Mobile Kita
Ein Kindergarten vor der Haustür
Die Kinder stammen aus Rumänien, Syrien oder dem Irak. Sie haben oft noch nie einen Stift oder eine Schere in der Hand gehalten. In der mobilen KiTa lernen sie spielerisch Deutsch und können wieder Kind sein - ein Projekt der Stadt Gelsenkirchen.
Von Nora Sonnabend Freitag, 26.06.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.07.2015, 21:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In Gelsenkirchen-Bismarck steht mittwochs und donnerstags ein farbenfroher Wohnwagen in der ansonsten eher tristen Robergstraße. Wenn die Kinder aus der Nachbarschaft den Wagen neben dem kleinen Spielplatz sehen, wissen sie: Die Mobile Kita ist da. „Wir fallen sofort auf“, sagt Yvonne Weiffen, Sozialpädagogin und Koordinatorin des Projekts. Schon versammeln sich etwa zehn rumänische Kinder am Wohnwagen und begrüßen und umarmen Weiffen und ihre Mitarbeiterinnen Daniela Borbely und Kerstin Kutz.
Im holzvertäfelten Wagen mit gemütlicher Sitzecke hängen selbst gemalte Bilder, auf einem kleinen Tisch liegen Bilderbücher, Papier und Stifte bereit. Heute werden Windmühlen gebastelt: Erst suchen die Kinder Stöcke, dann dürfen sie sich ein buntes Stück Papier aussuchen – und lernen nebenbei, wie ihre Lieblingsfarbe auf Deutsch heißt. Deutschlernen gehört in der Mobilen Kita dazu: Beim Seilchenspringen wird mitgezählt, im Kreis werden gemeinsam Lieder gesungen.
Das Projekt ist Teil des „Rahmenkonzeptes der Stadt Gelsenkirchen zur Integration von Kindern und Jugendlichen rumänischer und bulgarischer Zuwanderer“. Seit April 2014 werden täglich zwischen 20 und 30 Kinder in der Mobilen Kita betreut. An der Robergstraße sind es vor allem rumänische Jungen und Mädchen, an anderen Standorten inzwischen auch Flüchtlingskinder aus Syrien oder dem Irak. Dort spricht eine pädagogische Assistentin Arabisch, Türkisch und Kurdisch.
Die Arbeit mit Flüchtlingen bringt neben Sprachbarrieren noch andere Herausforderungen mit sich: Sie seien traumatisiert, sagt Weiffen. „Ein Junge aus Syrien hat jedes Mal große Angst, wenn er ein Flugzeug am Himmel sieht und fängt an, um Hilfe zu rufen.“ Montags und dienstags steht der Wohnwagen im Stadtteil Rotthausen, außerdem werden vormittags Kinder an einem festen Standort in Ückendorf betreut. Neuerdings gibt es auch ein gespendetes Wohnmobil, das bald in Schalke stehen könnte.
Projekte wie die Mobile Kita will das Land Nordrhein-Westfalen nun verstärkt fördern. Seit Mai konnten Anträge für ähnliche Betreuungsangebote für Flüchtlingskinder unter sechs Jahren gestellt werden. Sobald sie bewilligt sind, können die Kommunen mit ihren Projekten beginnen: „Die Nachfrage ist groß, wir haben viele Anträge bekommen“, sagt Lars Rehling, Sprecher des nordrhein-westfälischen Familienministeriums.
An einem warmen Sommertag ist auch ein Pavillon auf der Wiese des Spielplatzes aufgebaut. Hier können die Kinder Karten spielen, puzzeln oder malen, wenn sie genug vom Toben haben. Rebeca singt am liebsten. Sie sitzt mit ihrer Mutter Cristina Paraipan am Tisch im Schatten. Paraipan ist vor einiger Zeit umgezogen und möchte sich nun ummelden. Weil sie das Formular nicht versteht, bittet sie Daniela Borbely um Hilfe. Borbely ist selbst erst vor zwei Jahren von Rumänien nach Deutschland gekommen.
„Die Kinder freuen sich jedes Mal, wenn sie zur Mobilen Kita gehen können“, übersetzt sie, was Paraipan erzählt. Ihre Kinder Beatrisa, Jessica, Luis und Rebeca sind zwischen vier und neun Jahre alt und leben seit fast einem Jahr in Gelsenkirchen.
Die Mitarbeiterinnen versuchen zu helfen, wo sie können. Grenzen sind erreicht, wenn es um finanzielle Mittel geht: „Die meisten Familien hier leben ausschließlich von Kindergeld“, erklärt Weiffen. Abgesehen davon ist im Alltag der Familien die Verständigung das größte Problem – bei der Jobsuche und im täglichen Leben. Deshalb nimmt sich Borbely die Zeit, mit Müttern zu üben, wie man mit einem Arzt spricht oder ein Brot beim Bäcker bestellt.
Was in der Fachsprache „niedrigschwellig“ heißt, ist für Yvonne Weiffen der Schlüssel dazu, dass die Mobile Kita tatsächlich so beliebt ist: „Die Eltern müssen keine Verträge ausfüllen, wir stehen direkt vor ihrer Haustür.“ Der Besuch einer regulären Kindertagesstätte ist dann der nächste Schritt. Auch dabei helfen Yvonne Weiffen und ihre Kolleginnen. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel
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