Flüchtlinge in Berlin
Wo der Staat versagt, hilft die Zivilgesellschaft
Berlin erwartet dieses Jahr über 40.000 Flüchtlinge. Scheinbar ist die zuständige Verwaltung überlastet und die Zivilgesellschaft muss eingreifen. Wo der Staat versagt, entwickelt die Zivilgesellschaft ungeahnte Kräfte. MiGAZIN sprach darüber mit der Leiterin des Projekts "Moabiter Kiezmütter" Shiva Saber Fattahy.
Von Hakan Demir Dienstag, 01.09.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.09.2015, 17:07 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
MiGAZIN: Sie sind mit ihrem Projekt „Kiezmütter in Moabit“ auf dem Geländes des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Erstaufnahmestelle in Berlin-Mitte und unterstützen die Arbeit vor Ort. Sind da eigentlich nicht in erster Linie die staatlichen Stellen gefragt?
Shiva Saber Fattahy: Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales ist gerade mit der Situation überfordert. Deshalb bin ich froh darüber, dass Helfer aus den verschiedensten Initiativen hier sind und täglich Brote schmieren, Wasser verteilen und die Geflüchteten auch in deren zuständige Unterkunft fahren oder sie gleich bei sich aufnehmen. Die Unterstützung ist überwältigend. Ich bin stolz auf diesen riesen Einsatz.
Wie ist momentan die Situation auf dem Lageso-Gelände?
Shiva Saber Fattahy leitet seit 2006 das preisgekrönte Moabiter Kiezmütterprojekt. Die Kiezmütter suchen Familien auf oder werden von Eltern aufgesucht und informieren über familien-, erziehungs-, gesundheits- und bildungsrelevante Themen. Die Kiezmütter sprechen verschiedene Sprachen und finden dadurch einen leichteren Zugang zu den Familien und deren Lebenswelten. Der Projektträger ist die Diakoniegemeinschaft Bethania e.V.
Shiva Saber Fattahy: Als ich mit den Moabiter Kiezmüttern vor zwei Wochen auf dem Lageso-Gelände war, gab es keine Wasserversorgung, keine Ärzte und viele der Flüchtlinge mussten auf dem Gelände übernachten. Viele Bürger griffen beherzt ein und manche nahmen sich für die ganze Woche frei, um die Flüchtlinge zu unterstützen. Das gleiche Engagement sehe ich heute weiterhin. Nun soll auch ein Medical-Point für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge eingerichtet werden. Das freut mich sehr. Was aber immer noch nicht gut funktioniert, ist die Zuteilung der Flüchtlinge in Unterkünfte. Einige übernachten seit Tagen im Freien. Das darf nicht sein.
Können Sie nachvollziehen, dass einige Menschen „besorgt“ sind und Flüchtlinge ablehnen?
Shiva Saber Fattahy: Ich finde es richtig, dass die Kanzlerin und der Vize-Kanzler klare Worte für die gefunden haben, die unsere Gesellschaft bedrohen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Rechtsextreme die Oberhand gewinnen. Es ist erschreckend, was gerade in Deutschland passiert. Doch ich vertraue da der Zivilgesellschaft, die dagegenhält und die Grundrechte verteidigt.
Die Bundesregierung denkt darüber nach, weitere Balkanländer als sichere Herkunftsländer zu erklären. Was denken Sie darüber?
Shiva Saber Fattahy: Ich lehne das ab. Die Erklärung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern hat bislang zu keiner richtigen Verkürzung der Verfahrensdauer und der Anträge aus diesen Ländern geführt. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass jeder Geflüchtete ein Individualverfahren erhalten sollte. Aktuell Gesellschaft
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