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Die 75-jährige Ayşe Narin fertigt von Hand Schilfmatten. Diese legte man früher im Winter unter die dünnen Kilim-Teppiche zum Schutz vor der Kälte. Heute benutzt man sie bei Bestattungen. © Bea Müller

Abenteuer Türkei

Armenier, Juden, Griechen, Araber, Kurden – das sind „die Türken“

Moderne Städte einerseits, Jahrtausende alte Kulturstätten andererseits. Verschiedene Kulturen und Religionen prägen die Türkei. "Abenteuer Türkei" zeigt Menschen im Wirtschaftswunderland: Türken, Armenier, Juden, Griechen, Araber, Christen und vor allem Frauen. Der Auftakt des 5-Teilers ist heute Abend um 19:30 Uhr. Rukiye Cankıran hat sich die Reihe für das MiGAZIN bereits angeschaut.

Von Rukiye Cankıran Montag, 01.06.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 01.06.2015, 16:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ab heute startet auf ARTE eine Dokumentations-Reihe der ganz besonderen Art. Vom 1. bis 5. Juni 2015 jeweils um 19:30 zeigt der Kultursender „Abenteuer Türkei“. Es geht von der Mittelmeerküste, nach Kappadokien, Anatolien in den Südosten, Osten, an die Schwarzmeerküste und nach Istanbul. Autorin und Producerin Nadja Frenz ist eine Dokumentation ganz dicht an den Menschen und ihrer Lebenswelt gelungen.

Neben farbenfrohen Aufnahmen von Landschaften und unbekannten Sehenswürdigkeiten, vielen gut recherchierten Detailinformationen präsentiert die Autorin Nadja Frenz authentische und rührende Interviews mit Armeniern, Juden, Griechen, Arabern, Kurden und Christen. Das sind die Menschen, die die Türkei ausmachen, das sind alles „die Türken“. Es sind diejenigen, die so selten zu Wort kommen, sie zeigen den Vielvölkerstaat und den kulturellen Reichtum der Türkei.

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Die Dokumentationsreihe gibt einen kulturellen Überblick über das Land. Es geht nicht darum, die Türkei schöner zu präsentieren als sie ist oder sie nur in einem guten Licht darzustellen. Das wäre auch gar nicht möglich, denn während der Dreharbeiten im vergangenen Jahr waren die Unruhen im Land überall zu spüren, insbesondere in der Süd- und Südosttürkei war der Krieg in Syrien ganz nah, viel näher als das Team sich gewünscht hat.

Insgesamt haben über zwanzig Menschen zwei Jahre lang harte Arbeit geleistet: Recherchieren, Texten, Drehen, Interviews machen, Übersetzen, Schneiden und Vertonen. Schauspieler Mehmet Kurtuluş verleiht als Erzähler der Reihe seine Stimme. „Somit war gewährleistet, dass auch die türkischen Namen richtig ausgesprochen werden“, sagt Autorin Nadja Frenz. Ja, es ist wirklich eine Wohltat fürs türkische Ohr und ein weiteres Detail, was die Doku-Reihe auszeichnet.

16.000 Kilometer reiste das Team durch die Türkei und entdeckte viele Geschichten, z.B. die der 75-jährigen Ayşe Narin. Im ersten Teil „Die Mittelmeerküste“ wird erzählt, wie von ihr in Handarbeit Schilfmatten geflochten werden. Früher dienten diese als Kälteschutz unter dem Kilim, heute verkauft sie ihre Werke an Krankenhäuser. Die Toten werden darin eingewickelt.

Sowohl Autorin Nadja Frenz als auch ihre prominente Chefin Sandra Maischberger haben Ayşe Narin ins Herz geschlossen. Talkerin Sandra Maischberger hat vor Jahren mit ihrem Freund die Türkei per Anhalter bereist: „Ich war damals erst 17 und mit meinem Freund unterwegs. Ich war von dem Land und den Menschen überwältigt. Wir hätten ohne einen Pfennig das ganze Land entdecken können. So gastfreundlich waren die Menschen.“ Bis heute ist sie fasziniert von dieser Wärme und Herzlichkeit. “

An der fröhlichen und lebenslustigen Ayşe Narin sieht man, wie unterschiedlich ein Schicksal sein kann, je nachdem wo man zufällig geboren wurde und welche Chancen das Leben einem bietet. Das schwere Leben hat diese 75j-ährige gezeichnet, aber sie ist glücklich und strahlt Zufriedenheit und Energie aus. Das hat mich fasziniert“ sagt Sandra Maischberger.

Producerin Nadja Frenz war es wichtig, diese Stärke der Frauen hervorzuheben. Deshalb kommen in allen fünf Teilen sehr viele bodenständige, erfolgreiche, moderne und traditionelle Frauen zu Wort. „Man spricht zwar immer wieder von den starken Frauen in der Türkei, aber ich wollte auch ihre Stimmen hören. Deshalb habe ich sie begleitet und möchte Ausschnitte aus ihrem Leben zeigen. Mir hat besonders gefallen, dass die Frauen z.B. traditionelle Handarbeit mit modernen Materialien verbinden und mit ihrer Kunst bis in Europa Erfolg haben. Es ist auf eine Art ganz einfach, aber sehr raffiniert. Das hat mich sehr beeindruckt.“

Info: Die Fünfteilige Arte Doku-Reihe wird vom 1. bis zum 5. Juni jeweils um 19:30 Uhr ausgestrahlt. Weitere Infos zu den einzelnen Folgen gibt es hier.

