Freital in Sachsen

Tiefer Hass und fröhliche Hilfe um eine Asylbewerberunterkunft

Der Streit um die Unterbringung von Asylbewerbern im sächsischen Freital geht weiter. Dort standen sich Asylfeinde und Flüchtlingsunterstützer den dritten Abend gegenüber. Inzwischen muss die Unterkunft rund um die Uhr bewacht werden.

Von Michael Bartsch Freitag, 26.06.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 29.06.2015, 16:54 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Etwa 19.30 Uhr trifft am Mittwochabend der erwartete letzte Bus mit 40 weiteren Asylbewerbern vor dem ehemaligen Leonardo-Hotel im sächsischen Freital ein. Der Fahrer hat eine Ausweichroute gewählt, denn die Straße zu dem seit März als Asylbewerberunterkunft genutzten Gebäude ist durch Polizeifahrzeuge abgeriegelt.

Vor den Absperrungen protestieren etwa 100 Gegner der Flüchtlingsunterkunft. Später wird ihre Zahl um weitere etwa 60 Personen anwachsen. Sie schwenken eine deutsch-russische Fahne, wie sie auch bei den Dresdner „Pegida“-Demonstrationen zu sehen ist, und rufen Sprechchöre wie „Wir wollen keine – Asylantenschweine!“. Hinter der Absperrung begleiten etwa 80 Unterstützer die verstört wirkenden Ankömmlinge, zumeist Frauen mit Kindern auf dem Arm, zum Eingang und helfen, die wenigen Gepäckstücke zu tragen.

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Solche Bilder bestimmten bereits den dritten Abend in Folge in der Kleinstadt unweit von Dresden, seit am Montag erstmals ein Mob von Asylfeinden vor dem Gebäude aufmarschierte. Mit wüsten Formulierungen ruft im Internet die Initiative „Nein zum Heim“ zum „Selbstschutz“ auf. Wie bei den „Pegida“-Demonstrationen folgen dem zu 90 Prozent junge Männer, die auch nicht nur aus dem Ort stammen. Ihre Beschimpfungen gegenüber einem Musiker und bunt gekleideten Pro-Asyl-Demonstranten lassen ihr Niveau erahnen.

Die Flüchtlingsunterstützer innerhalb der Polizeiabsperrung sind ebenfalls zum Teil aus Dresden angereist. Ihre Autos hält die Polizei unter besonderer Beobachtung, nachdem am Vorabend an mehreren Fahrzeugen mit auswärtigen Kennzeichen die Reifen zerstochen wurden. Eine junge Frau, die privat mehrere Taschen mit Kleidung und Spielzeug in die Unterkunft bringt, wird von den Asylgegnern fotografiert und macht sich Sorgen um ihre künftige Sicherheit.

Steffi Brachtel von der Initiative „Weltoffenheit und Toleranz Freital“ plaudert als Anmelderin der Pro-Asyl-Versammlung angeregt mit den Vertretern des Ordnungsamtes. „Das ist meine erste Demo“, erklärt sie aufgeregt. Sie kann sich zumindest teilweise erklären, warum mit den industriellen Zusammenbrüchen nach 1990 aus dem ehemals „roten Freital“ der Arbeiter eine Hochburg von AfD und „Pegida“ wurde. „Pegida“-Gründer Lutz Bachmann ist hier zu Hause.

Brachtel zeigt auch Verständnis für die unmittelbaren Anwohner der Unterkunft, die wie viele andere in dem Ort von der plötzlichen Erweiterung des Heims als Erstaufnahmeeinrichtung am Montag überrumpelt wurden. Die Asylpolitik des von Minister Markus Ulbig (CDU) geführten sächsischen Innenministeriums hält sie für konfus. Eine Einschätzung, die vom anwesenden Kulturbüro Sachsen ebenso geteilt wird wie von den Oppositionsparteien Linke und Grüne. Die Freitaler Rathausspitze schweigt bislang zu den Vorfällen.

Weil die Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz aus allen Nähten platzt, verteilen die sächsischen Innenbehörden die Flüchtlinge jetzt auch auf andere Orte. Die Landesregierung in Dresden geht mit geschätzten 23.000 Flüchtlingen in diesem Jahr von doppelt soviel Asylbewerbern aus wie 2014.

Die Szene vor dem mit knapp 400 Flüchtlingen inzwischen voll belegten ehemaligen Freitaler Hotel entwickelt sich im Lauf des Mittwochabends eher zu einem Happening. Zahlreiche Asylbewerber sind auf den Platz gekommen, mit mehr oder weniger gutem Englisch entwickeln sich Gespräche. Manche der vorwiegend aus Syrien stammenden Flüchtlinge quittieren den Hass der Gegenseite erstaunlich gelassen. Die dürften schließlich auch ihre Meinung haben, heißt es, und die Heimunterstützer seien in der Mehrheit.

Die Polizei war an diesem Abend mit 120 Beamten weiträumig im Einsatz. Die Unterkunft wird rund um die Uhr bewacht. Als es dunkel wird, werfen Asylgegner Flaschen auf die Flüchtlingsunterstützer. Und wie am Abend zuvor muss die Polizei die Pro-Demonstranten zum Bahnhof begleiten. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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