mit 50 Flüchtlingen werden in große Zelte geschickt, kurz informiert – Tipps für den weiteren Weg, denn niemand hier will in Griechenland bleiben. Für die Reise bekommen die Flüchtlinge das Notwendigste: Wasser, ein bisschen Essen, Hygieneartikel. Registriert wurde von den Asylsuchenden noch niemand und wird es auch hier nicht. Griechenland lässt die Flüchtlinge einfach ziehen.
Fragt man Vassilis, ob die Hotspots, die nach Plänen der EU-Staaten in Grenzländern Flüchtlinge registrieren und verteilen sollen, Abhilfe schaffen können, erntet man einen spöttischen Blick: „Das löst das Problem sicher nicht.“ Er fürchtet eine neue Abschreckung hinter den „Wartezonen“, wie sie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nennt. Die Flüchtlinge würden versuchen, sie zu umgehen, sagt Vassilis. „Das macht die Wege nur gefährlicher – und teurer“, sagte er.
Selbst der in Idomeni zuständige Polizist, ein Freund Vassilis‘, teilt die Skepsis. „Was soll das bringen“, fragt er. Bereits mit der Registrierung der Flüchtlinge sind die Griechen derzeit überfordert. Selbst wenn die Hotspots mit Hilfe anderer EU-Staaten errichtet und betrieben werden sollen, scheint derzeit kaum vorstellbar, wie die Struktur bis Ende November stehen soll. Noch sind viele Fragen ungeklärt: Soll das Asylverfahren dort komplett durchlaufen werden? Selbst wenn das nur wenige Tage dauerte, wären beim derzeitigen Andrang Zehntausende Unterbringungsplätze notwendig, erläutert der Polizist. (epd/mig) Aktuell Politik
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