Beeindruckend und absolut sehenswert sind alle fünf Folgen. Nadja Frenz, eigentlich Diplom-Soziologin mit Schwerpunkt Kommunikation, kam als Quereinsteigerin zur Filmproduktion, zeigt Rosenanbau in Isparta, Halbnomaden und Menschen, die noch in Höhlen wohnen in Südost-Anatolien, Imker in den hintersten Ecken der Schwarzmeerküste und einen Sprayer aus Istanbul. Die Reihe verspricht dem Zuschauer Abenteuer zwischen West und Ost und Konflikte zwischen Erhalt und Aufbruch. Dieses Versprechen wird gehalten. Selbst ein Kenner des Landes wird große Augen machen bei all den abenteuerlichen Geschichten.

Solche Dokumentationen zeigen aber auch wieder einmal, dass wir dringend ein „deutsch-türkisches ARTE“ benötigen, denn eigentlich gibt es noch viele Geschichten und Abenteuer, die völlig unentdeckt sind. Aktuell Feuilleton

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  1. Jannis sagt:

    Ich hoffe, der Bericht geht sehr kritisch im Bericht über die Minderheiten in der Türkei vor. Nicht alle der im Untertitel aufgezählten Gruppen fühlen sich wirklich als Türken und ihre Vorfahren sind im Ethnienwahn von Atatürk zwangstürkisiert worden. Erst in den letzten Jarhen wird von fortschrittlichen und vor allem laizistischen Türken die Diversität der Nation anerkannt.

  2. U.Y. sagt:

    Vielen Dank Frau Cankiran, für diese sehr Informative und spannende Beschreibung der Doku.
    Habe just recherchiert und weitere Infos erhalten, dass es eine Dokumentation kultureller und geschichtlicher Natur ist.
    Bin schon sehr gespannt.

    http://presse.arte.tv/apios/press_release/1470.pdf

  3. Wiebke sagt:

    Ich auch, und ich schliesse mich dem letzten Satz im Artikel an: Es wäre schön mit einem deutsch-türkischen Arte….

  4. surviver sagt:

    ARTE
    ist ein französischer Fernsehkanal, dass nicht nur politisch motiviert berichtet.
    Sie betreibt auch Anti-Türken-Propaganda, genauso wie ARD und ZDF.
    (positives über die Türkei wird in den öffentlich-rechtlichen meist totgeschwiegen)
    Es wird zu GARANTIERT kurz VOR den Wahlen am 07.06.2015 in der Türkei gesendet, um Anti-Erdogan-Propaganda zu machen.
    Wetten, dass……

    @ Rukiye Cankiran:

    1. Wieso ist Türkisch auf Deutschen Schulen als 2. Fremdsprache nicht zugelassen, aber Latein und Altgriechisch schon, obwohl es keiner auf der Welt spricht?

  5. Unglaubwürdig irritiert sagt:

    Erst in den letzten Jarhen wird von fortschrittlichen und vor allem laizistischen Türken die Diversität der Nation anerkannt.

    Wer sollen denn diese laizistisch und gleichzeitig fortschrittlichen Türken sein? Gerade die Anhänger Atatürks, die kemalistische Elite, hat sich so bezeichnet und war die Hauptursache von Unterdrückung und Leugnung der Diversität. Erst mit der erdoganschen Politik um die Jahrtausendwende hat ein Normalisierungsprozess begonnen, aber Erdogan wiederrum ist kein Laizist, also frage ich mich ernsthaft, wer diese laizistischen fortschrittlichen Türken sein sollen, die die Vielfalt anerkannt hätten.

  6. Perplex sagt:

    Warum soll der Bericht denn kritisch mit den Minderheiten in der Türkei umgehen. Sind etwa in Griechenland die türkischen Minderheiten nicht jahrelang von den Griechen unterdrück worden Herr Jannis. Es fair erst einmal die eigene Geschichte kritisch zu beleuchten bevor es immer heißt die Türken haben diesen und jenen unterdrückt. Willkommen im 21. Jh.

  7. Rukiye Cankiran sagt:

    @ surviver:
    In Hamburg gibt es die Möglichkeit Türkisch als zweite Fremdsprache zu wählen. Sie werden sich wundern, man kann Türkisch sogar statt Englisch wählen und auch als Prüfungsfach ins Abitur einbringen. Übrigens war meine Türkischklasse (vier Schüler) vor über 25 Jahren eine der ersten, die für diese Sprache gekäpft hat. Ich habe zunächst diesen Unterricht nachmittags als Hobby besucht, später konnte ich Türkisch offiziell wählen und sogar ins Abitur einbringen. Es war zwar ein langer Weg, aber nicht unmöglich. Also, bitte aktiv werden, Rechte erkämpft man. Ich sehe ein frustriertes Jammern nicht als Alternative, auch wenn es Grund hierfür gibt!

  8. susan sagt:

    Ach ja ARTE … Diese „Minderheiten stellten ursprünglich ein Viertel der Bevölkerung. Istanbul war noch um 1900 eine griechische Stadt, wenn ich mich nicht irre.

  9. posteo sagt:

    Warum nicht Türkisch als 2. FREMDsprache? Weil Türkisch als Weltsprache keine besondere Rolle spielt. Da wäre es sinnvoller, außer Französisch Chinesisch, Spanisch, Russisch und Arabisch anzubieten.
    Siehe http://www.weltsprachen.net/

    Für Schüler türkischer Herkunft wird an manchen Schulen bereits Türkisch für Muttersprachler angeboten. Aber das bringt in Sachen Lernaufwand keinerlei Heimvorteil.